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Politik

2022 war das Jahr der Frauen

28. Dezember 2022

Sie kämpfen gegen Kriegsverbrechen und religiöse Diktatur, protestieren und haben Wahlen entschieden. Ohne den Einsatz von Frauen wäre 2022 ein noch viel frustrierenderes Jahr gewesen, meint Astrid Prange de Oliveira.

Aufstand der Frauen: Nach dem Tod der Kurdin Mahsa Amini demonstrieren Millionen Menschen im Iran für FreiheitBild: UGC

Auch wenn Putin weiter Krieg in der Ukraine führt und die Ajatollahs im Iran gegen ihre Regimekritiker mit der Todesstrafe vorgehen: 2022 war für mich das Jahr der Frauen. Denn Frauen führen Krieg gegen die Kriegsherren - auf ihre Weise.

Im Iran proben Frauen nach dem Tod von Mahsa Amini am 16. September den Aufstand gegen die Mullahs. Die Bilder der Iranerinnen, die sich die Haare abschneiden und den Hidschab ablegen, haben weltweit Bewunderung hervorgerufen. Ihr Aufbegehren für Frauenrechte wuchs zu einer landesweiten Bewegung gegen das Regime in Teheran. Millionen Menschen fordern Freiheit und ein Ende der Mullah-Herrschaft.

"Der nicht!"

In Brasilien hat vor allem die weibliche Wählerschaft dafür gesorgt, dass ein frauenfeindlicher und Gewalt verherrlichender Präsident abgewählt wurde. Jair Bolsonaro, der Corona als "kleine Grippe" bezeichnete, und es bedauerte, dass während der Militärdiktatur die Kritiker "gefoltert und nicht getötet" wurden, muss den Präsidentenpalast verlassen. Mit Kampagnen wie "#EleNão" (Der nicht) verhalfen Brasiliens Frauen Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, der bereits von 2003 bis 2011 das Land regiert hat, zu einem knappen Wahlsieg.

Auch in den Palästinensergebieten  ist das Gesicht des Widerstands gegen Militärgewalt weiblich. Nach dem Tod der amerikanisch-palästinensischen Journalistin Shireen Abu Akleh am 11. Mai 2022 führt ihre Nichte Lina eine Kampagne an, um die Verantwortlichen für den Tod zur Rechenschaft zu ziehen. Wegen ihrer erfolgreichen Kampagnenarbeit ernannte sie das US-Magazin Time zu einer der wichtigsten Nachwuchsführungskräfte im Jahr 2022.

Shireen Abu Akleh war bei der Berichterstattung über eine Razzia der israelischen Streitkräfte (IDF) im besetzten Westjordanland ums Leben gekommen. Laut einer offiziellen Stellungnahme zur abschließenden Untersuchung des Falls durch das israelische Militär "existiert eine hohe Wahrscheinlichkeit", dass die Reporterin des arabischen Senders Al Jazeera "aus Versehen bei einem Schusswechsel der IDF getroffen worden ist, der gegen bewaffnete palästinensische Schützen gerichtet war." 

Kriegsverbrechen dokumentieren

Auch in der Ukraine kämpfen mutige Frauen im Schatten von Präsident Wolodymyr Selenskyj gegen russische Bomben und Kriegsverbrechen. Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matviichuk, Gründerin der Menschenrechtsorganisation "Center for Civil Liberties", will die Gräueltaten in der Ukraine, Syrien, Mali und Georgien vor ein internationales Strafgericht bringen.

DW-Autorin Astrid Prange de OliveiraBild: Florian Görner/DW

Das von der Juristin 2007 gegründete Zentrum war die erste Organisation, die auf der Krim, in Donezk und Luhansk Kriegsverbrechen der russischen Armee dokumentierte. Sie wurde 2022 für ihre Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Die bewundernswerte Arbeit der Kinderärztin Irina Kondratova wurde bekannt, als der ehemalige Fußballstar David Beckham ihr seinen Instagram-Account überließ. Millionen von Menschen erfuhren so, dass die Leiterin eines Perinatalzentrums in Charkiw Schwangere sowie Neugeborene und ihre Mütter unter Lebensgefahr in einem Keller des Krankenhauses versorgte.

Auf EU-Ebene koordiniert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hartnäckig die zahlreichen Sanktionspakete gegen russische Politiker, Armee und Banken. Von der Leyen gelang es, die EU-Staaten trotz unterschiedlicher Interessen auf die Unterstützung der Ukraine einzuschwören.

Bilder der Hoffnung

Die Liste ließe sich unendlich weiter fortsetzen. All diese Frauen haben es geschafft, dass nicht nur Bilder der Gewalt, sondern auch Bilder der Hoffnung dieses Jahr prägen. Das Foto der iranischen Klettersportlerin Elnaz Rekabi, die sich bei den Asienmeisterschaften in Seoul 2022 erstmals ohne Kopftuch zeigte, ging um die Welt.

Genauso wie die millionenfach in den Sozialen Medien geteilten Bilder und Videos von Frauen, die sich überall auf der Welt aus Solidarität mit der Bewegung im Iran ihre Haare abschneiden. Und die Fotos von Neugeborenen, die während des Bombenhagels in einem Keller in der Ukraine Krieg auf die Welt kommen, und ihren Eltern einen Moment der Glückseligkeit schenken, mitten im Krieg.

Ohne diese geballte Kraft an Widerstand, Lebenswillen und Freiheitsdrang wäre 2022 ein trauriges, ja niederschmetterndes Jahr. Frauen haben sich Kriegstreibern, Folterern, Diktatoren und Soldaten entgegengestellt. In meinen Augen haben sie dafür gesorgt, dass die Hoffnung auf ein besseres Leben stärker ist als die Verzweiflung über Krieg, Gewalt und Tod.

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