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PolitikEuropa

Abschiedsgrüße aus Moskau

19. November 2021

Vertrauliche Korrespondenz zu veröffentlichen ist in der Welt der Diplomatie ein Tabu. Dass Russland Briefe von Außenministern zum Normandie-Format ins Netz stellt, sendet eine klare Botschaft, meint Rosalia Romaniec.

Das bislang letzte Treffen des Präsidenten der Ukraine, der Bundeskanzlerin sowie der Präsidenten Frankreichs und Russlands (v.li.) fand im Dezember 2019 in Paris statt Bild: Alexei Nikolsky/TASS/picture alliance

Vertraulichkeit ist unter Diplomaten das höchste Gut. Wer ausplaudert, was hinter verschlossenen Türen ausgetauscht wird, verbindet damit eine Botschaft, hat einen Plan. Deshalb ist der Schritt des russischen Außenministers Sergej Lawrow so bemerkenswert.

Warum also veröffentlicht das russische Außenministerium den Briefwechsel mit Berlin und Paris? Angeblich, um klarzumachen, dass die russische Position im Ukraine-Konflikt falsch interpretiert werde. Allerdings bringt die Korrespondenz nichts Neues oder gar Brisantes ans Tageslicht. Die Positionen sind längst bekannt.

Russische Nebelkerze

Aus den Briefen lässt sich gut herauslesen, wo die Gräben in der Wahrnehmung liegen und wie sehr sich Russland einer Fortsetzung des Dialogs im Normandie-Format verweigert. Ein Treffen der Außenminister stand in Aussicht, aber Moskau machte einen Rückzieher. Angela Merkel hätte es gerne noch selbst nach vorne bewegt, doch Wladimir Putin bewegte sich nicht, hat sich dem Dialog verschlossen. "Ich hätte mir sogar ein Treffen auf Chef-Ebene gewünscht" sagte die scheidende Bundeskanzlerin, als sie auf die Veröffentlichung in einer Pressekonferenz angesprochen wurde. "Daran wird auch die Veröffentlichung des Briefwechsels nichts ändern, dass meiner Meinung nach ein solches Treffen hätte stattfinden können", so Merkel.

Rosalia Romaniec leitet die Abteilung Current PoliticsBild: DW/B. Geilert

Die Aktion des russischen Außenministeriums ist ein wenig überzeugender Versuch, die Schuld für das Scheitern des Dialogs dem Westen in die Schuhe zu schieben. Da sachliche Argumente fehlen, bricht Moskau demonstrativ mit diplomatischen Gepflogenheiten und wirft eine Nebelkerze. Worum geht es aber eigentlich?

Womöglich einfach nur um das geräuschvolle Zuknallen der Tür: Pünktlich zum Regierungswechsel in Berlin zerstören Putin und Lawrow die letzte große außenpolitische Herzensangelegenheit von Angela Merkel. Und zwar öffentlich. Ist das die russische Art "Adieu" zu sagen? Mag sein. Aber vor allem ist es eine "Präventivmaßnahme" - bevor sich die neue Bundesregierung ernsthafte Hoffnungen macht, beim Thema Ukraine da anzusetzen, wo die alte aufhören wird.

Kein gutes Omen für den neuen Kanzler

Deshalb sagt Moskau NJET! Wir sehen die Situation anders, und solange Ihr unsere Haltung nicht akzeptiert, sprechen wir mit Euch erst gar nicht mehr darüber - das ist die Übersetzung des aktuellen diplomatischen Eklats. Das Normandie-Format schien schon länger tot, doch mit der Veröffentlichung des Briefwechsels ist es nun auch definitiv begraben. Kein gutes Omen für den neuen Kanzler und die deutsche Diplomatie - eher ein beunruhigendes Zeichen. Denn Russland sagt klipp und klar: Der Westen hat in der postsowjetischen Zone nichts mitzureden. Was auch immer da noch passieren mag.

Die Bundeskanzlerin, welche die eigentliche Adressatin der Provokation ist, nahm die "Grüße" aus Moskau übrigens mit Nonchalance: "Dass Briefe veröffentlicht werden, ist nicht so überraschend. Ich lese viele meiner Briefe in der Zeitung." Das ist ihre Art nach Moskau zurückzugrüßen.

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