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Politik

Mandatsverlängerung ist ein Fehler

25. März 2021

Der Bundestag hat das Mandat der Bundeswehr für den Afghanistan-Einsatz ein weiteres Mal verlängert. Die Abgeordneten fragen gar nicht mehr nach dem Sinn dieser Mission, meint Christoph Hasselbach.

Bild: picture-alliance/JOKER/T. Vog

Die Geschichte der westlichen Militärintervention in Afghanistan ist eine Geschichte der Selbstüberschätzung und der Illusionen. Und das gilt besonders für die deutsche Bundeswehr.

Der Einsatz dauert nun schon fast 20 Jahre. Er begann als Reaktion auf die Terroranschläge auf die USA vom 11. September 2001. Die Hintermänner vermutete die US-Regierung bei den damals in Afghanistan herrschenden Taliban. Deutschland wollte Bündnistreue beweisen und machte mit. Der damalige SPD-Verteidigungsminister Peter Struck erklärte wiederholt: "Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt."

Ziel Demokratisierung verfehlt

Aber die militärkritische deutsche Öffentlichkeit und der Bundestag brauchten ein höheres Ziel, um die eigenen Soldaten in ein Konfliktgebiet weitab vom eigenen Territorium zu schicken. Deswegen wurde fortan betont, man wolle Afghanistan in eine stabile Demokratie verwandeln.

DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Das erste Ziel ist erreicht. Von Afghanistan geht im Moment keine Gefahr mehr für die USA und ihre Verbündeten aus. Vom zweiten Ziel, Stabilität und Demokratie in Afghanistan selbst, ist man heute so weit entfernt wie je. Eva Högl, die Wehrbeauftragte des Bundestages, hat kürzlich zugegeben, die ursprünglich gesetzten Ziele seien nicht erreicht worden.

Im vergangenen Jahr stellte der SPD-Wehrexperte Fritz Felgentreu kurz und bündig fest, Afghanistan sei "kein demokratischer Rechtsstaat geworden". Und auf Berichte eines Bundeswehr-Offiziers über Missstände beim Afghanistan-Einsatz sagte Felgentreu, es sei "keine neue Erkenntnis, dass in Afghanistan Menschenrechtsverletzungen und Korruption auch auf Regierungsseite weit verbreitet sind". 

Die USA wollen raus

Für die pragmatischen Amerikaner genügt es, die Terrorismusgefahr für die westlichen Länder gebannt zu haben. Sie denken an Abzug. Ex-Präsident Donald Trump hatte noch innerafghanische Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der Regierung in Kabul zur Voraussetzung für einen Abzug gemacht. Aber das war ein Feigenblatt. Der Erfolg dieser Verhandlungen und die Frage, welche Rolle die wiedererstarkten islamistischen Taliban in Zukunft in dem Land spielen werden, waren Trump egal. Und auch für seinen Nachfolger Joe Biden scheint das zumindest zweitrangig zu sein.

Die werteorientierten Deutschen stecken damit in einem Dilemma. Sie wollen das, was etwa bei der Bildung oder für die Frauen in Afghanistan erreicht wurde, nicht aufs Spiel setzen. Alle Beteiligten ahnen: Ziehen alle ausländischen Truppen ab, wird die westlich gestützte Regierung in Kabul, die ohnehin nur einen kleinen Teil des Landes kontrolliert, schnell fallen. Und damit werden auch viele der Errungenschaften zunichte gemacht. Der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte diese Woche: "Wir wollen nicht durch einen zu frühzeitigen Abzug aus Afghanistan riskieren, dass die Taliban zurückkehren zur Gewalt und versuchen, mit militärischen Mitteln an die Macht zu kommen."

Was wäre in 30 Jahren anders?

Doch wenn man das verhindern will und nach fast 20 Jahren bei der Stabilisierung Afghanistans nicht einen Schritt weitergekommen ist, wie lange soll die Bundeswehr bleiben? 30 Jahre, 50 Jahre? Und was sollte dann anders sein?

Bisher hat der Bundeswehreinsatz 59 Soldaten das Leben und bis Ende 2018 die Steuerzahler nach offiziellen Zahlen zwölf oder gut 16 Milliarden Euro gekostet, je nach dem, ob man nur die reinen Militärausgaben betrachtet.

Die Bundeswehr sichert in Afghanistan keine deutschen Interessen mehr - wenn sie es je getan hat. Und das Ziel eines demokratischen Afghanistan nach westlichem Vorbild war immer eine Illusion. Deswegen hat der Einsatz keine Begründung mehr.

Zu oft Mandate "durchgewinkt"

Ziehen die Amerikaner ab, würden sie den Deutschen ohnehin die Entscheidung abnehmen. Denn die Bundeswehr und die anderen Verbündeten sind so sehr auf die US-Truppen angewiesen, dass sie den Einsatz ohne sie nicht fortsetzen würden und könnten. Es geht also allein um einen Rest Bündnissolidarität für den Fall, dass Präsident Biden die Mission noch ein wenig fortsetzt, um Druck auf die Taliban während der Verhandlungen auszuüben. Aber als Begründung für eine Mandatsverlängerung ist das einfach zu wenig.

Die Wehrbeauftragte Eva Högl hat vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk selbstkritisch bilanziert: "Wir haben die Mandate als Abgeordnete in den letzten Jahren zum Teil ziemlich durchgewinkt." Leider ist genau das nun ein weiteres Mal passiert.