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Politik

AKK fordert - und keiner hört hin

31. Oktober 2020

Als erstes deutsches Regierungsmitglied schlägt Annegret Kramp-Karrenbauer einen grundsätzlichen Politikwechsel gegenüber den USA vor. Das ist verwegen und zum Scheitern verdammt, meint Michaela Küfner.

Bild: DW/Bernd Riegert

Kein Zweifel: Die Neuvermessung der Welt - ohne die Schutzmacht USA - hat längst begonnen. Auch (sogar!) in Deutschland. Egal, ob Donald Trump oder Joe Biden die Wahl am 3. November gewinnt: Vier Jahre Trump haben die Europäer dazu gezwungen, darüber nachzudenken, wie eine Welt ohne die Führung der USA aussehen könnte.

Als erstes Mitglied der Bundesregierung hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer das nicht nur öffentlich zu Ende gedacht. Sie hat auch gleich einen kompletten strategischen Fahrplan zur Neuausrichtung der transatlantischen Beziehungen auf den Tisch gelegt.

"Augenhöhe" für Deutschland und Europa

Kramp-Karrenbauer fordert "Augenhöhe" und ist bereit, dafür einen wirtschaftlichen Preis zu bezahlen. Radikal selbstbewusst fordert sie von Washington, es müsse zunächst einmal seinen Verbündeten in Europa "zu erkennen geben, dass es die Verteidigung unserer Interessen und Werte als gemeinsames Projekt begreift", da sei man "in den vergangenen Jahren auch an Grenzen gestoßen". Egal wie die Wahl also ausgehen wird - offensichtlich rechnet Annegret Kramp-Karrenbauer nicht damit, dass selbst ein demokratischer Präsident Joe Biden Amerika zurück in das transatlantische Fahrwasser der Obama-Jahre steuern wird. Auch ihm gibt sie vorsorglich mit auf den Weg, dass Deutschland "für einen disruptiven Politikstil nicht zu haben" ist.

Michaela Küfner ist Politische ChefkorrespondentinBild: DW/B. Geilert

Darum dürfe Berlin auch nicht länger nur ein "strategischer Nehmer" bleiben, fordert die Verteidigungsministerin, sondern müsse auch selbst "strategischer Geber" sein. Das darf als Seitenhieb gegen Kanzlerin Merkel verstanden werden, deren Politikstil genauso bewundert wird, wie er als visionslos verschrien ist.

Kramp-Karrenbauer wird bei ihrer Forderung nach einer "Schlüsselrolle" Deutschlands dabei - ganz undeutsch - geradezu konkret. Deutschland müsse "deutlich machen, wofür wir bereit sind einen Preis zu bezahlen" und den immer NATO-kritischeren Amerikanern demonstrieren "dass die Europäer selbst machtvoll agieren können". Ja, das bedeute neben steigenden Militärausgaben dann auch mehr Einsätze im Ausland, doch nur so erreiche Europa die nötige "Augenhöhe". Innenpolitisch bleibt der Ruf nach mehr militärischem Engagement jedoch weiterhin ein mutiger Griff in den politischen Giftschrank.

Wirtschaftsinteressen opfern

Auch ein gemeinsames Handelsabkommen mit den USA sei Teil des Preises, den es zu zahlen gelte. Dabei komme es nicht darauf an einen guten "Deal" für Europa zu erzielen, sondern ein "Signal" dorthin zu senden "wo es am dringendsten gehört werden muss". Sie meint damit China und Russland. Hier signalisiert also ein Mitglied der Bundesregierung die Bereitschaft, für die strategische Westbindung Deutschlands und Europas erhebliche Wirtschaftsinteressen zu opfern - sichtbar für die Welt und die eigenen Bürger.

Doch dieser verwegene Aufschlag verhallt weitgehend. Obwohl Annegret Kramp-Karrenbauer die Abschottung und Entkopplung der USA auf die gleiche Stufe der Bedrohung für die liberalen Handel stellt, wie den "aggressiv gelenkten Staatskapitalismus Chinas". Man stelle sich solch eine Aussage mal am Beispiel des US-Verteidigungsministers Mark Esper vor: Undenkbar, dass solch starke Worte nicht auch sofort als Politikwechsel begriffen werden würden. Doch in Washington gilt nur, was Merkel sagt.

Die schweigende Kanzlerin

Außenminister Heiko Maas mildert zwar kurz nach der Rede seiner Kabinettskollegin bereits ab: Man werde nach der Wahl "mit Vorschlägen auf Washington zugehen", man brauche ein neues gemeinsames Verständnis über die globalen "Spielregeln". Doch alle wissen, sowohl die Kritik als auch die Ideen für eine strategische Neuausrichtung der transatlantischen Beziehungen - das alles bleibt unverbindlicher Büroklatsch am deutschen Kabinettstisch, solange sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht neu positioniert. Und das tut sie nicht.

Denn sie weiß, dass Deutschland, dass Europa sich das gar nicht leisten kann - "nicht alleine auf der Weltbühne bestehen kann", wie sie in einer Rede zu Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft offen darlegte. Diese Analyse teilt zwar auch ihre Verteidigungsministerin. Doch im Unterschied zu Merkel will Annegret Kramp-Karrenbauer eine öffentliche Debatte darüber, wie man das ändern könnte. Sie will das, obwohl sie als CDU-Parteivorsitzende weiß, dass ihre eigene Parte keinen Appetit auf Außenpolitik als Wahlkampfthema vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr hat.

Und so übertönt die dröhnende Stille aus dem Kanzleramt auch diesen Versuch, eine strategische Neuausrichtung Deutschlands und Europas auch nur zu diskutieren. Und Kramp-Karrenbauers Neuvermessung der Welt wird zu einer weiteren Vermessung der Breite und Tiefe der machtpolitischen Lücke, die Angela Merkel hinterlassen wird, wenn sie im Herbst 2021 wie angekündigt das Kanzleramt für immer verlässt.

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