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Politik

Angriff der EU auf Google und Co.

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
16. Dezember 2020

Die Europäische Union nimmt sich endlich vor, die Internet-Konzerne für ihre Inhalte verantwortlich zu machen. Und sie ihrer absoluten Marktmacht zu berauben. Eine lange Schlacht steht bevor, meint Bernd Riegert.

Bild: DW/P. Henriksen

Wir, Nutzer des Internets, sind daran gewöhnt, dass der größte Teil des Service umsonst ist. Dass wir zwar nicht mit Geld, aber dafür mit unseren Daten bezahlen, ist nicht vielen bewusst. Die Internetkonzerne, die die EU-Kommission als die "Bösewichte" im Netz identifiziert hat, nutzen die Daten, um uns Werbung, Produkte, Freunde, Informationen, ja unseren Ausschnitt der Wirklichkeit anzuzeigen. Es geht um Profit, nicht um Meinungsfreiheit oder eine romantische Vorstellung vom grenzenlosen, demokratischen Internet.

Für Amazon, Google, Facebook, Microsoft, Apple, Uber und Co. ist das Internet eine Ressource, eine Produktionsstätte, ein Distributionskanal. Das an sich ist nicht verwerflich oder kritikwürdig. Kritisch wird es erst, wenn die Unternehmen ihre Marktmacht, ihren schrankenlosen Zugang zu Daten und Lebenswelt ihrer Kunden missbrauchen. Genau dort will die EU mit ihren neuen Digital-Gesetzen ansetzen. Und das ist gut so.

Weit vorwagen

Wird der Vorschlag Gesetz, dann schwingt sich die EU-Kommission zu einer sehr mächtigen Aufsichtsbehörde auf, die im Kern die Geschäftsmodelle der im Moment vornehmlich amerikanischen Internet-Unternehmen angreift. Wenn Google und Co. in Zukunft offenlegen sollen, wie ihre Algorithmen jeden einzelnen von uns abtasten und mit Ware oder Informationen versorgen, dann trifft das die Plattformen ins Herz. Wenn Google und Co. den Kunden künftig nicht mehr vorrangig eigene Dienstleistungen und Waren unterjubeln dürfen, geht ihnen der Weg, fantastische Gewinne zu erzeugen, verloren.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die EU muss damit rechnen, dass sich die Konzerne, deren Wirtschaftskraft größer ist als die mancher europäischer Kleinstaaten, sich das nicht gefallen lassen werden. Es wird ein jahrelanges Gesetzgebungsverfahren mit ungeahnten Lobby-Schlachten geben, um den als Angriff verstandenen Versuch der EU-Kommission abzuwehren oder wenigstens abzumildern. Die Regulierer in der EU haben bisher mit empfindlichen Geldstrafen versucht, die Macht der Konzerne und ihre Monopole zu beschneiden. Das hat nicht funktioniert. Die Strafen wurden aus der Portokasse gezahlt und die Konkurrenz weiter abgewürgt. Das Geschäftsgebaren hat sich kaum verändert.

Privilegien schleifen

Jetzt zielt die EU auf die besonderen Privilegien, die die Internet-Plattformen gegenüber der realen Welt genießen. Bislang nämlich sind sie für die von ihnen veröffentlichten Bilder, Videos oder Texte nicht verantwortlich. Bei klassischen Medien ist das anders. Sie sind presserechtlich verantwortlich. In Zukunft sollen Facebook, Twitter und Co. gezwungen werden, zumindest terroristische Inhalte aus dem Netz zu nehmen. Mehr Aufsicht, mehr Kontrolle sollen wirken, aber das eigentliche Privileg wird noch nicht angetastet. Konsequent wäre, die sogenannten "sozialen" Medien als das zu behandeln, was sie sind: gewinnorientierte Medienunternehmen - mit allen Pflichten und Rechten.

Internet-Händler wie Amazon oder eBay, die auf ihren Seiten den Verkauf von gefälschten oder unsicheren Produkten zulassen, sollen bald dafür haftbar gemacht werden. Das ist überfällig, denn jeder Laden ganz egal wo in der EU ist verantwortlich für die Dinge, die er verkauft.

Eine Revolution

Die EU-Kommission will also versuchen, die Internet-Unternehmen zur Änderung ihrer Geschäftsmodelle und zur Aufgabe ihrer Privilegien zu zwingen. Diese digitale Revolution ist überfällig. Sie sollte aber nicht ihre Kinder fressen. Kleinere und neuere Internet-Unternehmen müssen die Chance haben, auf den Markt zu kommen und ihre Produkte und Dienstleistungen in Suchmaschinen zu platzieren. Europa ist im globalen Netz keine Insel. Deshalb muss die EU-Kommission auch beachten, wie die Internetunternehmen in den USA, in Asien und anderswo behandelt und reguliert werden. Hier kommt dann auch die Frage nach der gerechten Besteuerung dieser Unternehmen ins Spiel, die nach wie vor ungelöst ist.

Der Ansatz der EU, sich nun endlich der digitalen Wirtschaft anzunehmen, ist richtig. Vor 20 Jahren, als es weder Facebook noch Smartphones gab, wurden die heute noch geltenden Regeln aufgestellt. Eine künftige Gesetzgebung muss schneller und dynamischer werden. Sonst kann es sein, dass neue Unternehmen, deren Geschäftsmodelle mehr als bisher auf künstlicher Intelligenz aufbauen und Produkte erschaffen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können, die EU schnell überflügeln. Oder sie wandern in das "Darknet" ab, einen gänzlich unregulierten Marktplatz, eine alternative Wirklichkeit.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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