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PolitikBrasilien

Lulas Sprache gefährdet die Demokratie

Deutschland/Brasilien Der freie Lateinamerika-Korrespondent Tobias Käufer V2
Tobias Käufer
1. Oktober 2022

Im Wahlkampf in Brasilien liefern sich Links- und Rechtspopulisten einen gefährlichen Schlagabtausch. Dabei überschreitet nicht nur Amtsinhaber Jair Bolsonaro die Grenzen des Zulässigen, meint Tobias Käufer.

Brasiliens Ex-Präsident Luiz Inacio Lula da Silva will zurück ins Amt - und kämpft dabei mit harten BandagenBild: Miguel Schincariol/AFP

Geht es nach Luiz Inácio Lula da Silva, dann steht bei den heutigen Wahlen nichts anderes als die Unabhängigkeit Brasiliens auf dem Spiel. Eine Wahlniederlage an der Urne bedeutet nach Lesart des Präsidentschaftskandidaten der linken Arbeiterpartei PT also das Ende der Demokratie. Das ist eine seltsame Haltung zu freien Wahlen und deren Ergebnissen. Sie ist gar nicht mal so weit weg von den unsäglichen Kommentaren des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro zu einem manipulierten Wahlausgang, für den er keine Beweise hat.

Die Zeitung "Estadao" kommentierte vor einigen Tagen, Lula beleidige und behandele die Brasilianer, die ihn nicht wählen wollen, wie "Feinde". Der erfahrene Ex-Staatschef, der Brasilien schon einmal von 2003 bis 2011 regierte, hat sich ganz bewusst für diesen aggressiven Wahlkampfstil entschieden und setzt dabei auf ähnliche Methoden wie der umstrittene Amtsinhaber. Deswegen ist die Einsortierung in Links- oder Rechtspopulismus zutreffend, auch wenn das Lula-Lager davon nichts wissen will. Populistisch ist bekanntlich immer nur das andere Lager.

"Teufel und Dämonen" gegen den "Ku-Klux-Klan"

Stimmen die Umfragen, dann wird Lula als Wahlsieger ab 1. Januar 2023 ein Land übernehmen, das bis in die Haarspitzen gespalten ist. Und daran sind nicht nur die unsäglichen Kommentare Bolsonaros Schuld, sondern auch Lulas Verbalattacken. Die Teilnehmer der Pro-Bolsonaro-Demonstrationen pauschal als Ku-Klux-Klan-Angehörige zu beschimpfen, passt in die verbalen Muster, die Lula derzeit verwendet. Während Bolsonaro und seine Frau Michelle davon sprechen, Brasilien vor Dämonen, dem Teufel, dem Kommunismus retten zu müssen und Lula einen Dieb nennen, hält dieser dagegen, Brasilien vor dem Faschismus, dem Ku-Klux-Klan, der Unfreiheit schützen zu müssen und nennt Bolsonaro einen Völkermörder. Wie soll eigentlich nach den Wahlen eine Versöhnung mit dem unterlegenen Teil des brasilianischen Wahlvolkes möglich sein, wenn die "Anderen" offensichtlich nur aus Faschisten, Kommunisten, Teufeln, Dämonen, Dieben, Völkermördern oder Anhängern des Ku-Klux-Klan bestehen?

Verheerende Bilanz - auf beiden Seiten

Für diesen populistisch geführten Wahlkampf gibt es einen Grund. Und das ist die politische Bilanz der beiden politischen Alphatiere. Nach vier Jahren Bolsonaro ist Brasilien durch die Überforderung des aktuellen Regierungschefs in eine veritable gesellschaftliche Krise geraten. In einer solchen Situation wäre eigentlich ein versöhnender Kurs auf der Gegenseite notwendig, um wieder Brücken zu bauen.

Tobias Käufer ist freier Lateinamerika-Korrespondent und berichtet unter anderem aus Rio de JaneiroBild: Privat

Doch die Verbalattacken sind der offensichtliche Versuch Lulas, von der eigenen Bilanz und der seiner Arbeiterpartei PT abzulenken. Letztendlich war es die tiefe Enttäuschung der Wähler über den schlechten Zustand des Landes nach 13 Jahren PT, die - nach einem kurzen Zwischenspiel von Michel Temer als Präsident - 2019 Bolsonaro an die Macht brachte. Sein Sieg beruhte keineswegs nur auf Fake-News des rechten Lagers, wie heute gerne populistisch behauptet wird. Unter keinem anderen Präsidenten wurde in diesem Jahrhundert so viel Amazonas-Regenwald abgeholzt wie unter Lula. Seine politische Mitverantwortung für die gigantischen Korruptionsskandale um die Konzerne Odebrecht und Petrobras ist bis heute nicht aufgearbeitet. Seine Entscheidung, die Fußball-WM und die Olympischen Spiele ins Land zu holen, während Krankenhäuser und Schulen vor sich hin gammelten, führte zu einem wirtschaftlichen Debakel und einem gesellschaftlichen Riss. Und wenn Lula Bolsonaro zu Recht die Verharmlosung der brasilianischen Militärdiktatur vorwirft, dann muss sich Lula auch an seiner Unterstützung der brutalen repressiven Linksregime in Kuba, Venezuela oder Nicaragua messen lassen, deretwegen derzeit jeden Tag Menschen auf der Flucht sterben.

Getöse statt Lösungen

Die Diskriminierung des politischen Gegners lässt die sozialen Netzwerke kochen und lenkt ab. Sie verhindert Debatten über die Ursachen der tatsächlichen Probleme des Landes, an denen beide Wahlfavoriten ihren Anteil haben. Das eigentliche Drama der beleidigenden Diskurse für die Demokratie ist aber, dass die durchaus vorhandenen, weniger aggressiven Alternativen auf dem Wahlzettel im Strudel der Beschimpfungen untergehen. Und so gewinnt der Populismus. Schon wieder.

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