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Wer Deutschland künftig regiert, bleibt offen

Mikhail Bushuev DW Russisch
Mikhail Bushuev
13. September 2021

Die Spitzenkandidaten haben sich im zweiten TV-Triell keine Blöße gegeben - der Wahlausgang bleibt spannend. Doch es gibt schon jetzt eine bittere Erkenntnis, meint Mikhail Bushuev.

Ein Bild mit Symbolwert: Olaf Scholz (li.) und Armin Laschet (re.) griffen sich gegenseitig an, Annalena Baerbock profitiertBild: Michael Kappeler/AFP/Getty Images

Willkommen im spannenden Endspurt des Wahlkampfs 2021: Zwei Wochen vor der Bundestagswahl erlebte Deutschland in der TV-Sendung von ARD und ZDF ein zweites "Triell" der Kanzlerkandidaten von Union, SPD und Grünen. Und das neuerliche Aufeinandertreffen von Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne) war erfrischend anders als das erste vor zwei Wochen.

Was gab's? Einen heftigen Schlagabtausch und mehr inhaltliche Debatten. Wer war im Angriffsmodus? Laschet, der mit dem Rücken zur Wand steht und für die Union jetzt zu retten versucht, was noch zu retten ist. Wen attackierte der CDU-Spitzenkandidat? Nein, nicht Annalena Baerbock diesmal, sondern Olaf Scholz.

An Scholz bleibt nichts hängen

Der amtierende Vizekanzler parierte - ohne zu brillieren, aber ziemlich solide. Laschet konnte mit seinen Attacken bei der CDU-Kernwählerschaft vermutlich punkten, seinen Gegner empfindlich treffen konnte er wohl kaum. An Scholz bleibt in diesem Wahlkampf bisher nichts hängen. Seine erstaunlichen Gedächtnislücken im Cum-Ex-Skandal, der die deutschen Steuerzahler mehrere Milliarden Euro gekostet hat, werden ihm offenbar verziehen.

DW-Redakteur Mikhail BushuevBild: DW

Und die Grünen-Kandidatin Baerbock? Sie hatte immer wieder ihre Momente, konnte mitten im teilweise scharfen Schlagabtausch der beiden Herren ihre Akzente setzen. Wo sich Laschet und Scholz darüber stritten, wer in der großen Koalition denn schuld trage am nur langsamen Reformtempo in der Republik, spottete Baerbock herrlich über die "Vergangenheitsbewältigung" von CDU und SPD - sie selbst stehe für die Zukunft!

Über was wurde geredet? Renten und Mieten, Mindestlohn und Einwanderung (da durfte komischerweise nur Armin Laschet sich äußern) und - endlich! - die Digitalisierung. Zuschauer außerhalb Deutschlands dürften darüber gestaunt haben, dass in den ganzen 90 Minuten keine einziges Mal Außenpolitik zur Sprache kam - weder von den Fragestellern noch von den Kandidaten. Doch keine Sorge, das politische Deutschland will sich nicht von der Mitverantwortung für die Welt verabschieden: Schließlich wurde auch über globale Themen gesprochen - den Klimaschutz sowie eine weltweite Mindeststeuer für Digitalkonzerne. 

Die Wahl wird eng und es wird spannend

Die gute Nachricht nach dem zweiten Triell ist, dass es in den verbleibenden zwei Wochen bis zum Wahltag noch wirklich spannend wird, sogar eng. Für alle, die es lieben, die Chancen der Parteien auszurechnen und mögliche Koalitionen vorherzusagen - das ist ihre Zeit! Der SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz führt in allen Umfragen. Doch Laschet darf noch keiner abschreiben. Er leistete sich zumindest an diesem Abend keinen peinlichen Aussetzer und bleibt mit seiner Union im Rennen.

Annalena Baerbock zeigte im Triell: Selbst wenn es für sie kaum noch um den Posten der Kanzlerin geht, kann sie den Aufstieg der Grünen konsolidieren. Die Partei ist in den Umfragen zu weit weg vom ersten Platz, aber ihr Wahlergebnis von vor vier Jahren dürfte sie nahezu verdoppeln. Allein dass die "Volksparteien" SPD und die CDU/CSU Platz machen und aus dem Duell ein Triell wurde, ist sicherlich ein Prestigegewinn für die Grünen.

Willkommen in der deutschen Gerontokratie

Die weniger gute Erkenntnis erbrachte nach dem Triell die Blitzumfrage, die noch während und unmittelbar nach der Sendung gemacht wurde. Diese zeigte wieder einmal schonungslos, dass Deutschland in einem Generationskonflikt steht und das noch nicht hinreichend realisiert hat. Kurz gefasst: Baerbock spricht vor allem die jungen Wählerinnen und Wähler an, aber die Älteren sind in der Mehrheit. Der Kampf gegen die Klimakrise, für den sie steht, wird vom älteren Wahlvolk als nicht so dringend empfunden. Das ist bitter - nicht nur für die Grünen: Willkommen in der deutschen Gerontokratie!

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