Die Arbeit als Polizist oder Polizistin ist keine ganz einfache. Taschendiebe, Trickbetrüger, Schläger, Räuber, Mörder, Extremisten und alkoholisierte Autofahrer sind nicht unbedingt der Umgang am Arbeitsplatz, von dem die meisten Menschen träumen.
Zumal ein wichtiger Teil der Arbeit nicht im warmen Büro mit Kaffeeautomat stattfindet, sondern auf dem Präsentierteller der Gesellschaft: der Straße. Dafür verdienen Polizistinnen und Polizisten Anerkennung und die Loyalität der Politik.
Gefährliche Netzwerke
Aber seit Monaten verschärft sich die Debatte, wie weit diese Loyalität gehen soll. Denn ebenfalls seit Monaten wächst die Zahl besorgniserregender Meldungen über rechtsextreme und rassistische Vorfälle bei der Polizei. Mal sind es Verfehlungen einzelner Beamter, mal ganze Netzwerke an Hitler-Bewunderern in Uniform. Betroffen sind die Sicherheitsbehörden auf allen Ebenen: einfache Polizeiwachen, Sondereinsatzkommandos, der Inlandsgeheimdienst, der Polizeinachwuchs – und das in praktisch allen Bundesländern.
Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte sich bislang trotzdem beharrlich geweigert, strukturelle Probleme in den Sicherheitsbehörden zu sehen. Sein Credo: 99 Prozent der Beamten würden korrekt arbeiten. Deswegen hatte Seehofer eine Studie über Rassismus innerhalb der Polizei stets abgelehnt.
Seehofer unter Druck
Doch der Druck auf den Minister wuchs. Zivilgesellschaftliche Gruppen, Wissenschaftler, Experten und immer mehr der mächtigen Innenminister der deutschen Bundesländer forderten eine solche Studie ein.
Jetzt also scheint Minister Seehofer bereit – aber nur mit Kompromissen. Dem Vernehmen nach will die Bundesregierung Rassismus bei den Sicherheitskräften untersuchen lassen – allerdings nur im Rahmen einer großangelegten Studie über die Alltagserfahrungen von Polizistinnen und Polizisten. Genaueres ist noch nicht bekannt.
Die Entscheidung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Wie weit der Schritt dann führen wird, ist ungewiss. Denn natürlich ist es eine Binsenweisheit, dass jede Studie nur so gut ist, wie die Fragen, die sie stellt.
"Kritische Loyalität"
Kein Polizist wird sich durch die Antwort "Ja" auf die Frage: "Sind Sie ein Anhänger von Adolf Hitler?" quasi selbst entlassen. Wichtig ist also, dass die Komplexität menschenfeindlicher Einstellungen erfasst wird.
Wichtig sind auch die Details: werden nur augenfällige Anfeindungen und Abwertungen erfasst, oder auch subtile Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe, des Namens oder der Herkunft eines Betroffenen? Denn nur mit diesen Angaben können mögliche strukturelle Probleme wirklich angegangen werden.
Bislang ist das an der Verweigerung der Sicherheitsbehörden selbst und auch an der Politik gescheitert. Die Loyalität der Regierenden zu ihren Polizistinnen und Polizisten war bislang absolut.
Viel sinnvoller wäre eine "kritische Loyalität", wie sie der Hamburger Polizeiwissenschaftler Rafael Behr fordert: Die Beamten haben für ihre gefährliche Arbeit natürlich den Rückhalt der Gesellschaft verdient.
Gewaltmonopol ist auch Verpflichtung
Aber weil sie auch das Gewaltmonopol im Staate haben, muss eine kritische Hinterfragung ihrer Arbeit genauso natürlich sein. Oder um es mit dem Konflikt- und Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer zu sagen: "Jede offene Gesellschaft und liberale Demokratie hat ein unbedingtes Recht darauf, zu wissen, was in ihren mit dem Gewaltmonopol ausgestatteten Institutionen vor sich geht."
Eine wissenschaftliche Studie, die diesem Problem auf den Zahn fühlt, muss niemand fürchten. Denn in einer offenen Gesellschaft sind Konflikte und Probleme keine Hiobsbotschaften, sondern Vorlagen für Entwicklung und Verbesserung. Also: "Augen auf statt Augen zu und durch".