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PolitikEuropa

Baerbock zeigt klare Kante in Ankara und Athen

Ronald Meinardus
31. Juli 2022

Im Streit zwischen der Türkei und Griechenland hat sich Bundesaußenministerin Baerbock deutlich von Ankaras neuer Aggressivität distanziert. Diese Klarstellung war wichtig und richtig, meint Ronald Meinardus.

Außenministerin Baerbock in der Türkei
Distanziert: Außenministerin Baerbock und ihr türkischer Amtskollege Cavusoglu bei einer Pressekonferenz in IstanbulBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Schon die Routenplanung ließ politisches Ungemach erahnen. Mit ihrer Reise nach Griechenland und in die Türkei betrat die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock ein diplomatisches Minenfeld.

Euphemistisch war von der Südostflanke der westlichen Verteidigungsallianz die Rede. Und die Ministerin wurde nicht müde, mit Verweis auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die Bedeutung des Zusammenhaltes der Verbündeten zu beschwören.

Die Realität ist sieht anders aus: Das seit Jahrzehnten zerrüttete griechisch-türkische Verhältnis ist an einem Tiefpunkt angelangt - wieder einmal. Erinnerungen werden wach an den Krisensommer 2020, als Ankara und Athen im östlichen Mittelmeer wegen ihres Streits über die Seegrenzen fast in einen Krieg geschliddert wären.

DW-Autor Ronald Meinardus leitet das Mittelmeerprogramm des Athener Think Tanks ELIAMEPBild: DW/K. Danetzki

Damals war es vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Schulterschluss mit den Europäern einen Ausweg aus der Krise wies. Zwei Jahre später hat sich die Welt verändert.

Merkel ist im Ruhestand. In Berlin regiert die Ampel-Koalition mit einer Außenministerin von den Grünen, die in der Türkei-Frage abweichende – sprich: kritischere – Vorstellungen als die anderen Parteien vertreten.

Ankaras neue Aggressivität  

Berlins Politik gegenüber Ankara bleibt von der Zielsetzung geleitet, ein weiteres Auseinanderdriften der Türkei und Europas zu verhindern. Der Krieg in der Ukraine hat die herausragende, in mancher Sicht einzigartige Stellung der Türkei bestätigt.

Die türkische Regierung ist sich ihres geostrategischen Wertes bewusst. Angesichts der gefühlten Unverzichtbarkeit reizt Ankara die politischen Spielräume aus. Dies zeigt sich in einer neuen Aggressivität der Außenpolitik Ankaras. Adressaten dieser Politik sind Syrien, vor allem aber das Nachbarland Griechenland.

Wie miserabel es um die griechisch-türkischen Beziehungen bestellt ist, erfuhr Baerbock nun aus erster Hand. Die gemeinsame Pressekonferenz mit ihrem türkischen Kollegen Mevlüt Çavuşoğlu bot reichlich Anschauungsmaterial – und das vor laufenden Fernsehkameras.

Die Menschenrechtsverletzungen und die anhaltenden Schikanen der türkischen Justiz gegen Osman Kavala spielten eine Nebenrolle. Im Mittelpunkt des "Schlagabtausches" – wie westliche Beobachter den Termin mit der Presse auch genannt haben – stand das griechisch-türkische Thema.

Baerbock positioniert sich eindeutig

ZumEntzücken ihrer griechischen Gastgeber ließ Baerbock in Athen keinen Zweifel daran, wo Berlin in dem von Ankara angezettelten Zwist um die ostägäischen Inseln steht. "Griechische Inseln sind griechisches Territorium, und niemand hat das Recht, das infrage zu stellen", stellte die Ministerin klar.

Der türkische Außenminister distanzierte sich auf seine Weise. Er überging auf der gemeinsamen Pressekonferenz die diplomatische Etikette und pries die Vorzüge der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel. Damals, so Çavuşoğluso, sei Deutschland ein "ehrlicher Makler" und "unvoreingenommen" gewesen. Heute fielen Deutschland und die EU auf die Propaganda Griechenlands herein.

Irgendetwas hat sich verändert – und nicht nur in der Tonalität. In der zentralen Frage der griechisch-türkischen Beziehungen ist es weniger die deutsche Haltung. Es ist die in dieser Form neue Aggressivität Ankaras gegen den Nachbarn Griechenland.

Wenn türkische Regierungsmitglieder und ihre Verbündete mehr oder weniger offen, die territoriale Souveränität eines EU-Mitgliedslandes in Frage stellen, dann bleibt einem Mitglied der deutschen Bundesregierung gar nichts anderes übrig, als sich hinter Griechenland zu stellen. Insofern hat Baerbock in Athen und Ankara somit nur politisch-diplomatische Selbstverständlichkeiten wiederholt.

Kritik auch an Athen

Es wäre falsch, der deutschen Außenministerin einen unkritischen Philhellenismus zu unterstellen. In Athen fand Baerbock kritische Worte für die griechische Flüchtlings- und Asylpolitik.

Auch die Athener Forderung nach Reparationszahlungen für die Verbrechen der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkrieges wies die Ministerin zurück. Als es um die Lieferung moderner deutscher U-Boote an die Türkei ging, die den Griechen ein Dorn im Auge sind, stellte Baerbock klar, dass Athen und Berlin bei diesem Thema "nicht einer Meinung sind".

Trotz der vielen Streitpunkte sind sich Athen und Ankara in einem Punkt einig: Weder Griechenland noch die Türkei sind an einer Vermittlung Berlins in ihrem bilateralen Zwist interessiert. Das war zu Zeiten Angela Merkels anders.      

Dr. Ronald Meinardus leitet das Mittelmeerprogramm des Athener Think Tanks ELIAMEP.

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