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Politik

Lockerungen an Schulöffnungen knüpfen

6. Mai 2021

Geimpfte sollen sich in wenigen Tagen wieder ohne Einschränkungen treffen können. Der Wunsch ist verständlich. Trotzdem ist das vor allem Kindern und Jugendlichen gegenüber unfair, meint Kristina Reymann-Schneider.

Lernen zu Hause ohne Lehrer und Mitschüler wurde über Monate zum Standard in der PandemieBild: Kira Hofmann/dpa/picture alliance

Seit über einem Jahr leben wir mit der Pandemie, mal mit mehr, mal mit weniger Einschränkungen. Seit Monaten sitzen wir im Lockdown fest. Es ist geregelt, wie viele Menschen wir privat treffen dürfen, wir haben nächtliche Ausgangsbeschränkungen und müssen uns vor Friseurbesuchen testen lassen.

Klar, dass viele Menschen ihre Freiheit zurückwollen. Sie pochen auf ihr Grundrecht. Völlig zurecht. Doch ist es nicht unfair, wenn Geimpften und Genesenen Freiheiten gewährt werden, wenn wir noch gar nicht so weit sind, dass alle, die sich impfen lassen wollen, auch eine Impfung erhalten können? Müssen dann nicht ausgerechnet die Menschen wieder hinten anstehen, die seit Beginn der Krise zurückstecken - die Kinder, die Jugendlichen, die jungen Erwachsenen? Aktuell sind laut Robert-Koch-Institut gerade mal gut acht Prozent der Bevölkerung in Deutschland vollständig geimpft. Nicht mal ein Drittel hat bislang die Erstimpfung erhalten.

Aktuell haben gut acht Prozent der Deutschen einen vollständigen ImpfschutzBild: Matthias Stolt/CHROMEORANGE/picture alliance

Wahlgeschenke vor der Bundestagswahl

Es drängt sich der Eindruck auf, dass hier Wahlgeschenke verteilt werden, vor allem an die Älteren. Denn auffällig ist: Diejenigen, die bei der Bundestagswahl im September noch nicht wählen dürfen, fallen durchs Raster. Es gibt ja noch nicht mal einen zugelassenen Impfstoff für Kinder und Jugendliche. Während sich Erwachsene also wieder treffen und in größeren Gruppen zusammen sein dürfen, gehen Kita- und Schulkinder weiterhin in die Notbetreuung oder werden zuhause unterrichtet. Sie dürfen sich nicht mit ihren Freunden treffen oder im Sportverein gemeinsam trainieren. Das ist in etwa so, als würde man sich neben ein kleines Kind setzen, lauter Süßigkeiten in sich hineinstopfen und dem Kind nichts von den Leckereien abgeben. Kann man machen, ist aber fies.

DW-Redakteurin Kristina Reymann-SchneiderBild: DW

Dass Familienministerin Franziska Giffey und Bildungsministerin Anja Karliczek nun das Recht auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder durchsetzen wollen, ist die neueste Pointe in der Bildungspolitik. Wie wär's stattdessen mit einer Garantie, dass die Kinder auch in Krisenzeiten jeden Tag in die Schule kommen können und dort unterrichtet werden?

Kinder und Jugendliche leiden unter der Pandemie besonders, trotzdem werden sie von der Politik kaum berücksichtigt. Viele fühlen sich einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge teilweise oder dauerhaft einsam und zum Teil psychisch belastet. Hinzu kommen Zukunftsängste. Mehr als die Hälfte der Befragten fühle sich von der Politik nicht gehört, so ein weiteres Ergebnis der Erhebung.

Lockerungen an Schulöffnungen knüpfen

Bei allem Verständnis dafür, dass Freiheitsrechte Grundrechte sind und selbstverständlich dringend wieder gewährt werden müssen: Wir sollten nicht vergessen, dass es auch ein Recht auf Bildung gibt - das hierzulande leider schon viel zu lange vernachlässigt wurde. Laut Schätzungen ist im Corona-Jahr jedes vierte Schulkind beim Lernen nicht mehr mitgekommen. Zugleich ist Schule viel mehr, als nur eine Lernfabrik, der Kindergarten mehr als nur eine Verwahrstelle für kleine Menschen. Kinder und Jugendliche treffen dort ihre Freunde, lernen dort, für sich einzustehen und für andere da zu sein und entwickeln ihre Persönlichkeit weiter.

Warum nicht die Lockerungen erst dann wirksam werden lassen, wenn Schulen und Kitas wieder im Regelbetrieb sind? Das Argument - das kann ja noch ewig dauern - könnte für die Politik ein Ansporn sein, alles daran zu setzen, Schulen und Kitas schnellstmöglich wieder für alle zu öffnen und damit die Corona-Pandemie für Kinder und Jugendliche erträglicher zu machen. Es wäre an der Zeit.

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