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Politik

Deutscher Ethikrat schafft hochnotwendige Klarheit

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
4. Februar 2021

Erfreulich eindeutig hat sich das Beratungsgremium der Bundesregierung zur Frage geäußert, ob bereits Geimpfte wieder mehr Rechte genießen dürfen. Sie dürfen nicht. Eine hochnotwendige Klarheit, meint Jens Thurau.

Wird der Impfpass Voraussetzung für die Wiedererlangung von Freiheitsrechten? Der Deutsche Ethikrat sagt: NeinBild: Martin Dziadek/Die Videomanufaktur/imago images

In normalen Zeiten werden die Stellungnahmen des Deutschen Ethikrates, dem Beratergremium der Bundesregierung mit 24 Mitgliedern, oft kaum wahrgenommen. Ethische und moralische Grundsätze des Zusammenlebens in der Gesellschaft taugen kaum für große Schlagzeilen - zumal der Ethikrat, dessen Mitglieder der Bundestagspräsident einsetzt, nur beratend tätig ist.

Aber die Zeiten sind nicht normal, und zum wiederholten Male hat sich der Rat nun mit der Pandemie befasst. Konkret mit einer Frage, die schon längst eine hektische und oft verwirrende Debatte in Deutschland ausgelöst hat: Immer mehr Menschen werden gegen das Corona-Virus geimpft, danach können sie (wenigstens für eine lange Zeit) selbst nicht mehr erkranken. Ist es dann nicht sinnvoll, für diese stets größer werdende Gruppe die harten Alltagsbeschränkungen zu lockern?

Eine Debatte zur Unzeit

Die Position des Ethikrates ist eindeutig: Das ist nicht sinnvoll. Um die Stellungnahme des Rates auf ihren Kern zu reduzieren: Die Debatte kommt zur Unzeit. Gerade einmal rund 2,2 Millionen Menschen sind in Deutschland zurzeit geimpft. Das Tempo ist eher schleppend, es wird noch viele Monate dauern, bis wirklich allen Menschen im Lande, die das auch wollen, ein Impfangebot gemacht werden kann.

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Unklar ist derzeit auch, ob von Geimpften nicht doch noch eine Ansteckungsgefahr ausgehen kann, und wenn ja, wie hoch sie ist. Zwar gibt es die berechtigte Hoffnung, dass Geimpfte weniger ansteckend sind, aber sicher ist das nicht. Vor allem aber: Der Zusammenhalt der Gesellschaft und die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, auch wenn man in der Schlange weit hinten steht, beides würde leiden, wenn jetzt bereits über Privilegien für die Geimpften nachgedacht wird. Zumal das zum jetzigen Zeitpunkt immer noch in erster Linie Hochbetagte in den Pflegeheimen sind - eine Gruppe, die am wenigsten laut nach einem Ende der Beschränkungen ruft.

Aber der Ethikrat weist auch zu Recht darauf hin: Eine andere Situation könnte entstehen, wenn, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel es für Mitte September in Aussicht gestellt hat, tatsächlich allen Menschen in Deutschland ein Impfangebot gemacht worden ist. Oder anders ausgedrückt: Wenn nur diejenigen übrig sind, die sich nicht impfen lassen wollen. Dann fällt tatsächlich das Argument der Ungleichbehandlung weg, das sich im Moment zwischen bereits Geimpften und darauf Wartenden ergibt. Ganz klar aber ist für den Rat: Restaurants, Bars, Kinos, werden für alle geöffnet, wenn die Infektionsentwicklung es zulässt. Gut so.

Der Druck wächst beständig

Machen wir uns nicht vor: Die Ankunft der Impfstoffe nach harten Monaten der Ungewissheit erinnert an das Wasserloch, das die vom Marsch durch die Wüste Zermürbtem plötzlich erblicken. Der Kampf darum, wer zuerst trinken darf, hat immer etwas Unschönes. Schon gibt es erste Konzertveranstalter, auch Fußball-Bosse, die die Türen ihrer Hallen und Arenen wieder öffnen wollen. Und die sich dabei die USA zum Vorbild nehmen, die geimpfte Fans zum Super Bowl am kommenden Wochenende ins Stadion lassen. Dem Zusammenhalt in der Pandemie dient so etwas nicht. Und hinter solchen Vorschlägen steckt wohl weniger die Freude auf die Wiederkehr der Fans, als vielmehr die Aussicht auf steigende Einnahmen.

Noch einen erfreulichen Vorschlag hat der Ethikrat gemacht: Menschen in den Pflege-und Altenheimen, die jetzt bereits geimpft sind, sollten schnell von den besonders harten Beschränkungen befreit werden - vor allem, was Besuchsmöglichkeiten angeht. Tatsächlich hat die Politik die extremen Härten für die Menschen dieser Hochrisikogruppe, von denen viele nicht mehr verstehen, was um sie und mit ihnen geschieht, lange Zeit peinlich ungerührt hingenommen. Die Gesellschaft sollte bereit sein, diesen Menschen wenigstens jetzt entgegen zu kommen und sie als Erste von den Impfungen profitieren zu lassen.

Für alle anderen sollte gelten: Einer nach dem anderen und dann wird geöffnet. Klar ist aber auch: Ob es so kommt, steht in der Sternen. Denn der Ethikrat bleibt nur eine Stimme in der Debatte, wenn auch eine wichtige. Und der Druck auf die Politik, Sonderrechte für bereits Geimpfte einzuführen, wächst beständig. Hoffentlich können die Verantwortlichen widerstehen.

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