Die Ausgaben einiger europäischer Spitzenklubs kennen keine Grenzen. Ob Transfersummen, Gehälter oder Bonuszahlungen: Es bildet sich eine Elite heraus, die ohne Rücksichtnahme ihre Ziele verfolgt, meint Jörg Strohschein.
Anzeige
Fußballfans müssen in dieser Transferphase aufpassen, dass ihnen nicht schwindelig wird. Zwar wurde in den Wechselperioden schon immer jede Menge Geld quer durch Europa für Ablösesummen, Gehälter und Bonuszahlungen hin- und hergeschoben. Aber was derzeit vorgeht, ist geradezu abstrus. Beispiele gefällig? Paris-St.-Germain-Star Kylian Mbappé wird von Real Madrid umworben. 170 Millionen Euro bieten die Königlichen. Verhandlungssache - aber natürlich nur nach oben.
Vor dem Hintergrund, dass dabei leicht ein Gesamtpaket mit Beraterhonoraren und Gehaltszahlungen von 600 Millionen Euro über Mbappés gesamte Vertragslaufzeit entstehen kann und der 22-jährige Franzose im nächsten Sommer ablösefrei zu haben wäre, eine geradezu skurrile Offerte. Zumal Florentino Perez, der Präsident der "Königlichen", nach wie vor am Wunsch nach Einführung einer Super League festzuhalten scheint, die nach Perez' Worten den gesamten Fußball in einer kritischen Situation retten soll. Perez' Klub nahm während der Corona-Pandemie übrigens einen 200 Millionen-Kredit der staatlichen Kreditgesellschaft ICO in Anspruch. Die Mannschaft ist teuer und auch der Umbau des Stadions Santiago Bernabeu musste vorangetrieben werden. Kosten: ja, genau - 600 Millionen Euro.
Dafür haben die Real-Verantwortlichen bei der Vertragsverlängerung mit Angreifer Karim Benzema Nägel mit Köpfen gemacht: Die Ablösesumme des 33-Jährigen vor Vertragsende soll nun bei einer Milliarde Euro (kein Schreibfehler) festgeschrieben worden sein.
118 Millionen Euro für wen? Jack Grealish von Aston Villa
Das wäre wohl selbst für die Scheichs aus Katar und Abu Dhabi zu viel, obwohl sie nicht dafür bekannt sind, einer überbordenden Zurückhaltung in finanziellen Dingen zu unterliegen. Die katarischen Geldgeber von Paris St. Germain haben bei der Verpflichtung von Lionel Messi zwar keine Ablösesumme zahlen müssen. Aber dafür sicherlich ein stattliches Handgeld von vielen Millionen Euro. Zudem lassen sie sich die Dienste des 34-Jährigen pro Jahr rund 35 Millionen Euro kosten. Netto, versteht sich. Plus Bonuszahlungen.
Der andere Scheich, der aus Abu Dhabi, hat sich sein Engagement bei Manchester City vor dieser Saison auch schon etwas kosten lassen. 118 Millionen Euro hat er für Jack Grealish überwiesen. Kennen sie nicht? Der 25-Jährige kommt von Aston Villa und hat zwölf Länderspiele für England absolviert. Bei der EM wurde er meistens irgendwann kurz vor Schluss eingewechselt.
Da mutet es fast ein wenig wie Fußball-Romantik an, dass Cristiano Ronaldo nicht auch noch dem Ruf des Geldes zu den Citizens folgte, sondern sich stattdessen seiner "alten Liebe" Manchester United anschloss.
Anzeige
Premier League wieder weit vorne
Die Premier League, deren Klubs allesamt Privatinvestoren gehören, hat wieder einmal die höchsten Transferausgaben zu verzeichnen. Rund eine Milliarde Euro sind bislang geflossen - bei Einnahmen von etwa 500 Millionen Euro. Die Bundesliga hat dagegen bislang einen Transferüberschuss erwirtschaftet. Richtig große Transfers gab es nicht - abgesehen vielleicht von den Abgängen Jadon Sancho (zu Manchester United) und David Alaba (zu Real Madrid). Die Unterschiede zwischen den großen Ligen aus England, Spanien, Deutschland, Frankreich, Italien werden auf diese Weise immer größer.
Selbst der FC Bayern mit seinem berüchtigten Festgeldkonto und seinen hohen Gehaltszahlungen scheint vor den Fabelsummen aus England, Spanien und Frankreich kapitulieren zu müssen. Es bildet sich immer mehr eine europäische Elite heraus, die den deutschen Klubs die internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit die finanzielle Luft nimmt. Denn je früher die Bundesligavereine aus der Champions League ausscheiden, desto geringer sind auch ihre Einnahmen.
Die Entrückung des internationalen Fußballmarktes von der Realität der Gesellschaften setzt sich ungebremst fort. Offenbar konnten noch nicht einmal die riesigen Verwerfungen der Corona-Pandemie ein wenig Vernunft in den Markt bringen. Die Gier der Klubs nach Titeln und Anerkennung kennt keine Rücksichtnahme - und auch keine gesellschaftliche Verantwortung.
Die wichtigsten Transfers in der Bundesliga
Bayern München holt Marcel Sabitzer und Leipzig besorgt Ersatz aus Barcelona, Thomas Delaney geht nach Sevilla, Matheus Cunha zu Atletico Madrid. Zum Ende der Transferperiode werden letzte Spielerwechsel abgewickelt.
Bild: Lars Baron/Getty Images
Ilaix Moriba nach Leipzig
Kurz vor Toresschluss hat RB Leipzig Ilaix Moriba verpflichtet. Der 18 Jahre alte Mittelfeldspieler könnte Sabitzer ersetzen. Er kommt vom FC Barcelona und kostet die Sachsen laut spanischen Vereinsangaben 16 Millionen Euro Ablöse, die dank Boni um 6 Mio. Euro ansteigen kann. Das Barça-Eigengewächs hatte in Spanien nur noch einen Vertrag bis 2022 – bei RB hat Moriba bis 2026 unterschrieben.
Bild: Pressinphoto/Pro Shots/picture alliance
Marcel Sabitzer zum FC Bayern
Und wieder ein Transfer, der den Liga-Konkurrenten RB Leipzig schwächt: Der FC Bayern hat den Österreicher Marcel Sabitzer verpflichtet. Er hat einen Vertrag bis 2025 unterschrieben. RB Leipzig musste den Mittelfeldspieler ohnehin bald ziehen lassen - weil sein Kontrakt nur noch bis zum 30. Juni 2022 ging. Dem Vernehmen nach liegt die Ablöse daher bei "relativ günstigen" 15 Millionen Euro.
Bild: Lars Baron/Getty Images
Jurgen Ekkelenkamp zu Hertha BSC
"Es ist kein Geheimnis, dass wir uns schon länger mit Jurgen beschäftigt haben", sagte Herthas Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic: "Jurgen wird unserem Offensivspiel mit seinem Talent neue Impulse geben." Das ist angesichts des Tabellenstands wohl auch nötig. Der Mittelfeldspieler kommt für rund drei Millionen Euro von Ajax Amsterdam nach Berlin und unterschrieb einen Vertrag bis 2025.
Bild: Jasper Ruhe/picture alliance
Thomas Delaney zum FC Sevilla
"Ich bin unglaublich stolz, für den BVB gespielt zu haben. Dieser Klub ist einer der größten der Welt", sagte der Däne zum Abschied. "Es ist traurig, aber wir gehen alle als Freunde auseinander." Drei Jahre war Delaney in Dortmund und gewann im Sommer mit der Borussia den DFB-Pokal. Am Ende wich er dem Überangebot im defensiven Mittelfeld des BVB und kämpft nun in Andalusien um einen Stammplatz.
Bild: Alex Gottschalk/Sven Simon/picture alliance
Alexander Sörloth nach San Sebastian
Die Vorschusslorbeeren waren mit 33 Saisontoren und elf Vorlagen für Trabzonspor in der türkischen Liga groß, nach seinem Wechsel zu Leipzig blieb der Norweger aber ein unerfülltes Versprechen. In 29 Bundesligaspielen für RB gelangen ihm nur fünf Treffer und zwei Assists. Daher wurde Sörloth nun nach San Sebastian verliehen, damit er in der Primera Division seine Treffsicherheit wiederfindet.
Bild: Rolf Vennenbernd/REUTERS
Matheus Cunha zu Atletico Madrid
Vom bislang nur selbsternannten "Big City Club" Hertha BSC zum spanischen Meister Atletico Madrid, das ist schon ein sportlicher Aufstieg. Der brasilianische Olympiasieger von Tokio soll beim spanischen Meister an der Seite von Luis Suarez stürmen. Nach Berlin war er vor anderthalb Jahren für 18 Millionen Euro aus Leipzig gekommen. Nun zieht er für 30 Millionen weiter nach Spanien.
Bild: Revierfoto/picture alliance
Ishak Belfodil zu Hertha BSC
Auf den drohenden Abgang Cunhas reagierten die Berliner schon vor dessen Unterschrift in Madrid. Mit Ishak Belfodil kam ein Stürmer. Während Cunha eher schnell und dribbelstark ist, kommt der Algerier, der zuletzt in Hoffenheim spielte, über Kraft und Wucht. Der 29-Jährige bleibt zunächst bis zum Ende der Saison. Für Hoffenheim und Bremen erzielte er in 73 Bundesliga-Spielen 20 Tore.
Bild: picture-alliance/P. Ruiz
Luca Waldschmidt zum VfL Wolfsburg
"Er passt nicht nur sportlich, sondern auch von seinem Charakter her hervorragend in unsere Mannschaft", sagt Wolfsburgs Sportdirektor Marcel Schäfer über den Torschützenkönig der U21-EM 2019. Waldschmidt war ein Jahr lang in Portugal, wo er in 27 Ligaspielen neun Treffer erzielte. Nach Frankfurt, dem HSV und Freiburg ist Wolfsburg die vierte Bundesliga-Station des Zwölf-Millionen-Zugangs.
Bild: Joao Rico/NurPhoto/picture alliance
Maximilian Eggestein zum SC Freiburg
Bei Waldschmidts Ex-Klub SC Freiburg musste nach dem Abgang von Mittelfeld-Regisseur Baptiste Santamaria kurzfristig gehandelt werden. Schnell wurde man auf der Suche nach Ersatz bei Bundesliga-Absteiger Werder Bremen fündig, der dringend Transfereinnahmen generieren muss. Mit Eggestein kam einer von Bremens Besten für kolportierte fünf Millionen Euro in den Schwarzwald.
Sieben Jahre lang bearbeitete der kleine, flinke Brasilianer (l.) bei Bayer Leverkusen die linken Seite und sammelte dabei insgesamt 250 Pflichtspieleinsätze für die Werkself. Als er 2014 nach Deutschland kam, galt er als eines der größten Talente Brasiliens. Ganz erfüllen konnte der Außenverteidiger die Erwartungen aber nicht. Bis heute wartet er auf seinen ersten Einsatz in der Selecao.
Bild: Christof Stache/AFP/Getty Images
David Alaba zu Real Madrid
Sein Abschied vom FC Bayern nach 13 Jahren in München und 28 Titeln war einer der frühesten und größten Transfers des Sommers in der Bundesliga. Der Österreicher spielt nun beim spanischen Rekordmeister Real Madrid. Dort trainiert der 29-Jährige wieder unter Trainer Carlo Ancelotti. Alaba hat bei den "Königlichen" die Rückennummer "4" von Real-Legende Sergio Ramos übernommen.
Bild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance
Dayot Upamecano zum FC Bayern
Die Lücke, die Alabas Abgang in der Münchner Innenverteidigung hinterließ, wurde mit Dayot Upamecano geschlossen, der für 42,5 Millionen von RB Leipzig zu den Bayern wechselte. Beim deutschen Rekordmeister spielt der 22-Jährige neben seinen Landsleuten Benjamin Pavard und Luis Hernandez in der Abwehrreihe. Kingsley Coman und Corentin Tolisso komplettieren das Frankreich-Quintett der Münchner.
Bild: Laci Perenyi/imago images
Jadon Sancho zu Manchester United
Auch der BVB machte diesen Sommen einen "Big Deal", allerdings zu Lasten der sportlichen Qualität: Nachdem es bereits in einigen Wechselperioden zuvor Bestrebungen gab, den Jungstar zurück auf die Insel zu holen, kehrte Jadon Sancho Borussia Dortmund nach vier Jahren den Rücken und spielt nun für Manchester United in der Premier League. Die Ablösesumme soll 85 Millionen Euro betragen.
Bild: Mario Hommes/DeFodi Images/Getty Images
Donyell Malen zu Borussia Dortmund
Einen Ersatz für Sancho fanden die Dortmunder in den Niederlanden. "Donyell ist ein Spieler mit großem Offensivpotenzial, der Torgefahr ausstrahlt, seine Kreativität einbringt und über hohes Tempo verfügt", lobte BVB-Sportdirektor Michael Zorc den 30-Millionen-Einkauf Malen, der Mittelstürmer Erling Haaland von der linken Seite mit möglichste vielen Vorlagen füttern soll.
Bild: Maurice Van Steen/ANP/picture alliance
Kevin-Prince Boateng zu Hertha BSC
Mit der Rückkehr des gebürtigen Berliners zur Hertha schloss sich ein Kreis: 2005 war Kevin-Prince Boateng bei der Hertha Bundesliga-Profi geworden, 2007 trennten sich die Wege. Nun ist der Mittelfeldspieler 34 Jahre alt und kehrte zu seinen Wurzeln zurück - nach Stationen in Tottenham, Dortmund, Portsmouth, Mailand, Schalke, Las Palmas, Frankfurt, Sassuolo, Barcelona, Florenz, Istanbul und Monza.
Bild: Revierfoto/dpa/picture alliance
Stevan Jovetic zu Hertha BSC
Nicht ganz so viele Arbeitgeber wie Boateng hatte Stevan Jovetic, der nun in Berlin an der Seite des "Prinzen" spielt. Allerdings waren mit Manchester City, Inter Mailand und dem FC Sevilla große Namen dabei. Der 31-jährige Stürmer aus Montenegro wechselte ablösefrei von der AS Monaco nach Berlin. Sein Vertrag bei der Hertha läuft bis 2023.
Ob die treuesten Fans von Eintracht Frankfurt für diesen Wechsel Verständnis hatten? Der Portugiese war in der vergangenen Saison mit 28 Saisontoren Frankfurts erfolgreichster Bundesliga-Torschütze aller Zeiten. Nun geht er nicht mehr für die Eintracht, sondern für Leipzig auf Torejagd, wo er für fünf Jahre unterschrieben hat. Die Ablösesumme betrug 23 Millionen Euro.
Bild: motivio/dpa/picture alliance
Rafael Santos Borré zu Eintracht Frankfurt
Ob der kolumbianische Neuzugang von River Plate Buenos Aires die Silva-Lücke auf Dauer schließen kann? Treffsicher ist der 25-Jährige jedenfalls. Für River Plate traf er in 149 Pflichtspielen 56-mal. "Ein sehr interessanter Spieler mit internationalem Format", sagt Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche: "Er wird uns mit seinem Torinstinkt und seiner Treffsicherheit helfen."
Bild: osnapix/imago images
Lukas Nmecha zum VfL Wolfsburg
In der Hinrunde der Saison 2019/2020 war U21-Europameister Lukas Nmecha schon einmal beim VfL Wolfsburg, spielte aber kaum. Unter dem neuen Trainer Mark van Bommel ist das anders. "Ich habe mit dem Trainer gesprochen und er wollte mich hier haben. Das war letztes Mal vielleicht nicht so", sagte der 22 Jahre alte Stürmer vor der Saison. Er kam für rund acht Millionen von Manchester City.
Bild: regios24/imago images
Sebastiaan Bornauw zum VfL Wolfsburg
Neben dem Angriff hat der VfL Wolfsburg auch die Defensive verstärkt - was gleichzeitig ein großes Loch in die Abwehr des 1. FC Köln riss. Der Belgier kam für 14,5 Millionen Euro vom Liga-Konkurrenten. Champions League statt Abstiegskampf? Bornauw soll offenbar auch in der weiteren Zukunft eine zentrale Rolle bei den "Wölfen" spielen. Sein Vertrag in Wolfsburg läuft bis 2026.
Bild: Rolf Vennenbernd/REUTERS
Mark Uth zum 1. FC Köln
Die Kölner durften sich stattdessen damit trösten, dass ein "verlorener Sohn" wieder den Geißbock auf der Brust trägt. Mark Uth, gebürtiger Kölner und FC-Fan von klein auf, kehrte nach einer Katastrophensaison aus Schalke zurück. Nach der Winterpause 2019/2020 war er bereits eine Rückrunde lang als Leihspieler beim FC gewesen und hatte in 15 Liga-Spielen fünfmal getroffen.
Bild: Uwe Kraft/imago images
Leon Bailey zu Aston Villa
Auf der Suche nach einer "neuen Herausforderung" wurde der jamaikanische Flügelstürmer in der Premier League fündig. Die Engländer ließen sich den Transfer 35 Millionen Euro kosten. "Leverkusen ist ein Topklub. Hier konnte ich ein höheres Level erreichen. Nun ist es an der Zeit, ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagte Bailey, der in 156 Pflichtspielen 31 Tore für die Werkself erzielte.
Bild: Norbert Schmidt/dpa/picture alliance
Odilon Kossounou zu Bayer Leverkusen
Weil Bayer Leverkusen mit Aleksander Dragovic und Tin Jedvaj zwei Innenverteidiger abgegeben und mit Sven Bender ein weiterer zentraler Abwehrspieler aufgehört hatte, musste in der Defensive nachgelegt werden. Aus Brügge kam der 20-jährige Ivorer Odilon Kossounou zur Werkself. Die Ablöse von 24 Millionen Euro sagt etwas über seine Klasse aus, kann aber auch zur Last werden.
Bild: Wunderl/Beautiful Sports/imago images
Robert Andrich zu Bayer Leverkusen
Und auch im defensiven Mittelfeld legte die Werkself noch einmal nach. Nach dem 1. Spieltag der Saison - und dem Auftaktspiel Bayers bei Union Berlin - unterschrieb Unions "Abräumer" Robert Andrich einen Vertrag bis 2026 in Leverkusen. Die Ablösesumme für den Sechser, der bei den Schwarz-Roten die Nummer "8" trägt, soll bei vier Millionen Euro liegen.