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Politik

Der Kampf gegen Corona als Wettlauf der Regionen

10. Februar 2021

Weiter geht es in Deutschland mit dem Lockdown. Zumindest bis in den März. Aber die Rückkehr zur Normalität muss nicht einheitlich sein, meint Christoph Strack.

Die Flaggen der 16 deutschen Bundesländer in alphabetischer Reihenfolge von links nach rechtsBild: picture-alliance/dpa

Deutschland, seit knapp zwei Monaten im Lockdown, leidet unter dem Virus. Über 63.000 Corona-Opfer binnen eines Jahres, das ist eine Zahl, die innehalten lässt, Angst macht, erschüttert. Aber Deutschland leidet zusehends auch an der Auseinandersetzung über den richtigen Umgang mit der Pandemie. Da kommen wissenschaftliche Ansprüche, Ideologien und Verblendungen zusammen, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Aspekte. Und alles durcheinander.

Es ist Aufgabe der Politik, dafür zu sorgen, dass diese konkurrierenden Ansprüche sich zueinander verhalten und der Laden nicht (weiter) auseinander fliegt. Politik - das ist die Kanzlerin mit ihrem Kabinett, das ist das Parlament, das ist im föderalen System Deutschlands, diesem Bundes-Staat, auch die Vielzahl der Länder. Oft in diesen Wochen wirkt deren Miteinander wie ein Gegeneinander, wirkt der Bundes-Staat wie ein Staaten-Bund ohne ein übergeordnetes gemeinsames Ganzes.

Sonderwege schon vor den Beratungen

Kaum steht der nächste Termin für eines der wiederkehrenden - dem inzwischen 21.! - Treffen der Kanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Länder fest, nennt der eine Landesvater diesen, die andere Landesmutter jenen Sonderwunsch. Oder kündigt gleich auch einen Sonderweg an. Wohlgemerkt: vor den Beratungen. Es gibt Ministerpräsidenten, die treten bei Sonnenschein auf wie Könige - und bei Sturm muss dann die lästige Bundesregierung ran. Manchmal genügt schon ein Blick auf die Halbwertzeit von mutig anmutenden Ministerpräsidenten-Tweets oder Agenturmeldungen, um das zu verifizieren.

DW-Hauptstadtkorrespondent Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Mehrfach in den vergangenen Wochen berichteten Regionalzeitungen im Land so stolz wie amüsiert, dass die Kanzlerin dem jeweiligen Landrat hinterhertelefoniert und sich ein Bild der Corona-Lage verschafft habe. Vielleicht traut sie denen mehr als den Ministerpräsidenten. Und oft ging es da um die Lage in Pflegeheimen.

Krasses Versagen an den Schulen

Am krassesten - am krassesten auch im Versagen - ist die Lage an den Schulen. Kinder, Eltern, Lehrer und Lehrerinnen - wenige andere Bereiche betreffen so viele Menschen auf einmal. Es geht um Familien, die in Sonntagsreden immer als so wichtig bezeichnet werden, und um die Zukunft von Gesellschaft.

Seit einem Jahr soll jedes sozial benachteiligte Kind einen Computer bekommen - hat es aber nicht. Seit einem Jahr hatte die Politik Zeit, für andere Entlüftungssysteme zu sorgen als "Fenster öffnen" (denn die gibt es!). Seit einem Jahr hätte die Politik nach zusätzlichen Räumen für Schulbetriebs suchen können (Kinos, Kirchen, leerstehende Hallen - auch sie gibt es!). Seit einer Reihe von Wochen könnte die Politik für den wieder anlaufenden Schulbetrieb wöchentliche Corona-Tests oder auch mehrere Tests pro Woche vorbereiten - aber wo geschieht das alles? Welcher Amtsträger hat das zu seinem Programm gemacht? Das Lied von "Bildungsrepublik Deutschland" ist ein Evergreen. Aber er wird durch ständiges Summen nicht wahrer.

Nun dürfen die Länder über die Öffnung der Schulen, wohl vorerst der Grundschulen, entscheiden. Das ist richtig - und es ist zugleich ein Probelauf, wie entschlossen die Länder insgesamt die schrittweise Öffnung zu ein wenig mehr Normalität umsetzen. Das wird auch zum Test für föderale Vielfalt, die im Herbst angesichts von einhelliger Sorglosigkeit versagte. Ländliche Regionen und Städte, denen es besser als anderen gelingt, die Zahl der Infektionen zu senken, können voranschreiten. Richtig so. Das Land musste gemeinsam herunterfahren - aber die Öffnung muss nicht überall einheitlich erfolgen.

Die Länder in Konkurrenz

Dazu nimmt das 21. Treffen stärker die Ministerpräsidenten in die Pflicht und setzt trotz der gefährlichen Mutanten ein konkretes Ziel: Mit einem Inzidenzwert von 35, also 35 Neuinfektionen auf 100.000 Menschen pro Woche, werden weitere Öffnungen möglich, unter anderem in Einzelhandel und Museen. Schritte der Normalisierung, die dann nicht mehr nur einheitlich von oben vorgegeben sind. Das kann ein Ansporn sein zu lokaler oder regionaler Anstrengung - positiv gesprochen: zu einem Wettlauf. Möge es ein Miteinander in der Konkurrenz um die "35" sein. Die Länder sind jetzt gefordert. Denn das Land leidet schon zu lange an sich selbst.

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