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Deutschland von Stromausfällen verschonen

DW Nachrichten TV | Ashutosch Pandey
Ashutosh Pandey
25. September 2021

Der Ausbau erneuerbarer Energien kann mit dem Ausstieg aus der Kohle nicht mithalten. Das Risiko von Stromausfällen steigt. Es ist klar, was getan muss. Aber die Politik hinkt mal wieder hinterher, meint Ashutosh Pandey.

Der Ausbau von Windkraft kommt nicht so recht voranBild: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Die Bundesregierung brauchte eine Standpauke des Bundesverfassungsgerichts, um zu erkennen, dass sie ehrgeizigere Ziele zur Verringerung der CO2-Emissionen verfolgen muss. Die Regierung von Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte - als hätte sie damit gerechnet - mit einer für sie untypischen Schnelligkeit, und legte innerhalb einer Woche das ehrgeizigste Ziel zur Klimaneutralität der großen Volkswirtschaften vor.

Berlin plant nun, schon 2045 statt erst 2050 klimaneutral zu werden und damit fast eine Milliarde Tonnen CO2-Emissionen zu vermeiden. Das geänderte Klimaschutzgesetz sieht außerdem vor, die Kohlendioxidemissionen bis 2030 um mindestens 65 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken. Das bisherige Ziel lag bei 55 Prozent.

Sich ein ehrgeiziges Ziel zu setzen ist eine Sache, es zu erreichen eine ganz andere. Deutschland weiß das nur zu gut. Es hätte sogar die Klimaziele für 2020 verfehlt, wenn es nicht pandemiebedingt zu einem wirtschaftlichen Einbruch gekommen wäre. Ein interner Regierungsbericht geht davon aus, dass Deutschland auf dem besten Weg ist, seine Emissionen bis 2030 um lediglich 49 Prozent zu senken. Angela Merkel dürfte erleichtert sein, dass die Aufgabe, die rechtlich verbindlichen Ziele zu erreichen, nun auf ihrem Nachfolger lastet.

Das Gespenst der Stromausfälle

DW-Redakteur Ashutosh PandeyBild: DW

Zu den Maßnahmen würde sicherlich auch ein schnellerer Ausstieg aus der Kohle gehören, der derzeit für das Jahr 2038 vorgesehen ist - ein sehr problematischer Schritt in einem Land, in dem der Ausbau grüner Energie in den vergangenen Jahren deutlich nachgelassen hat. Da gleichzeitig der Ausstieg aus der Kernenergie im nächsten Jahr bevorsteht, müsste der vorzeitige Ausstieg aus der Kohle durch eine höhere Produktion von Wind- und Solarenergie kompensiert werden. Zumal die Stromnachfrage durch die Umstellung auf Elektrofahrzeuge und die steigende Wasserstoffproduktion stark zunehmen wird.

Ein ehrgeiziges Unterfangen angesichts der jüngsten Schwierigkeiten im Windenergiesektor, der bis 2030 mehr als die Hälfte des grünen Stroms liefern muss, um die Dekarbonisierungsziele zu erreichen. Zwischen 2018 und 2020 wurden nur 4,9 Gigawatt (GW) an neuer Windenergiekapazität zugebaut, weniger als die 5,3 GW allein im Jahr 2017.

Ein beschleunigter Ausstieg aus der Kohle gemeinsam mit dem langsamen Ausbau der erneuerbaren Energien und einem stärkeren Anstieg der Stromnachfrage würde nicht nur die Strompreise in die Höhe treiben, die ohnehin schon zu den höchsten in Europa gehören. Zugleich entstünde auch das Schreckgespenst häufiger Stromausfälle, insbesondere in kalten Wintern.

Für die deutsche Wirtschaft könnten sich Stromausfälle als äußerst kostspielig erweisen. Konkrete Daten zu den Kosten von Blackouts sind zwar nach wie vor rar, aber eine Studie des Instituts für Energiewirtschaft in Köln aus dem Jahr 2013 hat errechnet, dass sie sich in Deutschland auf 430 Millionen Euro pro Stunde belaufen könnten.

Zuviel Bürokratie

Deutschlands berüchtigte Bürokratie trägt die Hauptschuld daran, dass der Siegeszug der erneuerbaren Energien ausgefallen ist. Langwierige und komplexe Verfahren haben dazu geführt, dass aktuell Windparks mit einer Gesamtkapazität von mehr als 10 GW auf ihre Genehmigung warten. Auf eine Baugenehmigung für einen Windpark wartet man jetzt zwei bis vier Jahre, während es früher nur zehn Monate waren. Die Ironie dabei ist, dass es nicht genügend Beamte gibt, um die Anträge zu bearbeiten.

Die Genehmigungen sind oft mit einer Fülle von Vorschriften verbunden, die die Investitionskosten in die Höhe treiben. So dürfen einige Windparks zum Schutz der lokalen Tierwelt nur nachts zwischen März und Oktober betrieben werden, was einen Verlust von bis zu 40 Prozent der jährlichen Leistung bedeutet.

Was also ist zu tun? Ganz einfach: rechtliche Hürden abbauen, bürokratische Hindernisse beseitigen und die Verfahren beschleunigen. Selbst Angela Merkel - die sogenannte Klimakanzlerin - teilt diese Ansicht. Im Mai sprach sie sich sogar dafür aus, die Klagemöglichkeiten der Deutschen gegen den Bau neuer Stromtrassen einzuschränken, indem diese als Infrastruktur von nationaler Bedeutung eingestuft werden.

Es ist auch dringend notwendig, die Menschen vor Ort mit ins Boot zu holen. Insbesondere diejenigen, die Windenergie grundsätzlich befürworten, solange sie nicht in ihrem Hinterhof erzeugt wird, indem sie zu Beteiligten der Windparks gemacht werden.

Der Einfluss der rechtspopulistischen AfD

Was hat Merkel als Bundeskanzlerin eigentlich davon abgehalten, ihre Politik umzusetzen? Ihre Regierung hat 2019 eine 18-Punkte-Liste vorgelegt, um die Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, aber umgesetzt wurde nur sehr wenig.

Vielleicht war für mehr die mächtige Kohlelobby zu stark, auch der Aufstieg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) vor allem in Ostdeutschland dürfte eine Rolle spielen: Die AfD ist gegen die Windenergie, um die Stimmen der Windkraftgegner zu gewinnen, was die CDU - aus Angst, diese Wähler zu verärgern - veranlasst, entsprechende Projekte zu verschleppen.

Die nächste Regierung würde ein Narrenparadies regieren, wenn sie weiterhin einer kleinen Minderheit von Klimaleugnern und Windenergiegegnern nachgibt und sich stattdessen auf kostspielige Ideen wie den Import von sauberem Wasserstoff aus Afrika und anderen Ländern konzentriert.

Die Energiewende verspricht eine grünere, sauberere und berechenbare Zukunft. Aber Gleichgültigkeit gegenüber den erneuerbaren Energien könnte stattdessen in dunkle Zeiten führen und es notwendig machen, dass wir wieder Kerzenvorräte anlegen müssen.

Aus dem Englischen übersetzt.

Grünes Deutschland?!

06:50

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