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Politik

Die Gangster in Belarus

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
25. Mai 2021

Europäische Politiker haben es an starken Worten zur erzwungenen Flugzeug-Landung in Belarus nicht fehlen lassen. Und sie haben hart und schnell reagiert. Aber damit ist der Fall noch nicht erledigt, meint Barbara Wesel.

Die Maschinen der staatlichen Fluglinie Belavia dürfen nicht mehr in der EU landenBild: Wolfgang Minich/picture alliance

Die Reaktionen europäischer Spitzenpolitiker auf den Akt politischen Gangstertums in Belarus waren kräftig und kamen von Herzen: Mit Schock und Abscheu kommentierten sie diesen Regelbruch durch den "Staatsterroristen" im Minsker Präsidentenpalast. Alexander Lukaschenko will Maßstäbe setzen, so scheint es.

In ungewohnter Einigkeit beschlossen die EU-Regierungschefs, den Flugverkehr über und die Verbindungen von und nach Belarus auszusetzen. Damit treffen sie die Elite im Land durchaus, zu der viele Lukaschenko-Unterstützer gehören und sie isolieren Belarus international. Darüber hinaus soll es neue Sanktionen gegen Personen und Unternehmen geben. Sogar der sonst so renitente Ungar Viktor Orban sah sich gezwungen, die gemeinsamen Beschlüsse mitzutragen.

Bisherige Sanktionen wirkungslos verpufft

Wie schlagkräftig und gut gezielt aber diese Sanktionen aussehen werden, davon hängt jetzt alles ab. Die nach der gewaltsamen Niederschlagung der Massenproteste im Winter verhängten Maßnahmen sind nämlich wirkungslos verpufft. Die EU braucht bessere Ideen als Reiseverbote und Kontosperrungen gegen Mitarbeiter in Lukaschenkos Regierungsapparat.

Barbara Wesel ist Europa-Korrespondentin in Brüssel

Die Opposition in Belarus fordert etwa, den gesamten Export von Rohöl und Pottasche zu unterbinden, der zu den wichtigsten Einnahmequellen des Regimes gehört. Auch sollte sich Europa mit den USA zusammentun, um Lukaschenkos große Regierungsunternehmen so weit wie möglich kalt zu stellen. Gezielte Sanktionen gegen regimetreue Oligarchen sind wegen der Rechtsvorschriften in der EU oft schwierig - aber sogar dabei könnte es noch Raum für Kreativität geben.

Der Diktator in Minsk hat mit der erzwungenen Landung der Linienmaschine und der nachfolgenden Verhaftung eines Regimegegners an Bord gezeigt, wie weit eine Regierung gehen kann, wenn sie international keinen Ruf zu verlieren hat. Dabei ist Belarus ein Zwerg auf der Weltbühne. Aber es besteht die Gefahr, dass größere Länder den Vorfall am Himmel über Belarus und dessen Konsequenzen interessiert verfolgen und ihre Schlüsse daraus ziehen werden.

Ein gefährlicher Präzedenzfall von Staatsterrorismus

Der Fall verführt geradezu zur Nachahmung. Autokraten jeder Couleur könnten sich ermutigt sehen, ihre Gegner weltweit und mit allen Mitteln zu verfolgen - egal wo sie sich aufhalten. Längst bespitzelt und bedroht China seine Kritiker auch im Ausland, greift Präsident Putin grenzüberschreitend zu Nervengift oder Schusswaffe, um Kritiker und Oppositionelle umzubringen.

Kurz vor der Grenze von Litauen wurde wurde die Ryanair-Maschine zum Kurswechsel gezwungen Richtung Minsk

Das Fatale ist, dass die USA in ihrem "Krieg gegen den Terror" vorgemacht haben, wie mächtige Staaten auch jenseits ihrer Landesgrenzen echte oder vermutete Gegner in ihre Gewalt bringen können. Die "extraordinary renditions" waren der Sündenfall der internationalen Rechtsordnung. Belarus hatte Roman Protassewitsch auf seine Terrorliste gesetzt. In Diktaturen werden diese Listen in der Regel von jenen bevölkert, die der Westen als Freiheitskämpfer sieht.

Kampf gegen die internationale Rechtlosigkeit

Trotz dieser Vorgeschichten durchbricht Alexander Lukaschenko mit dem Menschenraub aus dem Linienflug von Ryanair, bei dem auch die anderen Passagiere und die Besatzung gefährdet wurden, eine politische Schallmauer. Schafft die Staatengemeinschaft es nicht, ihn mit aller Härte in die Schranken zu verweisen, ist am Ende niemand auf der Welt mehr sicher vor Mord und Entführung. Nicht einmal mehr im Exil gäbe es eine Chance, der Verfolgung zu entkommen.

Wenn Diplomaten von der "regelbasierten Weltordnung" sprechen, erscheint das oft als Worthülse und politisch leere Beschwörung einer wolkigen Idee. Aber diese Regeln sind sie Basis unseres Zusammenlebens. Nur sie schützen uns vor Wild West-Methoden in der Politik und dem Abstieg in die Barbarei. Gerade Europa hat hier viel zu verlieren und sollte spätestens jetzt alles tun, um das Abrutschen in die internationale Rechtlosigkeit zu verhindern.

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