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Lasst den alten Mann doch einfach reden...

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Jens Thurau
8. August 2022

Die SPD in Hannover verzichtet darauf, gegen Alt-Kanzler Gerhard Schröder ein Parteiausschlussverfahren in Gang zu setzen. Ein weiser Beschluss, meint Jens Thurau.

Vor allem wegen seiner unverbrüchlichen Freundschaft zu Wladimir Putin steht Gerhard Schröder in der KritikBild: Anne Barth/REUTERS

Eines vorweg: Wut und Empörung vieler, eigentlich fast aller Sozialdemokraten in Deutschland über das Verhalten ihres früheren Parteichefs, des Ex-Kanzlers Gerhard Schröder, sind nur zu verständlich. Und damit auch der Wunsch, ihn schlicht aus der Partei zu werfen.

Unbeirrt und störrisch beharrt Gerhard Schröder auf seiner Freundschaft zum russischen Kriegstreiber Wladimir Putin, zuletzt hat er bei einem zweiten Besuch in Moskau seit Kriegsbeginn in der Ukraine Mitte Februar darüber schwadroniert, dass Putin zu Verhandlungen bereit sein, während der gleichzeitig Krieg führte. Das hat nicht nur in Deutschland Entsetzen ausgelöst. Oder: Seinen lukrativen Posten beim russischen Rosneft-Konzern gab der innige Männer-Freund des russischen Präsidenten erst auf, nachdem das Europaparlament darauf drängte, Schröder auf die Sanktionsliste gegen russische Oligarchen zu setzen.

Hohe Hürden

Kaum jemand innerhalb der SPD, jedenfalls niemand, der offen darüber spricht, hat noch Kontakt zu Schröder. Natürlich hat der Ex-Kanzler seiner Partei, seinem Land und nicht zuletzt auch seinen früheren Freunden schweren Schaden zugefügt, indem er halsstarrig an Putin festhält. Aber reicht das, um ihn aus der Partei zu werfen? Und ist die SPD wirklich gut beraten, das überhaupt zu versuchen? Der zuständige SPD-Unterbezirk Region Hannover hat sich anders entschieden und auf ein Ausschlussverfahren verzichtet. Eine gute Entscheidung.  

DW-Hauptstadtkorrespondent Jens Thurau

Denn für einen Parteiausschluss gibt es in Deutschland zu Recht hohe Hürden. Parteien wirken an der Willensbildung der Gesellschaft mit und deswegen müssen sie unterschiedliche Ansichten auch innerhalb der eigenen Reihen tolerieren. Das Parteiengesetz sagt, dass es zu einem Ausschluss nur bei einem vorsätzlichen Satzungsverstoß kommen darf. Oder bei einem erheblichen Verstoß gegen die Grundsätze der jeweiligen Partei.

Schröders langes Festhalten etwa an seinen Posten bei russischen Unternehmen mag man, vor allem nach Kriegsbeginn, als geschmacklos und befremdlich empfinden, auch ich tue das. Aber was hat das alles streng genommen mit seiner Partei zu tun? Und wenn Schröder in Moskau von Putins angeblicher Bereitschaft zu Friedensgesprächen erzählt, ist auch das ein Schlag ins Gesicht der tapferen Ukrainer. Aber auch Politiker anderer Parteien, von den Linken etwa oder aus ostdeutschen CDU-Landesverbänden, haben sich dafür ausgesprochen, mit Putin über eine Beendigung des Krieges zu reden. Allein steht Schröder mit seinem Eintreten für Gespräche also nicht.

In Russland eine goldene Nase verdient

Und was ist eigentlich mit der früheren Kanzlerin Angela Merkel, die lange, fast bis zum Ende ihrer Amtszeit im vergangenen Jahr, von der damals schon hoch umstrittenen Ostseepipeline Nord Stream 2 (mittlerweile rasch auf Eis gelegt) als einem "reinen privatwirtschaftlichen Projekt" gesprochen hatte? Obwohl ihr längst hätte klar sein müssen, dass die Leitung direkt aus Russland quer durch die Ostsee nach Deutschland elementare Interessen Polens und der Ukraine verletzt?  

Natürlich: Schröder ist ein extremer Fall. Er hat sich mit seinen Posten seit seinem Ausscheiden als Bundeskanzler 2005 eine goldene Nase verdient. Er verteidigt bis heute Putin, den er früher einmal als "lupenreinen Demokraten" bezeichnet hat, was inzwischen wie Hohn klingt. Aber andererseits hat er den Krieg verurteilt, was der Beschluss seiner Parteifreunde aus Hannover ausdrücklich erwähnt.

Besser als eine jahrelange juristische Schlacht

Es wäre für die SPD ohnehin nicht einfach, Schröder auf diesem juristischen Weg loszuwerden. Zehn lange Jahre, von 2010 bis 2020, haben die Sozialdemokraten gebraucht, den früheren Berliner Innensenator Thilo Sarrazin nach dessen ausländerfeindlichen Büchern aus der Partei zu drängen. Es brauchte drei Parteiordnungsverfahren. 

Schröder ist heute in seiner Partei isoliert. Er übt keinerlei Macht mehr aus, zieht im Hintergrund keinerlei Strippen. Er ist eine fast tragische Figur. Sein Eintreten für Putin findet sich im Regierungshandeln der derzeitigen, SPD-geführten Regierung in keiner Form wieder. Es ist schwer erträglich, aber vielleicht doch der bessere Weg, wenn die SPD wie jetzt beschließt, es einfach gut sein zu lassen mit dem Ex-Kanzler. Und ihn schlicht zu ignorieren. Jedenfalls besser als eine jahrelange juristische Schlacht mit ungewissem Ausgang.

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