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Politik

Ein unwürdiges Ende für die Queen

Deutsche Welle-Redakteur Mark Hallam (Foto: DW)
Mark Hallam
11. September 2022

Königin Elisabeth II. hat 15 Premiers erlebt. Ihre letzte Amtshandlung bestand darin, eine unmoralische Frohnatur durch eine blasse Poserin zu ersetzen. Mark Hallam kann sich kein weniger passendes Ende vorstellen.

Eine ihrer letzten offiziellen Termine: Queen Elizabeth II. begrüßte Liz Truss in BalmoralBild: Jane Barlow/REUTERS

Hoffen wir einfach, dass ihr Ende so nah war, dass die Queen Anfang der Woche nicht mehr richtig begriff, in welch prekärem Zustand sich ihr geliebtes Großbritannien in ihren letzten Stunden befand. Leider scheint das sehr unwahrscheinlich zu sein, wenn man bedenkt, dass sie sich ihren Scharfsinn und ihr berühmtes Talent, andere Menschen zu lesen, bis ins hohe Alter bewahrt hat.

Als eine ihrer letzten offiziellen Amtshandlungen hat sie Premierminister Boris Johnson hinausgeworfen, einen moralisch verwerflichen Blender mit einem flotten Mundwerk - das er zugegebenermaßen gelegentlich auf amüsante oder eloquente Weise einsetzt.

Als Nachfolgerin ernannte Königin Elizabeth II. dann eine Frau mit dem Charisma eines Kohlkopfs. Liz Truss, die letzte Person, die den zermürbenden und sinnlosen Krieg der Konservativen überlebt hat, der durch den Brexit angeheizt wurde und der die rund zehn letzten Jahre der Regentschaft von Elizabeth überschattet hat.

DW-Redakteur Mark Hallam

Truss muss Großbritannien nun durch die Nachwehen einer Pandemie führen - im Angesicht des drohenden Ausbruchs eines globalen Konflikts und einer Inflation, die es in diesem Ausmaß seit ihrer Jugendzeit in den frühen 1990er Jahren nicht gegeben hat.

Die Bürde teilt sich die Premierministerin mit dem weniger beliebten, emotional weniger robusten, stärker politisch ausgerichteten und gleichermaßen unerfahrenen König Charles III. Und es wird ihm in den Fingern jucken, nach mehr als einem halben Jahrhundert des Wartens in den Startlöchern seine Akzente zu setzen. Was alles könnte da möglicherweise schief gehen?

Vom Thronjubiläum über das konservative Gerangel ins Grab

Die letzte Zeit von Elizabeths Regentschaft wurden getrübt von einem Führungswahlkampf bei den Konservativen, der eher einem Kasperletheater glich und sich über zwei quälend lange Monate hinzog - inmitten einer Energiekrise, einer in die Höhe schießenden Inflation und eines in Europa tobenden Kriegs.

Das Land war zum Stillstand gezwungen und musste darauf warten, dass sich rund 200.000 Mitglieder der konservativen Partei entscheiden, welches unreife Leichtgewicht unter den Tories nach dem Brexit-Chaos am wenigsten ungeeignet für den Regierungsposten wäre.

Die Äußerungen von Truss und Johnson nach dem Tod der Königin sprechen Bände.

Truss, eher der Typ für schicke Fotos auf Instagram als für öffentliche Reden oder Debatten, sah sich deutlich früher mit ihrer ersten epochalen Pressekonferenz konfrontiert, als ihr lieb gewesen sein dürfte.

Ihr flacher, stockender, ausdruckloser Vortrag wirkte immerhin wie der von jemandem, der Schmerzen hat. Aber Truss gelang es nicht, auch nur einen der Höhepunkte einer perfekt ausgearbeiteten Rede herüberzubringen. Die Augen klebten an ihrem Text, der Klang ihrer Stimme blieb unerschütterlich monoton - ob sie nun von den "dunklen Tagen, die vor uns liegen" sprach oder die Queen verglich mit "dem Felsen, auf dem das moderne Großbritannien gebaut wurde", ob sie davon redete, dass Elizabeth mit dem Land "durch dick und dünn" ging (wobei sich Truss verhaspelte), oder davon, wie "wir alle von den Nachrichten, die wir gerade aus Balmoral gehört haben, am Boden zerstört sind".

"Kein Winston Churchill"

Was uns zum Beweisstück B bringt: Boris Johnson, der oft in der Lage ist, eine Stimmung in einem prägnanten Satz einzufangen, schrieb von einem "tiefen und persönlichen Gefühl des Verlustes - viel intensiver, als wir es vielleicht erwartet hatten".

Als der altgediente britische Satiriker Tom Jamieson die blumige und überschwängliche Verabschiedung des so charmanten Schurken Johnson sah, wandte er sich auf Twitter an ihn: "Großbritannien wird nie das Bild der Königin vergessen, die bei der Beerdigung ihres Mannes allein saß, um dem Land zu zeigen, dass sie an seiner Seite steht, während Ihr Mob in der Downing Street feierte. Was für eine abscheuliche Schande für das Land Sie waren." 

Man kann nur inständig hoffen, dass die Queen in ihren wöchentlichen und absolut privaten Audienzen mit dem Premierminister einmal die Möglichkeit hatte, Boris kräftig die Meinung zu geigen. Und ihm völlig abgeklärt, wie es nur wenige können, sagen konnte, dass er - der die vermutliche schlechteste Biografie von Winston Churchill geschrieben hat - nur eine billige Kopie ihres ersten Premierministers ist.

Ich für meinen Teil möchte glauben, dass dies geschehen sein könnte. Doch Boris Johnson hätte wahrscheinlich gar nicht zugehört.

Aus dem Englischen adaptiert von Uta Steinwehr.

Dieser Artikel wurde aktualisiert.

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