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Politik

Die USA versagen in Afghanistan

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
15. August 2021

Der Abzug der US-Truppen und die Machtübernahme der Taliban stürzen Afghanistan ins Chaos und offenbaren eine völlige Fehleinschätzung Washingtons. Die USA haben ihre Glaubwürdigkeit verspielt, meint Ines Pohl.

Irrtum: Noch am 8. Juli erklärte US-Präsident Joe Biden, er vertraue auf die Stärke des afghanischen MilitärsBild: Saul Loeb/Getty Images/AFP

Es gibt keine gute Lösung für das afghanische Dilemma, das US-Präsident Joe Biden von seinen Vorgängern geerbt hat. Donald Trump hatte als eine seiner letzten Amtshandlungen angekündigt, alle US-Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Und sein Vor-Vorgänger Barack Obama ließ die Möglichkeit verstreichen, den Abzug mit dem validen Argument vorzubereiten, dass die Invasion nach dem Tod von Osama Bin Ladens eigentlich obsolet geworden war.

Joe Biden steht unter großem innenpolitischen Druck, diesen Krieg endlich zu beenden. Die Mehrheit der Amerikaner will keine Menschenleben mehr riskieren und keine weiteren Milliarden Dollar mehr ausgeben für ein Land, in dem die Mehrheit der Bevölkerung die US-Amerikaner und ihre Verbündeten nicht als Befreier feiert, sondern als Besetzer bekämpft.

Und Biden braucht dringend Erfolge. Haben viele US-Präsidenten Kriege begonnen, um Wahlen zu gewinnen, muss dieser Präsident einen Krieg beenden, um seine fragile Mehrheit in beiden Kammern des US-Kongresses bei den Zwischenwahlen im nächsten Jahr nicht schon wieder zu verlieren.

Ines Pohl leitet das DW-Studio in WashingtonBild: DW/P. Böll

Westliche Zivilisten in großer Gefahr

All das muss in die Bewertung der aktuellen Situation einfließen. Aber die Komplexität kann keine Entschuldigung für das Drama und die humanitäre Katastrophe sein, die sich zurzeit in Afghanistan ereignet. Nicht nur wurden Tausende Afghanen, die die westlichen Soldatinnen und Soldaten in den vergangenen beiden Jahrzehnten unterstützt haben, mit ihren Familien schutzlos zurück gelassen.

Das Militärbündnis scheint auch noch nicht einmal dazu in der Lage zu sein, seine eigenen Zivilisten in Sicherheit zu bringen. Wie kann es sein, dass nicht zuerst die Botschaftsangehörigen, die Mitarbeitenden von NGOs, und andere Gruppierungen ausgeflogen werden, bevor das Militär weite Teile des Landes verlassen hat und so den Weg frei gemacht hat für den Siegeszug der Taliban?

Wie kann es sein, dass noch vor wenigen Tagen so genannte Experten im Weißen Haus behaupteten, dass Kabul so schnell nicht fallen würde? Jetzt herrscht die blanke Panik in der Hauptstadt, weil das afghanische Militär natürlich sofort die Fahnen wechselt.

Aus Angst vor der Übermacht der Taliban, aber auch, weil es sich nicht lohnt, für eine Regierung zu kämpfen, die von einem Präsidenten Aschraf Ghani geführt wird, der korrupter kaum sein könnte. Was sagt das aus, über die Güte der Geheimdienste und die Kenntnisse des Landes? Und was sind vor diesem Hintergrund die Worte Joe Bidens wert, der erst jüngst vollmundig erklärt hatte, dass keine Terrorgefahr mehr von Afghanistan ausgehe und man deswegen das Land wieder sich selbst überlassen könne?

Helfer in Stich gelassen

Der Krieg in Afghanistan wurde als Reaktion auf den Anschlag auf die USA am 11. September 2001 begonnen. In einer wenig nachvollziehbaren Logik hatte Joe Biden angekündigt, dass zum 20. Jahrestag des Anschlages der Abzug beendet sei. Wohl in der Hoffnung, ein weiteres unrühmliches Kapitel US-amerikanischer Militärinvasionen endlich abzuschließen und an der Gedenkstätte in New York den Kampf gegen den internationalen Terrorismus als gewonnen zu erklären.

Gewonnen wurde in diesen 20 Jahren nichts. Gleichwohl aber sehr viel Glaubwürdigkeit verspielt. Auch gerade bei jenen, die mit ihrer Bereitschaft, das westliche Militärbündnis zu unterstützen, nicht nur ihre Leben, sondern auch die ihrer Familien aufs Spiel gesetzt haben, und nun so schändlich im Stich gelassen werden. Das geht uns alle an. Und muss uns alle beschämen.

 

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