Ein DFB-Präsident allein reicht nicht
11. März 2022Hut ab vor Bernd Neuendorf! Jemand, der mit den DFB-Skandalen der Vergangenheit nichts zu tun hatte und sich trotzdem an die Spitze dieses Chaos-Verbandes wählen lässt, verdient Respekt. Wer sich das antut, muss ein Fußball-Idealist sein. Denn die Aufgabe, die vor dem 60-Jährigen liegt, ist gewaltig. Das Image des DFB hat nicht nur Kratzer, der Ruf wurde in den vergangenen Jahren fast systematisch ruiniert. Verantwortlich dafür waren Fußballfunktionäre, die ihr Ego in den Mittelpunkt stellten und damit den Kontakt zur Basis verloren. Das dürfte die schwierigste Aufgabe Neuendorfs werden: Er muss das Vertrauen der 7,1 Millionen Mitglieder in die Verbandsspitze zurückgewinnen. Die persönliche Integrität, die dem SPD-Politiker von allen Seiten bescheinigt wird, dürfte dabei helfen, reicht aber bei weitem nicht aus.
Schluss mit alten Seilschaften und alten Zöpfen
Der personelle Neuanfang wird verpuffen, wenn sich nicht auch die Struktur ändert. Der DFB muss durchlässiger werden. Für Personen und Ideen. Es kann nicht sein, dass neue Kandidatinnen oder Kandidaten für den obersten Posten keine Chance haben, wenn sich die mächtigen Regionalverbände - wie jetzt geschehen - bereits ein halbes Jahr vorher öffentlich auf ihren Favoriten festlegen. Alte Seilschaften gehören auf den Müll, alte Zöpfe abgeschnitten. Der DFB sollte auf alle Protagonisten des deutschen Fußballs hören und ihre Anliegen ernst nehmen: die Nationalmannschaften, die Amateurinnen und Amateure, die Profis, die Fans.
Zudem sollte der Verband endlich weiblicher werden. Die Männerkumpanei, die im deutschen Fußball noch immer dominiert, ist weder effektiv noch zeitgemäß. Sie steht einer ernsthaften Förderung des Frauenfußballs, wie sie in anderen Staaten längst praktiziert wird, im Wege.
Mutig die Stirn bieten
Bernd Neuendorf und der DFB sollten in den internationalen Verbänden FIFA und UEFA mehr Kante als bisher zeigen. Der mitgliederstärkste Verband der Welt könnte durchaus geld- und machtbesessenen Fußballdespoten wie FIFA-Präsident Gianni Infantino die Stirn bieten und sich für verloren gegangene Werte des Fußballs und dringend nötige Reformen einsetzen. Auch hier gilt: Mit denselben handelnden Personen wie bisher kann es nicht funktionieren. Auch im Diskurs mit FIFA und UEFA braucht der DFB frischen Wind. Ein Neuendorf allein reicht nicht.