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PolitikAfrika

Ein Putsch nach dem anderen

Abu-Bakarr Jalloh
Abu-Bakarr Jalloh
6. Februar 2022

Was ist los in Afrika? In vielen Ländern jubeln die Menschen, wenn Regierungen von Militärs gestürzt werden. Für diesen Trend trägt auch der Westen ein gutes Stück Mitverantwortung, meint Abu-Bakarr Jalloh.

"Wer ist der neue starke Mann im Land?" fragt diese Zeitung aus Burkina Faso am 25. JanuarBild: OLYMPIA DE MAISMONT/AFP/Getty Images

Das Jahr 2021 ging als das Jahr in die Geschichte ein, in dem Militärputsche in Afrika wieder selbstverständlich wurden. Innerhalb weniger Monate gab es eine ganze Reihe von Putschen und Putschversuchen: in Mali, Guinea, im Sudan und im Tschad. Und das neue Jahr 2022 setzte die Serie fort: In der letzten Januarwoche übernahm eine Militärjunta die Macht in Burkina Faso, am 1. Februar dann ein erfolgloser Putschversuch in Guinea-Bissau.

Für Menschen, die die 1960er-, 1970er- und 1980er-Jahre miterlebt haben, die Blütezeit der Putsche in Afrika, fühlt sich das wie ein Déjà-vu an. Der Grund für diese Entwicklung ist einfach: Die Menschen sind mit ihrer Geduld am Ende.

Westliche Doppelmoral

Viele Menschen in Afrika stellen die Grundsätze der Demokratie in Frage und fragen sich, ob sie auf dem Kontinent noch zeitgemäß ist. Auf allen Social-Media-Plattformen stößt man auf eine Fülle antidemokratischer und antiwestlicher Äußerungen. Der Großteil der Frustration richtet sich gegen demokratisch gewählte Führer, die längst eine autokratische Ader zeigen und die trotz der Armut ihres Volkes einen extravaganten Lebensstil führen. Nicht selten verändern solche Politiker die Verfassungen zu ihrem Vorteil und unterdrücken die Zivilgesellschaft, um Kritik an sich zu verhindern.

Yoweri Museveni ist seit 36 Jahren Präsident von Uganda und wird zahlreicher Menschenrechtsverletzungen beschuldigtBild: ABUBAKER LUBOWA/REUTERS

Dies alles geschieht unter den Augen der Pioniere der Demokratie: Westeuropa und Nordamerika. Doch anstatt einzuschreiten, legitimiert der Westen die schmutzigen Gewohnheiten dieser in die Autokratie abgeglittenen Ex-Demokraten. Er räumt seinen eigenen wirtschaftlichen Interessen Vorrang ein vor dem Engagement gegen offensichtliche Rechtsverletzungen und Korruption.

Einerseits geben Europa und Nordamerika Milliardenbeträge nach Afrika, um gute Regierungsführung sowie den Kampf gegen Armut und Korruption zu fördern. Andererseits gewähren sie auch den Diktatoren Afrikas finanzielle Unterstützung - im Tausch gegen den ungehinderten Zugang zu den natürlichen Ressourcen des Kontinents.

Doppelmoral mit Folgen

Die Vereinigten Staaten, Frankreich, Deutschland und Norwegen kritisieren zwar offen die willkürlichen Verhaftungen von Oppositionspolitikern in Uganda und die Polizeibrutalität in Kamerun, Kenia oder Nigeria. Dennoch importieren sie weiterhin ihre Rohstoffe aus diesen Ländern. Die Demokratische Republik Kongo ist in einen langwierigen Krieg verwickelt, unter dem vor allem die Zivilbevölkerung leidet. Aber all das ist für westliche Staaten kein Problem - solange die Versorgung mit Kobalt und Coltan weiterläuft, das sie für ihre Smartphones, Elektroautos und SmartHomes brauchen.

Der Rohstoffreichtum des Kongo macht ihn zum Kriegsgebiet - der Westen profitiert davonBild: picture alliance / Jürgen Bätz/dpa

Diese Doppelmoral hat Folgen. Auch nach 60 Jahren Entwicklungshilfe ist Afrika weiterhin der ärmste Kontinent der Welt und leidet immer noch unter der höchsten Zahl nicht endender Bürgerkriege. Es ist besser, mit dem Teufel zu arbeiten, den man kennt, als mit dem Engel, den man nicht kennt, heißt ein altes Sprichwort.

Aber viele Afrikaner haben die Nase voll von diesem Kurs und keine Geduld mehr. Deshalb verschaffen sie sich Gehör über das größte und einflussreichste Instrument, das ihnen zur Verfügung steht: das Internet. Politisch ehrgeizige Militärs haben diese Rufe vernommen und reagieren darauf.

Die Suche nach wohlwollenden Diktatoren

Afrikanische Wissenschaftler wie die ehemalige Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Dambisa Moyo, und der auf dem ganzen Kontinent bekannte kenianische Politikprofessor Patrick Loch Otieno Lumumba haben die Vorzüge starker Führungspersönlichkeiten gelobt, die nicht an Amtszeiten oder Altersgrenzen gebunden sind. Wohlwollende Diktatoren, wenn man so will.

DW-Redakteur Abu-Bakarr Jalloh stammt aus Sierra Leone

Vor dem Hintergrund der auf dem gesamten Kontinent gescheiterten Mehrparteiendemokratien stößt diese Idee bei vielen auf offene Ohren. Einige der bekanntesten Machthaber der Welt - von Russlands Wladimir Putin bis zu Recep Tayyip Erdogan in der Türkei - sind unter afrikanischen Millennials zu politischen Rockstars geworden. Und das, obwohl sie die Menschenrechte mit Füßen treten und Journalisten sowie Oppositionspolitiker regelmäßig zum Schweigen bringen. Angesichts der Rückkehr der Staatsstreiche denke ich allerdings, dass demokratische Regierungsführung in Afrika notwendiger ist denn je. Keine wohlwollenden Diktatoren. Die Menschen müssen sich über den lustigen Hut eines Präsidenten lustig machen können, ohne dafür ins Gefängnis zu kommen. Als jemand, der in den 1980er-Jahren in Sierra Leone aufgewachsen ist, erinnere ich mich nur zu gut, was passierte, wenn man den Namen des Diktators Joseph Saidu Momoh in einem Gespräch auch nur erwähnte.

Fast alle afrikanischen Staaten haben nach ihrer Unabhängigkeit vom kolonialen Europa die Demokratie ausprobiert. Aber dauerhaft etabliert hat sie sich nirgendwo.

Die Pattsituation auflösen

Die regionalen Wirtschaftsbündnisse sind den Interessen der Afrikaner nicht gerecht geworden. Und auch die Afrikanische Union genießt kein hohes Ansehen. Viele betrachten diese Institutionen als reine Unterstützungsklubs für diktatorische Regime.

Sogar die westlichen Nationen haben ihre moralische Überlegenheit verloren, seit sie dem Kurs folgen: "Nichts Böses hören, nichts Böses sehen und nichts Böses sagen."

Noch ist nicht alles verloren. Ich glaube, dass der Trend zum Staatsstreich umgekehrt werden kann und dass Mali, Guinea, der Tschad, der Sudan und Burkina Faso wieder demokratisch regiert werden können. Aber die afrikanischen Eliten müssen neu darüber nachdenken, was Mehrparteiendemokratie bedeutet und wie sie aussehen sollte, damit sie sich auf dem Kontinent durchsetzen kann.

Und auch die westlichen Länder müssen bereit sein, neue Partnerschaften mit afrikanischen Staatschefs einzugehen, die ihren Völkern sichtbar helfen. Sie müssen darüber hinaus willens sein, die Beziehungen zu den Potentaten zu kappen, die ihre Nationen im Stich lassen. Selbst wenn dies politischen und wirtschaftlichen Interessen des Westens zunächst einmal schadet.

Dieser Text wurde aus dem Englischen übersetzt von Felix Steiner.

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