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PolitikEuropa

Macrons scheiternde Jupiter-Strategie

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
21. Februar 2022

Der französische Präsident wollte seinen Wahlkampf in der Rolle des erfolgreichen Staatsmanns absolvieren. Aber seine Verhandlungen mit Putin und der Abzug aus Mali gefährden den geplanten Siegeszug, meint Barbara Wesel.

Wer so auf Distanz gehalten wird, ist nicht wirklich mächtig: Emmanuel Macron (re.) bei Wladimir PutinBild: Sputnik Kremlin/AP/picture alliance

Emmanuel Macron, dem seine Gegner gern vorwerfen, er regiere wie der römische Gott Jupiter von oben herab, hatte für den Anfang dieses Jahres einen Plan: Als Präsident des Europäischen Rates würden sich telegene Möglichkeiten für große Auftritte bieten, bei denen er als Staatsmann punkten könnte.

Gleichzeitig würde er den Start seines Wahlkampfs für die Präsidentschaftswahl so lange wie möglich hinauszögern, um seinen Herausforderern Gelegenheit zu geben, sich gegenseitig zu zerlegen. Angesichts ihrer Unfähigkeit könnte er dann umso heller strahlen, so die Idee. Aber die Weltpolitik verhagelt Macron diese Strategie.

Gefährliche Rolle als Vermittler bei Putin

Anders als der vorsichtige deutsche Kanzler spielt der französische Präsident gegenüber Wladimir Putin derzeit voll auf Risiko. Über Stunden hat er am Sonntag einmal mehr mit dem Russen telefoniert, um ihn zu formellen Gesprächen über die Ukraine und zu einem Gipfeltreffen zu bewegen. Das Ergebnis schien in typischer Kreml-Manier ambivalent: Nach Darstellung des Elyseé sagte der russische Präsident dem Franzosen einen neuen Gipfel mit US-Präsident Biden zu. Doch kurz darauf kassierte der Kreml-Sprecher die Zusage wieder ein: Nichts konkretes sei vereinbart.

Barbara Wesel ist Europa-Korrespondentin

Dabei müsste Emmanuel Macron bei seinem jüngsten Besuch bei Putin eigentlich verstanden haben, dass der Russe Lust daran hat ihn vorzuführen und seine Vermittlerrolle für Europa nur begrenzt ernst nimmt. Der russische Präsident will im Kreis der Weltenlenker wie Xi Jinping und Joe Biden gesehen werden und wenn überhaupt, nur mit seinem amerikanischen Gegenüber Vereinbarungen schließen. Das alles hat viel mit Geltungssucht zu tun und Putins Idee, er könne die jüngere Geschichte revidieren und das weltpolitische Gewicht der Sowjetunion zurückerobern.

Demgegenüber findet sich der französische Präsident in einer zwiespältigen Rolle. Auch er muss die Sehnsucht seiner Landsleute nach internationaler Bedeutung bedienen, gleichzeitig aber im Auftrag der Europäer handeln. Sein politischer Spielraum ist also gering und es gibt stets den Verdacht, Macron könnte auf der Jagd nach Erfolg problematische Zugeständnisse machen. Das wiederum würde zu einer Spaltung der EU führen, dem Kreml zu einem Triumph verhelfen und dem Franzosen im Wahlkampf schwer auf die Füße fallen.

Diplomatie ist Arbeit ohne Glanz

Emmanuel Macron war Investmentbanker, bevor er Staatspräsident wurde. Jedenfalls ist er kein gelernter Diplomat und seine Experten im Außenministerium haben sicherlich versucht, ihm von manchen seiner Schritte abzuraten. Aber der Präsident gefällt sich in der Rolle des internationalen Vermittlers, der auch über seiner Gewichtsklasse kämpfen kann. Ähnlich wie Großbritannien ist Frankreich eine europäische Mittelmacht mit nur begrenztem Potenzial auf der Weltbühne und tut sich schwer, dies zu akzeptieren.

Wenn man genauer hinschaut, ist die Liste von Macrons Fehlschlägen als Geopolitiker inzwischen recht lang. Sein Eingreifen in Libyen trug dazu bei, das Land zu einem failed State zu machen. Der Versuch, den Libanon vor dem politischen Absturz zu retten, blieb ergebnislos. Und der überstürzte Rückzug aus Mali zeigt, dass Frankreichs Afrikapolitik vor einem Offenbarungseid steht: Über Jahrzehnte hatte Paris den Einfluss seine ehemaligen Kolonialländer als Kern der eigenen Außenpolitik verstanden und muss jetzt erkennen, wie verfehlt und fatal die Strategie in Afrika war.

Von islamistischen Putschisten in Bamako vom Hof gejagt zu werden, ist eine schmerzhafte Niederlage. Und dass die sogenannte Interimsregierung in Mali sich die aus Russland finanzierten Wagner-Söldner zu Hilfe holen kann, zeigt erneut die totale Skrupellosigkeit des Kreml, wenn es um die Steigerung des russischen Einflusses in der Region geht. All diese Erlebnisse müssten Emmanuel Macron eigentlich vorsichtiger gemacht und ihm gezeigt haben, dass Diplomatie und Rolle des Vermittlers meist harte Arbeit ohne Dank und ohne Lohn sind.

"Frankreich züchtet den Terrorismus" steht auf diesem Plakat eines Demonstranten in BamakoBild: Florent Verges/AFP

Und jetzt der Wahlkampf in Frankreich

Weil der Präsident also international so beschäftigt ist, wartet er mit der Ankündigung seiner Kandidatur für Präsidentschaftswahl wohl noch eine Woche bis zum letztmöglichen Termin. Das ist zwar eine Formsache, aber erst damit beginnt der echte Wahlkampf für die erste Runde am 10. April. Alle Umfragen sagen Macron voraus, dass er diese Hürde locker nimmt und auch in der Stichwahl nicht wirklich gefährdet ist.

Macrons Stärke ist die Schwäche seiner Gegenkandidaten: Die konservative Valerie Pecresse kommt nicht aus den Startlöchern und hat nicht einmal ihre Partei geschlossen hinter sich. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen erscheint ausgebrannt und wird von ihren eigenen Leuten verraten. Der rechtsradikale Eric Zemmour vergiftet zwar den politischen Diskurs, hat aber keine ernsthafte Chance.

Demgegenüber erscheint Emmanuel Macron zumindest als kompetent und seriös. Aber den französischen Wählern geht es - wie den Bürgern überall - nicht in erster Linie um die Weltpolitik sondern um ihren Geldbeutel, soziale Wohltaten und Inflationsängste. Statt allein um Wladimir Putin sollte sich der Präsident in den nächsten Wochen wohl besser verstärkt um den Alltag seiner Landsleute kümmern.

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