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Royaler Wirbel: Lasst mal die Kirche im Dorf!

Wuensch Silke Kommentarbild App
Silke Wünsch
15. Dezember 2022

Die Netflix-Doku um Harry und Meghan erhitzt die Gemüter, angefeuert durch die Medien. Silke Wünsch sieht darin mehr als nur einen weiteren royalen Skandal.

Harry und Meghan erzählen ihre Geschichte - und müssen auch erstaunlich viel lachenBild: Jonathan Brady/empics/picture alliance

Prinz Harry und seine Frau Meghan haben 2020 dem britischen Königspalast den Rücken gekehrt und sich von allen royalen Pflichten und Titeln verabschiedet. Wie es dazu kam, erzählen sie in einer sechsteiligen Dokuserie, mit viel Gefühl, Handyvideos, Paparazzifotos, Schwarzweißbildern, Rückblenden und emotionaler Musik.

Nun ist alles raus - und eine messbare Folge der Serie ist: Der Beliebtheitsgrad des Herzogs und der Herzogin von Sussex ist in England noch mehr gesunken als er ohnehin schon war. Kein Wunder, haben sich doch vor allem diejenigen, um die es in der Serie hauptsächlich geht - nämlich die britischen Medien - bereits im Vorfeld des Serienstarts über das Paar hergemacht.

Empfindlicher Punkt

Warum wohl? Die Beziehung zwischen Harry und Meghan und den Medien ist der zentrale Punkt der Serie. Und das trifft einen Großteil der Medien offenbar empfindlich. Denn sie sind nicht gerade zimperlich mit diesem Paar umgegangen.

Am Anfang stand eine Liebesgeschichte. Als das Paar bereit dazu war, sich der Öffentlichkeit zu stellen, wusste es, dass sich das Leben jetzt verändern würde. So krass, wie es dann geschah, damit haben die beiden - so beschreiben sie es - nicht gerechnet. Harry, der seine Mutter Diana mit zwölf Jahren verloren hat, weil sie auf der Flucht vor Paparazzi einen tödlichen Unfall hatte, sah, wie die Geschichte sich zu wiederholen drohte.

Immer wieder zeigt die Serie Bilder von Harrys Mutter Prinzessin Diana, die von Paparazzi verfolgt wirdBild: empics/picture alliance

Und die US-Amerikanerin Meghan lernte die britische Boulevardpresse jetzt erst richtig kennen, die in der Serie folglich nicht gut wegkommt. Immer wieder sehen wir Bilder von einer Fotografenmeute, die irrsinnig große Teleobjektive auf das Paar richtet. Und Schlagzeilen wie eine Achterbahnfahrt, bei der einem wirklich schlecht werden kann. Meghan, die wunderschöne Traumprinzessin. Meghan, die schwarze Gangsterbraut aus dem Ghetto. Meghan und Harry, die Superstars der Royals. Meghan, die Diva, die Chaos im Buckingham Palast verbreitet.

In den Himmel gehoben oder in den Staub getreten - die Presse steuert das Meinungsbild, wie es ihr gerade gefällt: Sie setzt nach einem royalen Repräsentationstermin Meghan groß auf die Titelseite, ein Bild der Queen erscheint klein daneben und lässt Elizabeth II. im wahrsten Sinne des Wortes alt aussehen. Kurze Zeit später wird unter entrüsteten Schlagzeilen erklärt, Meghan solle ihre Hände nicht an ihren Babybauch fassen, das gezieme sich nicht. Vergessen ist, dass Catherine, die Ehefrau von Kronprinz William, für genau diese Geste Jahre zuvor noch gefeiert worden war.

So etwas geht doch an niemandem spurlos vorbei.

Zwei Seiten einer Medaille

Und so haben Meghan und Harry die Zügel selbst in die Hand genommen und erzählen ihre Sicht der Dinge. Bei einem Konflikt gibt es immer zwei Seiten. Die eine Seite hat sich von allem freigemacht und spricht sich ihren Kummer von der Seele. Klar, medienwirksam und sicherlich auch finanziell recht erquicklich. Die andere Seite, in diesem Fall die königliche Familie, bleibt ihren Konventionen verhaftet und hält sich mit lauten Gegenschlägen zurück - das ist eine ungeschriebene Regel im Buckingham-Palast. Das Getöse um die Serie übernimmt nun mal wieder die Presse. Ob alle Anschuldigungen und Seitenhiebe der Sussexes ihre Berechtigung haben, sei dahingestellt, ebenso würde die andere Seite, wenn sie es denn könnte, wahrscheinlich kräftig zurückfeuern und dabei vielleicht auch nicht alles so ganz korrekt wiedergeben.

DW-Kulturredakteurin Silke Wünsch

Klar ist, dass viele Britinnen und Briten, die dem Königspalast eng verbunden sind, den Netflix-Auftritt von Harry und Meghan zutiefst verabscheuen - schon ihr Austritt aus der "Firma" war für sie wie ein Verrat.

Für mich als Nicht-Britin und neutrale Beobachterin steht diese Serie für etwas anderes. Sie erzählt einerseits die Geschichte eines Paares, das so sehr in der Öffentlichkeit steht, dass es einen radikalen Schritt gehen musste, sich nun erklären möchte und sich ein halbwegs normales Leben wünscht. Andererseits erzählt sie von der Tragödie einer großen Familie, die von den Medien als ihr Eigentum betrachtet wird und dieses Spielchen mitspielt. Mit allen Konsequenzen.

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online