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Politik

Endlich - Ein gemeinsamer Weg nach der Katastrophe

24. September 2020

Nach langem Zögern schlagen die deutschen Bischöfe jetzt einen einheitlichen Kurs gegenüber den Missbrauchsopfern ein. Der Schmerz und die Wut der einst Schutzbefohlenen besteht aber nach wie vor, meint Christoph Strack.

Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz - der Vorsitzende Georg Bätzing im Kreis seiner MitbrüderBild: picture-alliance/Kirchner/Neundorf

Endlich. Die katholische Kirche wird ab Anfang 2021 Ausgleichszahlungen von bis zu 50.000 Euro an Opfer sexuellen Missbrauchs durch Priester und andere kirchliche Vertreter zahlen. Das ist eine deutschlandweit einheitliche Regelung, die von allen 27 Bistümern übernommen wird. Ein wichtiger Schritt, auf den sich die Vollversammlung der deutschen Bischöfe bei ihrem Herbsttreffen in Fulda verständigte.

Bis zu dieser jetzigen Ankündigung dauerte es quälend lange. Und es geht nun nicht um Entschädigungszahlungen in sechsstelliger Höhe, sondern nur um Ausgleichs- oder Anerkennungsleistungen. Aber immerhin: Nun gibt es eine Regelung und einen Ablauf, "klar, verbindlich und transparent", so der offizielle Duktus. Jeder Diözese bleibt überlassen, ob die Zahlungen aus Kirchensteuermitteln erbracht oder aus bestehenden Finanztöpfen kommen. Einige der Diözesen, sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hätten schlicht nicht genug Eigenmittel und müssten auch auf Kirchensteuererträge zurückgreifen.

Ein weiterer Aspekt ist wichtig: Vor einigen Wochen hat die Deutsche Ordensobernkonferenz eigene Zahlen zu vielfachem Missbrauch in ihrem Bereich vorgelegt. Die Ordensgemeinschaften weltweit fallen in der komplexen Struktur der katholischen Kirche nicht in die Zuständigkeit der Bischofskonferenzen. Sie können eigenständig handeln oder mit dem Vatikan dealen oder vertuschen. Aber bereits jetzt sagt die Deutsche Bischofskonferenz finanzielle Unterstützung zu, wo Orden überfordert sind oder einfach nicht mehr bestehen. Nur der Schmerz, die Wut der einst Schutzbefohlenen besteht nach wie vor. So sollte die Bischofskonferenz auf eine zügige Übernahme ihres Konzepts von Anerkennungsleistungen durch die Orden hinarbeiten. 

Deutschland…

Und für beide Bereiche - Diözesen und Orden - gilt: Es gibt auf Opferseite Lebensläufe, die einfach völlig zerstört sind, aus der Bahn geworfen. Da bleibt klar: Zumindest in Einzelfällen sollten die Bischöfe individuelle Rentenkonzepte mittragen.

DW-Kirchenexperte Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Das wohl deutlichste Wort zum langwierigen Prozess der Aufarbeitung kam bei der Abschluss-Pressekonferenz vom langjährigen Sekretär der Bischofskonferenz, dem Jesuiten Hans Langendörfer. In den ersten Monaten, nachdem der Missbrauchsskandal 2010 ans Licht kam, habe sich der Kreis der Bischöfe "völlig vertan" in der Erwartung, "was an Gewicht daranhängt" und "sich an Katastrophe auftun würde". Es brauchte einen langen Prozess von gut zehn Jahren, der vor allem für die Betroffenen schmerzhaft und ärgerlich war. Zehn Jahre, in denen mancher Betroffener bereits verstorben ist.

…und Rom

Geld kann man aufbringen. Aber zerstörtes Leben kann man nicht zurückkaufen, auch verspieltes Vertrauen ist schwer zurückzugewinnen. In dieser Woche wurde im Vatikan der 70. Jahrestag der Priesterweihe von Kardinal Angelo Sodano begangen. Man kann sagen: gefeiert. Der inzwischen  92-Jährige war von 1991 bis 2006 Kardinalstaatssekretär und von 2005 bis 2019 Kardinaldekan. Er hatte Macht und Einfluss.

Im April 2010 - da kochte in vielen Teilen der katholischen Welt das Thema Missbrauch hoch - nutzte Sodano die weltweit im Fernsehen übertragene Ostermesse von Papst Benedikt zu einer Solidaritätsadresse und lamentierte über das "Geschwätz des Augenblicks", die Thematisierung des Missbrauchs.

Sodano gilt vielen Experten als jemand, der um die üblen Übergriffe des früheren Wiener Kardinals Hans Hermann Groer wusste - und nichts unternahm. Und der wohl lange den Gründer der "Legionäre Christi" deckte, den Mexikaner Marcial Maciel Degollado, einen schwerkriminellen Geistlichen, der Minderjährige vergewaltigte, der mit mehreren Frauen Kinder zeugte, Kinder, die ihm später selbst Missbrauch vorwarfen.

Und nun feierte der Vatikan eben diesen Kardinal Sodano, der für die bleiernen Jahre vor Papst Franziskus steht. Der Chef selbst ließ es sich nicht nehmen, Sodano zu danken "für seinen treuen und gewissenhaften Dienst an der Kirche und am Heiligen Stuhl". Das sprach jener Papst Franziskus, der sich so oft erschüttert über Missbrauch in der Kirche zeigte und für null Toleranz eintrat. Man wundert sich und bleibt sprachlos zurück.

Es ist ein langer Weg der Kirche, das Thema Missbrauch aufzuarbeiten. Immerhin stehen in Deutschland nun Ausgleichszahlungen an. Das ist nicht viel. Aber besser als gar nichts.

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