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Politik

G20-Gipfel: Viele Worte, einige gute Ansätze

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert
22. November 2020

Multilaterale Zusammenarbeit hat nach der grauslichen Ära Trump wieder eine Chance. Es bleiben aber auch einige Defizite, meint Bernd Riegert nach dem G20-Gipfel.

Bild: Fayez Nureldine/AFP/Getty Images

Alle waren eigentlich für multinationale Zusammenarbeit, nur einer hat die ganze Zeit von seiner eigenen Großartigkeit geredet. Gemeint hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz mit diesem Satz natürlich den gegen seinen Willen scheidenden US-Präsidenten, den Egomanen Donald Trump. Der hat in den letzten vier Jahren der Gruppe der 20 den Zusammenhalt schwer gemacht. Doch das ist nun - den amerikanischen Wählern sei Dank - bald vorbei. Mit dem Abgang des selbstverliebtesten Präsidenten aller Zeiten kann der G20, den Vertretern von zwei Dritteln der Menschheit, ein Neustart gelingen.

Das war schon diesmal ausgerechnet unter saudischer Führung spürbar, auch wenn Trump noch nominell mit am Tisch saß. Aufgeschreckt von der Corona-Pandemie, die der Welt vor Augen führt, wie abhängig man voneinander ist, sind die Staatenlenker bereit, über eine gemeinsame Impfstrategie, eine Stärkung der Weltgesundheitsorganisation, eine Wiederbelebung des Welthandels, stärkeren Klimaschutz, einen besseren Schutz der Artenvielfalt, eine digitale Wirtschaft und vieles andere mehr zu reden. Mit dem nächsten Präsidenten Joe Biden kann die G20 deutlich mehr erreichen als mit dem "Ich zuerst" - Präsidenten Donald Trump.

Ohne Trump wird es einfacher

In der Pandemie ist es bitter nötig, dass sich die globale Führungselite zusammentut, wenn eine gerechte Verteilung der Impfstoffe erreicht werden soll. Ein Anfang ist gemacht, aber noch viel mehr finanzielle Zusagen sind nötig, um zwei Milliarden Impfdosen für den ärmeren Teil der Weltbevölkerung zu organisieren. Die USA sollten zügig dem internationalen Impfverbund Covax beitreten, sobald Donald Trump das Weiße Haus verlassen hat.

Europa-Korrespondent Bernd Riegert

Die Texte der G20-Erklärungen sind wie gewohnt voller wohlklingender politischer Prosa. Konkrete Ansagen sucht man lange. Ein greifbares Ergebnis ist immerhin, dass 46 und demnächst 77 ärmeren Ländern die Zinszahlungen für öffentliche Kredite gestundet werden, damit diese Gelder in die Pandemiebekämpfung fließen können. Das hört sich gut an. Es ist aber mit einem Gesamtvolumen von fünf bis sechs Milliarden Dollar jährlich verglichen mit den elf Billionen (11.000 Milliarden), die die G20 für ihre eigenen Volkswirtschaften mobilisiert hat, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nötig wäre wohl ein echter Schuldenschnitt, um die Rezession vor allem in afrikanischen Ländern abzukürzen.

Doch dazu ist von G20 noch niemand richtig bereit, man will höchstens darüber reden. Das ist auch nicht allzu verwunderlich, denn die ganze Welt, also auch die relativ reichen Länder, stecken in einer nie dagewesenen Wirtschaftskrise und verschulden sich derzeit rasant. Zwar spricht Bundesfinanzminister Scholz bei diesem G20-Gipfel noch davon, dass man die Chance habe, sich aus der Wirtschaftskrise wieder schnell herauszuarbeiten, doch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat schon vor Wochen am Rande eines EU-Gipfels in Brüssel gesagt, dass auch die Mittel Deutschlands begrenzt sind. Die Corona-Schulden, die jetzt angehäuft werden, gehen überall auf die Kosten der nächsten Generation.

Menschenrechte und Realpolitik

Internationale Zusammenarbeit ist in der Pandemie also nötiger als je zuvor. Das gilt leider übrigens auch für die Staaten in den G20, die mit unserem westlichen Verständnis von Demokratie und Menschenrechten nichts am Hut haben. Der G20-Ratsvorsitzende, Saudi-Arabien, eine absolute Monarchie, die Menschenrechte mit Füßen tritt, wird ebenso gebraucht, wie die chinesische Diktatur oder die russische und türkische Autokratie. Um die globale Wirtschaft flott zu kriegen, muss man mit all diesen Staaten umgehen, auch wenn es manchmal schwerfällt. Dass die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien, in China oder Russland nicht einmal erwähnt wurde, geht einem gewaltig gegen den Strich.

Etwas Mut auf Seiten der Merkels, Macrons und von der Leyens wäre besser. Denn die Diktatoren und Potentaten in der G20 brauchen auch die demokratisch legitimierten Staaten. Saudi-Arabien zum Bespiel ist nicht nur mit Russland gut Freund, sondern benötigt auch die demokratischen USA als Verbündeten in der Konkurrenz zum Iran, als Waffenlieferanten im Stellvertreterkrieg im Jemen, als Investor im saudischen Technologiepark NEOM. Deshalb sollte man dem geschmeidigen Kronprinzen Mohammed bin Salman nicht alles durchgehen lassen: Ermordung eines unliebsamen Journalisten, Inhaftierung von Frauenrechtlerinnen zum Beispiel. Nach der Pandemie gehören auch Menschenrechte und Regierungsführung auf die Tagesordnung der G20.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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