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PolitikEuropa

Grüne Atomkraft, nein danke?!?

Thurau Jens Kommentarbild App
Jens Thurau
3. Januar 2022

Die EU will Investitionen in Atomkraft teilweise als klimafreundlich einstufen. Das kann den Ausbau erneuerbarer Energien verzögern, aber nicht aufhalten. Es gibt keine Renaissance der Atomenergie, meint Jens Thurau. 

"Für ein atomstromfreies Europa" - dieser Wunsch in Form einer Lichtprojektion auf dem AKW Grohnde ist in der EU noch nicht mehrheitsfähigBild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

Was die Zukunft der Kernenergie angeht, gibt es zu Jahresbeginn zwei Meldungen, die aus verschiedenen Welten zu kommen scheinen: Während in Deutschland drei der letzten sechs noch existierenden Atomkraftwerke gerade vom Netz genommen wurden, hat die EU-Kommission ihren Plan veröffentlicht, wonach Investitionen in Gas - und Kernkraftwerke unter bestimmten Bedingungen als klimafreundlich gelten sollen.

In Deutschland verläuft der 2011 beschlossene Ausstieg aus der Atomenergie weitgehend geräuschlos. Anders als in vielen Jahrzehnten davor ist das kein Grund mehr für heftigen Streit, sonders eher eine kleine Meldung.

Vorstoß aus Paris

Brüssel hingegen spürt den Druck aus Frankreich, wo 58 Kernkraftwerke laufen und die nationale Energieversorgung auf Atomkraft basiert. Geschickt hat Präsident Macron das vorübergehende Machtvakuum durch den Regierungswechsel in Deutschland genutzt, um eine Aufwertung der Kernenergie durchzusetzen. Und die deutschen Chancen, daran noch etwa zu ändern, sind nicht hoch.

DW-Redakteur Jens Thurau

Das bringt vor allem die Grünen innerhalb der neuen deutschen Regierung in erhebliche Schwierigkeiten. Der energiepolitische Start ins neue Jahr beginnt mit einer Aufwertung der Kernenergie, die für die Grünen und ihre Wähler einem politischen Verrat gleichkommt.

Die Befürworter der Atomkraftwerke haben seit Jahren Lobbyarbeit für den angeblich nachhaltigen, weil treibhausgas-freien Betrieb der Meiler betrieben. Richtig daran ist, dass Kernkraftwerke anders als Kohlekraftwerke im Betrieb kein Kohlendioxid in die Luft blasen.

Atomare Verseuchung

Richtig ist aber auch, dass etwa im Uranbergbau durchaus Treibhausgase entstehen. Und überhaupt nicht nachhaltig ist es, wenn nach Unglücken in Atomkraftwerken, wie 1986 in Tschernobyl und 2011 in Fukushima, ganze Landstriche für lange Zeiten unbewohnbar werden und die riesigen Kosten für die Bewältigung der Katastrophen dann zumeist Sache der Allgemeinheit bleiben, nicht der Industrie.

Völlig in Vergessenheit gerät bei der Brüsseler Debatte um die Kernenergie zudem, welche Mammutaufgabe allen Ländern, die Atomkraftwerke betreiben oder betrieben haben, mit der Entsorgung des strahlenden Mülls noch bevorsteht. Auch in Deutschland ist die Suche nach einem Endlager eine Sache von Generationen, von der tatsächlichen, milliardenteuren Abwicklung ganz zu schweigen.

Die Kernenergie, eine nachhaltige Form der Energieerzeugung? Eher nicht. Auch ein möglicher Neubau von Meilern ist derart teuer, dass das Wort ressourcenschonend schlicht fehl am Platze ist.

Niederlage für die Grünen 

Beim Thema Gas stehen die Dinge schon anders. Deutschland hat sich viel vorgenommen mit dem Ausstieg aus der Kernenergie und dem Aus für die Kohle, den die neue Regierung möglichst von 2038 auf 2030 vorziehen will. Wenn das gelingen soll, wird das Land noch lange auf Gas als Brückentechnologie angewiesen sein, wenn man nicht Strom importieren will, noch dazu Atomstrom aus Frankreich.

Hier droht den Grünen die nächste Niederlage, wenn sich Kanzler Scholz mit seiner Befürwortung der russischen Gaspipeline Nord Stream 2 durchsetzt. Und auch danach sieht es aus.

Gibt es also eine Renaissance der Kernkraft? Wohl kaum. Im Wesentlichen werden in den Ländern, die Atomkraftwerke betreiben, die bestehenden Laufzeiten der alten Anlagen verlängert, Neubaupläne scheitern zumeist an den immensen Kosten.

Aber der Energiehunger der Welt ist immens und wird nach Corona sicher wieder stark steigen, vor allem China setzt auf alle Arten der Stromerzeugung, neben den erneuerbaren Energien eben auch auf fossile Arten und die Kernkraft. 

Langfristig aber sind es die erneuerbaren Energien, auf die die Staaten setzen werden, auch wenn für die alten Energieerzeugungsformen viel Lobbyarbeit geleistet wird. Nach der Brüsseler Entscheidung gilt auch: Erst mal abwarten, wie viele Investoren tatsächlich in überholte Energieerzeugungsformen investieren wollen. Aus der klimaschädlichen Kohle haben sich die meisten großen Fonds schon zurückgezogen, gut möglich, dass sie auch wenig Lust verspüren, eine Technik von gestern mit hohen Risiken noch ein paar Jahre am Leben zu halten.

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