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Politik

Grundrechte sind Normalität, kein Privileg

DW Mitarbeiterin Lisa Hänel
Lisa Hänel
26. April 2021

Beim Impfgipfel ging es um die Rückgabe der Grundrechte. Entschieden ist nichts, aber das Thema wird eher größer als kleiner. Und dann sollte keine falsche Solidarität bremsen, meint DW-Redakteurin Lisa Hänel.

Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres/picture alliance

Schon vor dem Impfgipfel an diesem Montag wurden die Rufe lauter, gegen COVID-19 geimpften oder genesenen Menschen wieder mehr Grundrechte zu gewähren. Rund sieben Prozent der Menschen in Deutschland haben ihre doppelte Impfdosis erhalten und haben somit laut Robert-Koch-Institut nur ein geringes Übertragungsrisiko für Sars-CoV-2. Auch der Deutsche Ethikrat spricht sich angesichts der inzwischen sprunghaft steigenden Zahl an Impfungen dafür aus - wenn auch erst zu einem Zeitpunkt, wenn alle Menschen die Möglichkeit zu einer Impfung haben.

DW-Redakteurin Lisa HänelBild: DW/P.Böll

Das Gegenargument: Es sei unsolidarisch besonders gegenüber jungen Menschen, die sich - gerade mit Rücksicht auf die Älteren - so sehr eingeschränkt hätten, wenn nun als erstes vor allem die Älteren, weil Geimpften, wieder freier leben dürften.

Für alle eine Belastung

Dabei ist es doch so: Es gibt vermutlich fast niemanden, der in den vergangenen 14 Monaten nicht gelitten und sich eingeschränkt hat: Menschen ohne Kinder mussten mit ansehen, wie Schulen offen blieben, obwohl das die Inzidenz hochtrieb. Eltern mussten ertragen, dass Homeoffice gefordert wurde - wobei ungeklärt war, wie sich das mit der Kinderbetreuung vereinbaren ließe. Alleinlebende mussten hinnehmen, dass sie ohne Kontakte in die Einsamkeit ihrer Wohnungen gedrängt wurden. Jugendliche mussten ihre Zukunftspläne über Bord werfen, Alten- und Pflegeheimbewohner auf ihre Liebsten verzichten. Diese Pandemie war für niemanden ein Spaziergang. Das verbindet uns alle.

Umso unverständlicher ist, dass immer noch so viele ein Lagerdenken pflegen - Jung gegen Alt, Familien gegen Singles, Geimpfte gegen Ungeimpfte. Denn es gibt doch eine gemeinsame Vision: ein Leben, das annähernd wieder so ist wie vor der Pandemie. Und jeder Schritt dorthin ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Pandemie sollte nicht das neue Normal sein

Grundrechte sind keine Privilegien, sondern die Normalität. Nicht wer sie zurück will, muss sich erklären, sondern die, die sie weiterhin einschränken wollen. Denn es ist normal in einem freien Staat, das eigene Land, so oft und wann man möchte, zu verlassen und wieder zu betreten. Es ist normal, mit Freunden um einen Tisch zu sitzen, zu lachen und zu diskutieren. Es ist normal, nachts das Haus zu verlassen. Und es ist normal, für was auch immer zu demonstrieren.

Jeder Mensch, der geimpft ist und eine geringe Gefahr für andere darstellt, muss diese Rechte so schnell wie möglich zurückerhalten - soweit es das allgemeine Pandemie-Geschehen zulässt.

Falsch verstandene Solidarität

Ja, es ist hart zuzusehen, wie ein geimpftes älteres Ehepaar aus dem Urlaub zurückkommt und ohne Quarantäne am nächsten Tag sein Leben weiterleben darf, während man auf die eigene Impfung wartet. Es würde aber auch niemandem die Quarantäne ersparen, wenn dieses Ehepaar völlig ohne eine rechtsstaatlich nachvollziehbare Begründung die Quarantäne absitzen müsste. Es gibt auch keinem jungen Menschen seine zerronnenen Zukunftspläne zurück, wenn sich die Rentnerin auch weiterhin nicht mit drei geimpften Freundinnen zum Doppelkopf treffen darf.

Ja, das ist kurzfristig bitter und mag ungerecht erscheinen. Es bringt aber langfristig der ganzen Gesellschaft etwas, wenn unsere selbstverständlichen Grundrechte auch tatsächlich so schnell wie möglich wieder zur Normalität werden. Denn genau dahin wollen wir doch alle wieder kommen.

Die meisten von uns haben in den vergangenen Monaten Maßnahmen akzeptiert und eingehalten, weil sie der Gemeinschaft genutzt haben. Und so verhält es sich auch mit den Grundrechten - selbst wenn erst einzelne und dann immer mehr Menschen sie vollständig zurückerhalten: Es würde gebeutelten Wirtschaftszweigen helfen und den Menschen, die darin arbeiten. Es gäbe auch denen Hoffnung, die erst später an der Reihe sind. 
Und es gäbe noch mehr Menschen einen Anreiz, sich impfen zu lassen. Auch das ist eine Form der Solidarität.
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Logistik für Corona-Impfungen

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