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Politik

Hände weg von meinem Körper

Deutschland Berlin | DW Journalistin | Wafaa Albadry
Wafaa Albadry
16. Mai 2021

Immer mehr Frauen wehren sich, wenn andere ihnen vorschreiben wollen, was sie tragen oder nicht tragen sollen. Das nennt man Freiheit und die sollte in freien Ländern selbstverständlich sein, meint Wafaa Albadry.

Das Kopftuch für Frauen: Über wohl kein anderes Kleidungsstück wird so oft gestritten - vor allem von MännernBild: imago images/P. Endig

Es ist verrückt, wie ein Stück Stoff an einer Frau als Maßstab für den Fortschritt oder die Rückständigkeit von Gesellschaften betrachtet wird. Immer wenn ein Land meint, seine moralischen Prinzipien erneuern oder sich modernisieren zu müssen, um mit sich selbst zufrieden zu sein, geht es als erstes darum, was Frauen tragen.

Natürlich ist es kulturabhängig, was konkret passiert. In muslimischen Ländern werden zum Beispiel die Frauen vor allem durch sozialen Druck gezwungen, den Hijab zu tragen. In europäischen Ländern mit einer muslimischen Minderheit werden Frauen hingegen in bestimmten Fällen per Gesetz dazu gezwungen, den Hijab abzulegen. So oder so - immer stehen nur Frauen unter dem Druck, etwas zu tragen oder nicht zu tragen. Sowohl politisch Verantwortliche als auch einfache Menschen in aller Welt vergleichen den Lebensstil und die Kleidung ihrer Frauen mit dem anderswo, um dann ein oberflächliches Urteil übereinander abzugeben. Alle Welt glaubt offenbar, dass allein das Verhalten der Frauen der Gradmesser für Säkularismus oder das Festhalten an der Religion ist.

Immer wieder Kopftuch-Verbote

Vergangene Woche wurde in Deutschland ein Gesetz erlassen, um das neutrale Erscheinungsbild von Beamten zu gewährleisten. Dazu gehört, dass sie keine sichtbaren religiösen oder extremistischen Symbole im Dienst tragen dürfen, weil die staatliche Objektivität maximal gewährleistet sein soll. Und natürlich zählt zu den in diesem Zusammenhang verbotenen Symbolen auch der Hijab. Frauen, die dieses Gesetz wegen der Einschränkung ihrer Religionsfreiheit kritisieren - egal welcher Religion sie angehören - müssen sich nun wehren und rechtsstaatliche Mittel nutzen, wenn sie das ändern wollen.

DW-Redakteurin Wafaa AlbadryBild: S. Overdhal

In Frankreich sorgte die Novelle zu einem Anti-Separatismus-Gesetz für Empörung. Unter dem Hashtag #HandsOffMyHijab (#PasToucheAMonHijab) entwickelte sich ein Protestwelle in den Sozialen Medien, die die Aufmerksamkeit von Muslimen in ganz Europa erregte. Das Gesetz sieht zum Beispiel vor, dass Mütter, die den Hijab tragen, von der Teilnahme an außerschulischen Aktivitäten ihrer Kinder grundsätzlich ausgeschlossen werden.

Solche Entwicklungen bewerte ich nicht von einem religiösen Standpunkt aus, sondern allein aus der Perspektive der Frauenrechte. Das Verbot des Hijab ist kein neues Thema - es wird in Europa schon seit Jahren diskutiert. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine Einmischung in das Recht jeder Frau, zu tragen, was sie will und wo sie es will. Mit anderen Worten: Es geht um eine eklatante Missachtung der berechtigten Autonomie jeder Frau, Entscheidungen über ihren Körper und ihr Aussehen zu treffen, ohne diskriminiert zu werden.

Das Patriarchat ist überall zu Hause

Zu regeln, welche Kleidung eine Frau zu tragen oder nicht zu tragen hat, ist patriarchalisch. Und dabei ist es völlig egal, ob das Patriarchat etwas gebietet oder verbietet und in welchem Land es zu Hause ist.

Als liberale Frau träume ich davon, dass es normal ist, einen Bikini am öffentlichen Strand eines arabischen Landes tragen zu können - ohne dafür verurteilt zu werden. Ich träume aber auch davon, dass auch in Europa die Frauen in Ruhe gelassen werden, wenn es um die Wahl ihrer Kleidung geht - zumindest solange niemandes Sicherheit gefährdet wird.

Keine Einheitsgröße für alle

Diese groben Regelungen, die alles in einen Topf werfen, bergen die Gefahr von Verurteilung und Polarisierung. Es gibt keine Einheitslösung, die für alle passt.

Der Hinweis, dass ein verdecktes Gesicht Kommunikationsbarrieren und Sicherheitsprobleme schaffen kann, ist berechtigt. Aber das gilt nicht, wenn es um das Tragen eines Kopftuchs geht. Der Niqab ist kein Hijab.

Das in Frankreich diskutierte absolute Kopftuchverbot würde nur für Mädchen unter 18 Jahren gelten. Hier sehe ich eine gemeinsame Basis: Ich halte es nicht für angemessen, dass Kinder und minderjährige Mädchen ein Kopftuch tragen. Wenn, dann sollte das eine Entscheidung sein, die frei von gesellschaftlichem oder familiärem Druck getroffen wird. Kinder dürfen nicht manipuliert werden, einen bestimmten Weg einzuschlagen. Eltern sollten ihre eigenen Überzeugungen nicht ihren Kindern aufzwingen. Aber ist es wirklich der beste Weg, dies per Gesetz zu erzwingen? Und würde man Kinder, die andere religiöse Symbole tragen, genauso behandeln?

Freie Länder sollten Freiheit gewähren

Bei erwachsenen Frauen im öffentlichen Raum liegt der Fall anders. Hier sollten wir davon ausgehen, dass sie frei entschieden haben, wie sie sich kleiden wollen. Wenn eine Frau die Entscheidung trifft, am Strand einen Bikini zu tragen, sollte sie hierfür nicht kritisiert werden. Das Gleiche gilt aber auch für eine Frau, die ihr Haar bedeckt. Das gilt erst recht in einem fortschrittlichen Land, das als freie Demokratie verfasst ist und die Rechte der Frauen schützen will.

Menschen sollten allein für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden, nicht für ihr Aussehen. Der Körper einer Frau und ihre Entscheidung, ihn zu bedecken oder zu entblößen, kann nicht der Gradmesser für den Fortschritt einer Gesellschaft sein. 

Es ist demütigend, ein Objekt zu sein

Was mich persönlich betrifft, so trage ich heute keinen Hijab mehr und möchte es auch nicht. Ich erinnere mich noch gut, als ich ihn mit Anfang 20 abgenommen habe: Es war geradezu demütigend, wie sich alle um mich herum berechtigt gefühlt haben, ihre Meinung über meine Entscheidung zu äußern.

Als Frau, die an die Rechte der Frauen glaubt, sage ich NEIN zu allen, die Frauen als Objekt behandeln - selbst wenn dieses Objekt ihre Vision von Freiheit zeigen soll.

Hände weg von meinem Körper und meinen Entscheidungen!

 

Dieser Text wurde das dem Englischen adaptiert von Felix Steiner.

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