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Politik

Moralische Bankrotterklärung

Porträt eines Mannes mit blauen Augen in Hemd und Jacket, im Hintergrund ist der Majdan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu erkennen
Frank Hofmann
5. August 2021

Die Impfkampagne gegen COVID-19 im globalen Süden kommt nicht voran. Trotz aller vollmundigen Versprechen der reichen Industrienationen. Die machen einmal mehr die Rechnung ohne das Virus, meint Frank Hofmann.

Auf dem Flugplatz von Addis Abeba werden von COVAX gelieferte Corona-Impfstoffe entladenBild: Tiksa Negeri/REUTERS

Seit Monaten erinnert der WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus die reichen Industrieländer der Welt an ihre moralische Verpflichtung, den Ärmsten Impfstoff gegen die Corona-Seuche abzugeben. So beginnt er in der Regel die wöchentliche Pressekonferenz der Weltgesundheitsorganisation in Genf.

Diese Woche hat er seinen Aufruf noch ergänzt: Wie könne es sein, dass der globale Norden jetzt schon mit Boosterimpfungen beginnt, während in fast allen Ländern Afrikas bis heute noch nicht einmal das medizinische Personal geimpft ist? Und so bittet er dringend darum, die dritte Impfung wenigstens in den Oktober zu verschieben.

COVAX droht zu scheitern

Ayoade Olatunbosun-Alakija von der Impfallianz der Afrikanischen Union warnt bereits, dass die im April 2020 von der WHO, der EU-Kommission und Frankreich gegründete Impfinitiative COVAX dabei sei zu scheitern. "Der Menschheit zuliebe darf sie aber nicht scheitern", so ihr Appell. COVAX soll den von den Reichen bezahlten Stoff zu den Armen bringen. Doch von den bis Anfang August verplanten 640 Millionen Impfdosen für die Ärmsten sind gerade einmal 163 Millionen angekommen. Diese Entwicklung ist eine moralische Bankrotterklärung des reichen Nordens. Auch Deutschlands.

DW-Redakteur Frank HofmannBild: DW

Elf Milliarden Impfdosen sind nach WHO-Schätzungen nötig, um weltweit die Pandemie zu beenden. Zugesagt haben die Industrienationen der G7 gerade einmal eine Milliarde - vorneweg die USA und Deutschland. Und während in Afrika und vielen Ländern Lateinamerikas Virus-Mutationen die Bevölkerung durchseuchen, führt sich der Norden in bester Gutsherrenmanier auf: Die Biden-Administration kauft 500 Millionen Impfdosen beim US-Pharmamulti Pfizer, der den von der deutschen Firma BioNTech entwickelten mRNA-Impfstoff unter die Leute bringt, für 3,5 Milliarden US-Dollar.

Doch für einen Teil der Finanzierung kürzt sie Entwicklungshilfe. Geld, das die Empfängerländer brauchen, um den Impfstoff zu den Menschen in ihre Dörfer zu bringen, für Benzin zum Beispiel. Dass der Vorstandsvorsitzende von Pfizer gleich noch den Preis für die Einzeldosis des COVID-Vakzins erhöht, zeugt ebenso von moralischem Komplettversagen!

Es geht um Schnelligkeit

Und auch die deutsche Regierung unter der scheidenden Bundeskanzlerin Angela Merkel beweist einmal mehr, dass sie das wichtigste Prinzip der Pandemiebekämpfung bis heute nicht verstanden hat: Schnelligkeit. Seit Wochen bitten deutsche Hilfsorganisationen - vor allem der beiden großen Kirchen - das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn um hierzulande übrige Impfdosen. Sie impfen nämlich schon seit Jahrzehnten in Afrika (gegen Ebola, gegen Masern) und verfügen über die notwendige Infrastruktur.

Doch aus falsch verstandenem Multilateralismus lehnt die Regierung von Angela Merkel bilaterale Hilfen über solche etablierten Kanäle ab. Auch, so heißt es in einem Schreiben aus dem Bundesgesundheitsministerium, weil "Spenden an Drittstaaten regelmäßig der vorherigen Zustimmung des Herstellers" bedürften.

Dass BioNTech vergangenes Jahr seinen COVID-Impfstoff auch mit einer halben Milliarde Euro aus dem Bundeshaushalt entwickelt hat - geschenkt. Es geht eben ums Geld verdienen. Dem Virus SARS-CoV-2 und seinen Mutationen - Delta, Lambda und was noch alles an Neuem kommen mag - ist das egal. Es verbessert sich einfach immer weiter auf dem Weg der Durchseuchung. Und kommt dann topfit auch wieder nach Europa oder Nordamerika zurück.

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