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PolitikEuropa

Ja zur Ukraine

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
17. Juni 2022

Die EU-Kommission hat mit ihrer Empfehlung zur EU-Perspektive für die Ukraine das richtige geopolitische Signal gegeben. Kiew muss jetzt für Reformen sorgen - aber das gleiche gilt auch für die EU, meint Barbara Wesel.

Die Ukraine Umamrmen, aber auch gezielt die EU stärken - das fordert Barbara WeselBild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS

Die EU-Kommission ist über ihren Schatten gesprungen, sie hat alle Bedenken beiseite gewischt, auch die gerechtfertigten, und will der Ukrainedie Tür zu einer späteren EU-Mitgliedschaft öffnen. Damit tut sie in der gegenwärtigen Situation das einzig Richtige. Sie handelt politisch, wird ihrer europäischen Verantwortung gerecht und drückt sich nicht vor einer klaren Stellungnahme. Die heißt: Wir wollen die Ukraine als Teil unserer Gemeinschaft.

Brüssel sendet mit seiner Empfehlung ein klares Signal an Moskau und setzt damit dem blutigen Geschichtsrevisionismus Putins eine deutliche Botschaft entgegen. Der Kriegsherr spricht der Ukraine die Existenzberechtigung als Staat ab und will sie zu einem Teil seines großrussischen Phantasiereichs machen. Würde die EU in dieser Lage Kiew nicht den Tür nach Europa öffnen, wäre das für den Kremlherrscher ein Triumph nach der Devise: Seht her, der Westen will euch ja gar nicht! Und deswegen gehört ihr auch zu uns.

Noch wichtiger ist das Signal an Kiew

Geopolitisch betrachtet - vor allem mit Blick auf die Zukunft Europas und die einer halbwegs regelbasierten Weltordnung - konnte die Kommission nicht anders entscheiden. Man muss nur hoffen, dass Zickigkeiten einiger Mitgliedsländer das Bild der Einigkeit nicht noch zerstören. Bis zum Gipfel in einer Woche haben Österreich und andere noch Zeit, ihre Prioritäten zu überprüfen und ihre grundsätzlichen Bedenken gegen weitere EU-Mitgliedsländer beiseite zu legen. Alle Angst vor den Kosten und anderen Auswirkungen muss derzeit zweitrangig sein. 

Barbara Wesel ist Europa-Korrespondentin in Brüssel

Die Ukraine und ihre Bürger brauchen in dieser schweren Lage jede denkbare Unterstützung. Dazu gehören Waffen, Geld, humanitäre Hilfe und politische Rückenstärkung. Und dabei ist das wichtigste Signal für die kämpfenden Menschen die Einladung in die Europäische Union. Bei den Kämpfen auf dem Maidan im Winter 2013/14 hatten sich Demonstranten gegen die damalige pro-russische Regierung in blaue EU-Fahnen gehüllt. Die Hoffnung auf einen, wenn auch langen Weg nach Westen und nach Europa ist innerer Antrieb für viele, die Putins Zerstörungsfeldzug seit mehr als drei Monaten so mutig entgegentreten.

Auch für Präsident Selenskyj ist das positive Zeichen aus Brüssel überlebenswichtig. Er hat seinen Bürgern viel versprochen und mutet ihnen zu, durch ein Tal von Blut und Tränen zu gehen. Er muss wenigstens das Eine liefern - die Zusage einer echten europäischen Perspektive. Alles andere wäre auch für ihn ein politisches Desaster.

Es ist (gerade) noch Zeit für innere Reformen

Die Signale, die von der Empfehlung der EU-Kommission ausgehen, müssen allerdings endlich auch nach Innen ernst genommen werden. In internationalen Kommentaren, die den Beschluss in Brüssel loben, tauchen die nötigen Reformen der EU häufig nur im Nebensatz auf. Dabei liegt genau hier der Hund begraben und der Teufel im Detail des aufgeschobenen und ewig vertagten Reformprozesses.

So wie die EU derzeit konstituiert ist, ist sie nämlich nicht imstande, die Ukraine aufzunehmen. Viele Entscheidungsprozesse sind schon jetzt blockiert und vor allem muss die leidige Einstimmigkeit in zahllosen Einzelfragen endlich abgeschafft werden. Das ist dringend, denn gerade scheiterte erneut die Direktive zur Mindeststeuer für internationale Großunternehmen - diesmal am Einspruch Ungarns.

Emmanuel Macron als Treiber und Impulsgeber?

Abgesehen davon, dass Dauerblockierer, Anti-Demokrat und Putin-Freund Viktor Orban endlich mit dem Stimmrechtsentzug belegt und auf die Reservebank verbannt werden sollte - auch die Regierung in Polen muss sich überlegen, wer und was sie sein will: Erpresser in den EU-Ministerräten oder Vorkämpfer für die Unterstützung der Ukraine und ihrer späteren EU-Mitgliedschaft?

Einer von den Großen in der EU muss den überfälligen Reformprozess jetzt in die Hand nehmen. Leider erscheint Berlin hier als Totalausfall - bliebe nur noch der französische Präsident. Wenn Emmanuel Macron nicht innenpolitisch zerrieben wird, könnte er einen Teil seiner Kraft in den nächsten Jahren den dringend nötigen inneren Reformen Europas widmen. Schließlich weiß er bessere als andere: Europa kann nicht bleiben wie es ist, wenn es eine Zukunft - in einigen Jahren mit der Ukraine - haben will.

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