Ein Zeichen der Hoffnung
Es ist geradezu hörbar, wie die Welt aufatmet. Mit den Männern und Frauen, die der designierte amerikanische Präsident als Teil seines künftigen Kabinetts am Dienstag vorgestellt hat, ist der Weg für einen radikalen Kurswechsel der US-Politik vorgezeichnet.
Endlich. Künftig werden nicht mehr die Diskussionen um den irrsten Tweet und die schrillsten Verschwörungstheorien die Berichterstattung aus und über die USA dominieren. Es wird wieder um Inhalte gehen. Um politische Strategien und Konzepte. Es wird wieder über Multilateralismus diskutiert werden, über globale Allianzen und gemeinsame politische Ziele auf der internationalen Agenda. Die Frage nach dem richtigen Umgang mit China wird auf der Tagesordnung bleiben, aber es wird nicht mehr nur um Muskelspiele gehen. Dasselbe gilt für Kuba, Venezuela, Iran, Afghanistan und all die anderen großen außenpolitischen Krisenherde.
Kluge Menschen mit langjähriger Erfahrung
In diesem Moment ist erneut etwas vom alten und jetzt wieder aktuellen Amerika zu spüren: Ein Land, in dem die politischen Führungskräfte sich als Experten in ihrem Feld behauptet haben - mit Klugheit und Wissen, aber vor allem auch mit langjähriger Erfahrung.
Da ist Antony Blinken, ein langjähriger Diplomat, der fest an globale Allianzen glaubt und so China die Stirn bieten möchte. Oder Janet Yellen, die als erste Frau das Finanzministerium leiten wird. Alejandro Mayorkas ist als Chef des Ministerium für Heimatschutz ein Mann, der einst selbst aus Kuba einwanderte und nun unter anderem auch für die amerikanisch-mexikanische Grenze verantwortlich sein wird. In Europa sorgt vor allem auch die Wahl von John Kerry als Klima-Beauftragter für Freude. Mit einem der Architekten des Pariser Klimaabkommens hat Joe Biden einen erfahrenen Mann an seiner Seite, der sich seit Jahren voll und ganz dem Kampf gegen die Klimakrise verschrieben hat. Und der als bestens vernetzter Mann von Welt wichtige Bündnisse allein durch seine persönlichen Verbindungen schmieden kann.
Das Kabinett von Joe Biden erinnert nicht nur an die alte Führungsrolle der USA in der Welt, die oft von Ideologien und Prinzipien geprägt war. Die Hoffnung ist berechtigt, dass es mehr als eine Neuauflage ist, sondern die Zukunft sogar besser als die Vergangenheit sein kann. Denn das Kabinett ist nicht nur geprägt von Experten, sondern spiegelt in seiner Diversität endlich die US-amerikanische Realität wieder: Afroamerikaner, Latinos, Asiaten und eine ganze Reihe Frauen sind zum ersten Mal in diesem Umfang im Kabinett vertreten. Sie alle werden gewiss ihre spezifischen biografischen Erfahrungen und entsprechenden Kompetenzen einbringen. Was für ein Gewinn!
Joe Biden ist nicht nur der erste gewählte Präsident, der eine nicht-weiße Vizepräsidentin hat, sondern auch der erste Präsident, der die wertvolle Diversität dieses Landes widerzuspiegeln versucht.
Auch Biden wird zugunsten der USA entscheiden
Doch der Weg in die Zukunft wird nicht leicht. Je nachdem, wer die Mehrheit im Senat erlangt, liegt hier eine der größten Herausforderungen für die neue Regierung: Ein Senat mit einer republikanischen Mehrheit wird dem Präsidenten, wo immer es geht Steine in den Weg legen, um seine Vorhaben zu verhindern.
Eine weitere Herkulesaufgabe ist es, die über 70 Millionen Menschen, die für Donald Trump gestimmt haben, für diese Politik zu gewinnen. Sie vom Wert einer international kooperierenden Demokratie zu überzeugen und davon, dass die Diversität des Kabinetts nicht des Teufels ist - sondern schlicht dem Abbild der Realität entspricht.
Es wartet viel Arbeit auf die neue Führung der USA. Vieles kann schief gehen. Und auch diese Menschen werden trotz ihrer großen Erfahrung Fehler machen. Auch sie werden immer wieder zugunsten der ureigenen Interessen der USA entscheiden und sich mithin auch gegen die Wünsche enger Verbündeter stellen. Deswegen gibt es auch keinen Anlass für vorbehaltloses, naives Lob - aber gleichwohl für eine spürbare Erleichterung.