Der neue Gedenktag zum Ende der Sklaverei in den USA ist zwar richtig. Doch hilfreicher gegen den strukturellen Rassismus wäre ein Gesetz gegen Polizeigewalt gewesen, meint Johanna Soll.
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Die USA haben einen neuen Feiertag – einen zweiten Unabhängigkeitstag: Juneteenth am 19. Juni. Hierbei handelt es sich um den Gedenktag zur Befreiung der afroamerikanischen Bevölkerung aus der Sklaverei.
An jenem Tag im Jahr 1865 gab Gordon Granger, ein General der Armee der Nordstaaten, in Galveston, Texas das offizielle Ende der Sklaverei bekannt – Der zweite Genozid der Vereinigten Staaten von Amerika nach der Vertreibung und Unterdrückung der indigenen Bevölkerung.
Zuletzt war dies in Texas der Fall – wohlgemerkt der erste Bundesstaat, der Juneteenth 1980 zu einem Feiertag erklärte. Doch ausgerechnet das Landesparlament von Texas hat nun ein Gesetz erlassen, das es Sozialkundelehrern an staatlichen Schulen de facto untersagt, Rassismus im Unterricht anzusprechen. Nahezu zeitgleich, da Juneteenth im ganzen Land zum Feiertag wird, scheint die texanische Landesregierung unbedingt verhindern zu wollen, dass über die Gräueltaten der Sklaverei und den noch immer anhaltenden, massiven anti-schwarzen Rassismus in den USA aufgeklärt wird.
Tödliche Polizeigewalt
Dabei haben sich die Rassismus-Probleme von heute seit dem Ende der Sklaverei nicht wesentlich verändert. Sie spiegeln sich in exzessiver, viel zu oft auch tödlicher Polizeigewalt und im Wohlstandsgefälle zwischen weißen und schwarzen US-Amerikanern wider.
Zwar hat die Black-Lives-Matter-Bewegung, insbesondere seit dem Mord an George Floyd, maßgeblich dafür gesorgt, Rassismus und vor allem Polizeigewalt gegen Schwarze in den öffentlichen Fokus zu rücken. Es ist vor allem der Antirassismus-Bewegung zu verdanken, dass Juneteenth nun zum nationalen Feiertag in den USA wurde.
George Floyds Tod bewegt die Welt
Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd bringen immer mehr Menschen ihre Wut über die systematischen Misshandlungen von Schwarzen zum Ausdruck - zum Teil auch mit gewaltsamen Protesten.
Bild: picture-alliance/newscom/C. Sipkin
"Ich kann nicht atmen"
Die Proteste gegen Polizeigewalt gegen Schwarze haben sich von Minneapolis aus schnell in andere Städte wie New York City verbreitet, wo auch diese Frau auf die Straße ging. Die Demos begannen Anfang der Woche, nachdem ein Polizist George Floyd, einem 46-jährigen Schwarzen, Handschellen angelegt und ihm sein Knie in den Nacken gedrückt hatte - bis Floyd schließlich aufhörte zu atmen und starb.
Bild: picture-alliance/newscom/C. Sipkin
Ruhigere Demos, heftige Ausschreitungen
Am Samstag verliefen die Kundgebungen meist friedlich, im Laufe der Nacht eskalierten sie jedoch teilweise. In Washington, D.C. , wo auch dieser Mann kniete, war die Nationalgarde vor dem Weißen Haus stationiert. Mindestens ein Mensch starb bei Schießereien in Indianapolis. In New York fuhren zwei Polizei-Fahrzeuge in eine Menschenmenge.
Bild: picture-alliance/ZUMA/J. Mallin
Ausgeraubt
Ein Mann trägt eine Kette aus einem zerstörten Laden: In einigen Städten, darunter Los Angeles, Atlanta, New York, Chicago und Minneapolis, haben sich die Proteste in Ausschreitungen verwandelt; Menschen plünderten und demolierten lokale Geschäfte und Betriebe.
Bild: picture-alliance/AP Photo/C. Pizello
Wer hat Schuld?
Präsident Donald Trump hat damit gedroht, das Militär zur Niederschlagung der Proteste zu entsenden. Seine Regierung werde die Gewalt endgültig stoppen. Trump schob die Schuld an den Ausschreitungen angeblich linksextremen Gruppen zu. Der Gouverneur von Minnesota, Tim Walz, sagte Reportern, er habe mehrere unbestätigte Berichte über weiße Rassisten gehört, die die Gewalt schürten.
Bild: picture-alliance/ZUMA/K. Birmingham
Medien im Fadenkreuz
Viele Journalisten, die über die Proteste berichteten, wurden selbst zur Zielscheibe. Am Freitag wurden ein CNN-Korrespondent und seine Crew bei der Berichterstattung in Minneapolis verhaftet, mehrere Reporter wurden von Geschossen getroffen oder während der Sendung festgenommen. Stefan Simons von der DW wurde von der Polizei beschossen, als er sich darauf vorbereitete, auf Sendung zu gehen.
Bild: Getty Images/S. Olson
Ein Protest geht um die Welt
Auch in den kanadischen Städten Vancouver und Toronto gehen immer mehr Menschen gegen allgegenwärtigen Rassismus auf die Straße. Sie erinnern dabei auch an Regis Korchinski-Paquet. Die dunkelhäutige Frau war am Mittwoch vom Balkon ihrer Hochhaus-Wohnung gefallen, in der sie sich zuvor alleine mit Polizisten aufgehalten hatte. Die Beamten sollten der psychisch angeschlagenen Frau helfen.
Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Shivaani
Auch in Deutschland wächst die Wut
Am Berliner Mauerpark wird mit einem Graffito an den gewaltsamen Tod von George Floyd erinnert. Seine verzweifelten Worte "I can't breathe" - "Ich kann nicht atmen" - gingen als Twitter-Hashtag um die Welt. Am Samstag demonstrierten zudem Tausende vor der US-Botschaft in Berlin.
Bild: picture-alliance/AP Photo/M:.Schreiber
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Ein nationaler Feiertag, an dem landesweit dem Ende der Sklaverei gedacht werden soll, ist zwar richtig und wichtig, hilft aber in der Praxis erst einmal nicht weiter. Hilfreicher wäre es gewesen, wenn der US-Kongress stattdessen das bereits designierte Polizeireformgesetz verabschiedet hätte.
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Republikanern mauern
Dieses sieht rechtsstaatliche Standards vor, die eigentlich selbstverständlich sein sollten: Haftungserweiterungen bei Fehlverhalten von Polizisten, Antidiskriminierungsrichtlinien und -trainingsprogramme, ein Verbot von Würgegriffen und dem Druck auf die Halsschlagader, sowie die Anwendung tödlicher Gewalt nur als allerletztes Mittel.
Doch die Republikaner im Kongress stemmen sich vehement gegen die Verabschiedung eines solchen Gesetzes. Solange der systemische Rassismus in den USA nicht mit geeigneten Maßnahmen gesetzlich bekämpft wird, gibt es für die afroamerikanische Bevölkerung im Land nichts zu feiern.
Mehr als 150 Jahre nach der Abschaffung der Sklaverei werden schwarze Menschen in den USA noch immer wie Menschen zweiter Klasse behandelt – höchstens. Ein Feiertag wie Juneteenth ändert daran nichts.