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Katholische Kirche an der Wegscheide

19. September 2021

In Deutschland und Rom stehen wichtige kirchliche Termine an. Sie werden mit darüber entscheiden, welche Zukunft die katholische Kirche noch hat, meint Christoph Strack.

"Der Eichelbischof" des Künstlers Jacques Tilly vor dem Hauptportal des Kölner DomsBild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Die katholische Kirche steckt tief in der Krise: Missbrauch, Abgehobenheit, ideologische Verabsolutierung eines Priesterbildes und Autoritätsverständnisses, das ins 19. Jahrhundert passte und die Gestalt des Papstes überhöhte. Global gesehen ist die Problemlage nicht in allen Regionen identisch. Aber im Grundsatz stellen sich diese Fragen weltweit. 

Der katholische Terminkalender

Nun stehen in den nächsten Tagen und Wochen kirchlicherseits drei Termine an, die in Deutschland und der Weltkirche wegweisend sein können - so oder so. 

Zunächst von Montag bis Donnerstag (20.-23.9.) die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischöfe in Fulda. Der Kreis verunsicherter Würdenträger löst gerne Probleme durch Verdrängen oder Vertagen - bis zum nächsten Mal. Die politische und gesellschaftliche Relevanz der Bischöfe ist jedenfalls dahin.

DW-Kirchenexperte Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Dann in der Woche darauf (30.9.-2.10.) die zweite Vollversammlung des Synodalen Weges, der über alle offenen Fragen - zum Beispiel über Kirche und Macht oder Kirche und Sexualität - spricht. Und mehr nicht. Ändern kann dieses Forum nichts. Aber schon das Sprechen und Abstimmen ist reaktionären Kräften zu viel.  

Schließlich nochmals eine Woche später (9.-10.10.) in Rom der Start eines weltweiten Synodalen Prozesses. Papst Franziskus will ein Nachdenken über Grundfragen von Kirche, über die sogenannte Synodalität, diesen gemeinsamen Weg von Kirche, dem "wandernden Volk Gottes". Wobei der so große theologische Begriff des jüngsten Konzils heute fast anmaßend klingt. Drei Termine - eine Intention: Die Kirche spricht. Spricht mit und über sich selbst. 

Diskurs-Simulation

Nun ist es so eine Sache mit dieser Synodalität und dem Dialog. Mit Blick auf den Synodalen Weg der deutschen Katholiken sprechen nicht wenige kundige Kritiker seit längerem von Diskurs-Simulation oder "betreutem Diskutieren". Die Hierarchie der katholischen Kirche hat seit mehr als 50 Jahren einen feinen Stil entwickelt, jeden mehr oder weniger geistlich geprägten Dialog von Anfang an zu erschweren und ihn dann folgenlos zu den Akten zu legen. Oder gleich zu beerdigen. 

Das gilt auf deutscher Ebene, das gilt aber auch weltkirchlich. Phasenweise wirkten die dort erst nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) eingeführten Bischofssynoden wie fest zementierte Bekräftigungs- und Hurra-Veranstaltungen. Alles war vorformuliert, möglichst nichts spontan. Nur darauf ausgerichtet, frischen Zement anzurühren. 

Franziskus nutzt seine Möglichkeiten nicht

Unter Papst Franziskus, der in Interviews ja gern für kreative Unruhe und Aufbruch in der Kirche schwärmt, wurde das anders. Da gab es, medial begleitet, Kontroversen und knappe Abstimmungen - und doch nutzt Franziskus Beschlüsse zu neuen Möglichkeiten bislang nicht. Das ist der Punkt, wo die einen sich enttäuscht zeigen, die anderen auf die Synode zum Thema "Synodalität" von 2023 hoffen. 

Also Warten. Aber bleibt diese Zeit noch? Angesichts all der Skandale und skandalösen Zustände? Missbrauch, klerikale Machtverliebtheit, Herrschaftsmanagement statt geistlicher Freiheit, Ausgrenzung von Frauen. Und das ist ja kein spezifisch deutsches und nicht einmal ein nur mitteleuropäisches Problem.

Jetzt gehen die Engagierten

In den nächsten Jahren zeigt sich, ob die Kirche, die sich stets als Geschenk Gottes an die Menschen versteht, noch die Kraft hat, bei den Menschen zu sein. Viele glauben nicht mehr daran. Sie sind trotz seiner gewiss großartigen Worte und Gesten von diesem Papst enttäuscht. Aus immer mehr Gemeinden sind in den vergangenen Monaten Berichte und Bestürzung zu hören, dass sich mittlerweile auch sehr engagierte Katholikinnen und Katholiken abwenden. Sie haben vielleicht nicht den Glauben verloren, aber den Glauben an die Kirche! 

Es ist nicht sicher, ob die Kirche - falls sie sich denn ändert - in gesellschaftlich prägender Form Bestand haben wird. Aber eins scheint sicher: Falls sie sich nicht ändert, verabschiedet sie sich endgültig von den Menschen.

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