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Politik

Kein Zuckerschlecken für Steinmeier

Porträt eines Mannes, der eine Brille trägt
Bartosz Dudek
17. Juni 2021

Der Besuch des Bundespräsidenten zum 30. Jahrestag des deutsch-polnischen Vertrages fällt in eine schwierige Zeit der bilateralen Beziehungen. Die Polen sind selbstbewusst und energisch geworden, meint Bartosz Dudek.

Bundespräsident Steinmeier stellte sich in Warschau der Diskussion und musste sich kritische Fragen gefallen lassenBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Es war ein Aufbruch. Ein neuer Anfang. Ein Fest des Friedens: Am 17. Juni 1991 setzten Bundeskanzler Helmut Kohl und der damalige polnische Premier Jan Krzysztof Bielecki ihre Unterschriften unter den deutsch-polnischen Freundschaftsvertrag.

Dieser Vertrag war nicht nur ein Meilenstein in der Versöhnung zweier Nachbarländer nach dem Trauma des von Hitler-Deutschland entfesselten Krieges der anschließenden kommunistischen Diktatur in Polen und in Ostdeutschland. Er war auch ein Meilenstein der europäischen Geschichte, ähnlich wie seinerzeit der Elysee-Vertrag mit Frankreich.

Vom Musterknaben zum Sorgenkind

Ja, es war ein Stück Kühnheit und Vision: Das vereinigte Deutschland sicherte dem demokratisch gewordenen Polen Unterstützung bei der Heranführung an den Westen zu. Damit wurden die Folgen des Hitler-Stalin-Paktes und die in Jalta beschlossene Teilung Europas symbolisch überwunden. Polen sollte fortan mit deutscher Unterstützung seinen Platz unter den westlichen Demokratien zurückgewinnen.

Bartosz Dudek leidet die Polen-Redaktion der DW

30 Jahre später ist das Bild ambivalent. Ja, Polen ist Mitglied der NATO und der Europäischen Union geworden. Ja, es hat einen festen Platz am europäischen Tisch. Deutschland hat daran kräftig mitgewirkt und nicht zuletzt auch mitverdient. Polen ist heute einer der größten Handelspartner Deutschlands überhaupt.

Andererseits wird Polen seit dem Sieg des national-konservativen Lagers von Brüssel, Paris oder Berlin mit Sorge beobachtet. Die laufenden EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen der umstrittenen Justizreform stellen dem Land ein schlechtes Zeugnis aus. Regierungskritische Medien werden unter Druck gesetzt. Aus dem einstigen Musterknaben ist ein Sorgenkind geworden. Ist Polens Regierung wirklich noch an den europäischen Werten interessiert? Oder ist die EU für sie nur ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, respektive ein Geldautomat für den polnischen Staatshaushalt? Solche Fragen sind mehr als berechtigt.

Früchte des Vertrages von 1991

Dennoch ist der Besuch Frank-Walter Steinmeiers zum 30. Jubiläum des deutsch-polnischen Vertrages in Warschau das richtige Signal - auch wenn der Bundespräsident sich unangenehmen Fragen und Bemerkungen der Gastgeber stellen musste. Manches, wie das umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2, über das Warschau zu Recht verärgert ist, betrifft die Gegenwart. Anderes noch immer die Geschichte: Polen möchte, dass der Gedenkort für die polnischen Opfer des Zweiten Weltkrieges in Berlin bereits 2024 eingeweiht wird. Es fordert außerdem die Rückgabe der von Nazi-Deutschland geraubten Kulturgüter. Auch wenn all das seine Berechtigung hat: Ein schwieriges Terrain für den Bundespräsidenten, der - so will es das Grundgesetz - wenig Einfluss auf die Tagespolitik hat.

Warschau ist in jüngster Zeit viel selbstbewusster und energischer geworden. Dagegen ist nichts einzuwenden, Differenzen sollen offen ausgetragen werden. Vielleicht ist das auch eine Frucht des Vertrages von 1991: Man hat sich inzwischen besser kennengelernt und begegnet sich nun auf Augenhöhe. Steinmeiers Gastgeber, Polens Präsident Andrzej Duda, hat keinen Hehl daraus gemacht: Das Treffen mit dem Bundespräsidenten war kein Zuckerschlecken. Man wolle aber trotz aller Unstimmigkeiten die Beziehungen weiter vertiefen. Immerhin.

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