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Gescheiterter Ringtausch

Porträt eines Mannes mit blauen Augen in Hemd und Jacket, im Hintergrund ist der Majdan-Platz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew zu erkennen
Frank Hofmann
26. Juli 2022

Die Regierungen in Ostmitteleuropa sind enttäuscht von Berlin, das seine Zusagen nicht einhält. Vor allem die Kanzlerpartei SPD schadet massiv dem Ansehen Deutschlands, meint Frank Hofmann.

Immer mehr Zerstörung: Die Ukraine braucht zur Verteidigung Panzer und andere schwere WaffenBild: Bulent Kilic/AFP/Getty Images

Da ist es wieder: das Unvermögen der deutschen Regierungspolitik, vor allem der den Kanzler stellenden deutschen Sozialdemokratie, im sensiblen Umgang mit den Interessen der Länder Ostmitteleuropas. Polen sollte für 200 an die Ukraine gelieferte Panzer sowjetischer Bauart in einem sogenannten Ringtausch Ersatz vom NATO-Partner Deutschland erhalten. Doch die Gespräche hinter den Kulissen sind offensichtlich gescheitert. Das machte der polnische Vize-Außenminister Szymon Szynkowski vel Sęk am Wochenende gegenüber dem Magazin Der Spiegel öffentlich.

Zuvor musste das deutsche Verteidigungsministerium bereits gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eingestehen, dass auch mit anderen für einen Ringtausch vorgesehenen Ländern wie Tschechien und der Slowakei immer noch keine Vereinbarung über die Lieferung von Panzern gibt. Und das mehr als drei Monate nachdem die deutsche Verteidigungsministerin Christine Lambrecht und Bundeskanzler Olaf Scholz genau dieses Vorgehen vollmundig angekündigt hatten. Es wird der Geheimhaltung wegen noch etwas dauern, bis alle Details dieses Scheiterns öffentlich werden.

Zeithistorisch sensibler Punkt

Allein daran, wie das Scheitern in Warschau bekannt gemacht wurde, lässt sich politisch ablesen, was hier schief läuft: Es ist ganz offensichtlich das tiefsitzende Unvermögen vor allem der SPD, den Blickwinkel der EU- und NATO-Partner östlich der Oder einzunehmen und entsprechend sensibel zu agieren. Und das trotz des krachenden Scheiterns der jahrzehntelang von den Sozialdemokraten gepflegten Russland-Politik, vor allem aber der Energiepolitik, die nicht zuletzt auch die langjährige christdemokratische Kanzlerin Angela Merkel betrieben hat.

DW-Korrespondent Frank Hofmann Bild: DW

Deutschland verspielt sein Ansehen in Ostmitteleuropa immer weiter. Und das ausgerechnet an einem der historisch sensibelsten Punkte im Verhältnis mit seinen östlichen Nachbarländern. Denn nach Artikel 51 der UN-Charta hat die demokratisch gewählte Regierung in Kiew das Recht, sich mit Gewalt gegen den Angriff Russlands zu verteidigen. Mehr noch: Die baltischen Staaten (vorneweg Litauen), aber auch Polen, Tschechien und die Slowakei interpretieren aus ihrer geschichtlichen Erfahrung das Selbstverteidigungsrecht noch weiter: Wer einem Angegriffenen nicht hilft, macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig - auch als Teil der friedlichen Völkergemeinschaft. Deshalb hat Polen so schnell wie möglich 200 Panzer aus sowjetischer Produktion in die Ukraine geschickt.

Aus Deutschland hingegen hört man mehr Zögern als Tatendrang. Aus Militärkreisen wird immer wieder kolportiert, die Ukrainer könnten mit westlichen Waffensystemen gar nicht umgehen - deshalb sei der angestrebte Ringtausch die beste Lösung gewesen. Dabei erzielt die ukrainische Armee mit dem von den USA geliefertem Artilleriesystem HIMARS gerade wichtige Erfolge und hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Wochen 50 feindliche Munitionsdepots im von Russland besetzten Gebiet ihres Landes zerstören können. 

Absurdes Zögern

Vor diesem Hintergrund nimmt sich die in Teilen der deutschen Sozialdemokratie gelebte Zurückhaltung bei der Lieferung westlicher Waffen an die Ukraine geradezu absurd aus. Die Freiheit Europas wird gerade in Osteuropa verteidigt, militärisch in der Ukraine. Es liegt also im Interesse aller, vorneweg Deutschlands, dass der Aggressor Russland diesen Krieg nicht gewinnt.

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In der historischen Betrachtung ist es unstrittig, dass bei der Untersuchung eines Krieges immer zuerst gefragt wird: Wer hat die Gewalt entfesselt? Im September 1939 waren es Deutsche, die im Auftrag Hitlers Polen überfielen. Im Jahr zuvor hatte das Deutsche Reich mit dem Münchner Abkommen über den Kopf der Tschechoslowakei hinweg die Annexion des Sudentenlands erzwungen und wenige Monate später weitere Teile des Landes besetzt.

Deutschland beschädigt sich selbst

Vor diesem Hintergrund hat sich die Weltgemeinschaft nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Artikel 51 der UN-Charta geeinigt. Für die im Zweiten Weltkrieg zwischen Hitler-Deutschland und Stalins Sowjetunion zerriebenen Länder Ostmitteleuropas ist er die völkerrechtliche Rückversicherung, in Freiheit und Demokratie leben zu können. Jede deutsche Zurückhaltung wird in Ostmitteleuropa aus dieser Perspektive betrachtet. Polen wird sich jetzt an andere NATO-Partner wenden, um Ersatz für seine in die Ukraine gelieferten Panzer zu erhalten. Der nächste Vertrauensverlust gegenüber Berlin ist da. Mit dieser Politik beschädigt Deutschland seine Position in Europa.

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