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Politik

Corona: Mehr Härte im Lockdown, bitte!

5. Januar 2021

Der Corona-Lockdown in Deutschland wird verlängert und verschärft. Ob das reicht? Viele Monate sind mit einer halbherzigen Strategie verschwendet worden. Das baden wir jetzt aus, meint Sabine Kinkartz.

Bild: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Im November gab es einen Teil-Lockdown, im Dezember wurde daraus ein bisschen mehr Lockdown, aber mit Ausnahmen. Im Januar stellen nun alle konsterniert fest, dass die Infektionszahlen unverändert zu hoch sind und nachgebessert werden muss. Es war falsch, nur die Gastronomie, den Handel und ein paar andere Bereiche zu schließen, Schulen, Kindergärten und den Großteil der Wirtschaft aber geöffnet zu lassen und im Übrigen an die Menschen zu appellieren, sich doch bitte, bitte an die Kontaktbeschränkungen zu halten. Das funktioniert nicht.

Nach wie vor stecken sich zu viele mit dem Corona-Virus an und viel zu viele sterben an oder mit COVID-19. Was für ein Desaster! Ein hausgemachtes dazu, das vor allem zwei Ursachen hat.

Zum einen den deutschen Föderalismus. Eigentlich ist das etwas Gutes. Deutschland besteht aus 16 Bundesländern, die Aufgaben, aber auch die Macht sind auf verschiedenen Ebenen bis hinein in die Gemeinden verteilt. Das sorgt für regionale Vielfalt, stärkt die Demokratie und verhindert Machtmissbrauch.

Infektionsschutz ist Ländersache

In einer Krise ist es allerdings von großem Nachteil, wenn alle mitbestimmen wollen und Entscheidungen davon abhängen, ob sich am Ende 16 Landesfürsten und -fürstinnen mit ihren regionalen Interessen und politischen Eitelkeiten zusammenraufen - oder eben auch nicht. Weil Infektionsschutz hierzulande Ländersache ist, kann die Kanzlerin nur appellieren, anregen und ermahnen. Bestimmen kann sie nicht.

Doch genau das wäre in so großen und weitreichenden Krisen, die die gesamte Republik betreffen, nötig. Hier stößt der Föderalismus an seine Grenzen. Im Zweifel müsste der Bund die Führung übernehmen und einheitliche Regeln vorgeben können. Das muss ja nicht heißen, die Länder komplett politisch von den Entscheidungen auszuschließen. 

Appelle allein reichen nicht

Einheitlichkeit, Nachvollziehbarkeit, Konsequenz, das sind die Voraussetzungen dafür, dass Bürger Regeln akzeptieren und befolgen. Stattdessen weiß inzwischen kaum noch jemand, was wo und warum gilt und wieso man sich im hessischen Wiesbaden anders verhalten darf, als im nur wenige Kilometer entfernten rheinland-pfälzischen Mainz, um nur ein Beispiel zu nennen. Die Stimmung in der Gesellschaft ist zunehmend gereizt und wird angesichts der nur schleppend anlaufenden Impfungen nicht besser. Hier muss die Politik nachbessern.

DW-Korrespondentin Sabine Kinkartz

Es reicht auch nicht aus, die Menschen mit Appellen an die Vernunft durch die Krise führen zu wollen. Niemand ist immer und überall vernünftig. Menschen bewegen sich in den Grenzen dessen, was möglich und machbar ist und entscheiden sich nur selten freiwillig für den Verzicht. Da braucht es klare Ansagen und den Willen, Verbote auch durchzusetzen. Mehr Härte eben.

Die Gefahr wird oft verdrängt

Anfangs hatten die Menschen einfach nur Angst vor dem Virus. Das führte zum Rückzug, man traf sich kaum noch, blieb zu Hause. Im ersten Lockdown im Frühjahr waren Straßen und Autobahnen teilweise wie leergefegt.

Doch es liegt in der Natur des Menschen, sich an Gefahren zu gewöhnen, die reale Bedrohung ein Stück weit zu verdrängen und leichtsinnig zu werden. Saßen zu Ostern noch die meisten allein zu Hause, sah es an Weihnachten und Silvester ganz anders aus. Angetrieben von der Sehnsucht nach wieder mehr Miteinander und auch, weil viele die Pandemie einfach satt haben und sich ihr altes Leben zurückwünschen.

Vor allem viele Eltern sind inzwischen einfach mit ihren Nerven und ihrer Geduld am Ende - insbesondere jene, die in kleinen Wohnungen leben, und deren Kinder ihren Bewegungsdrang in der kalten Jahreszeit nicht ausleben können. Natürlich nutzen sie jede Gelegenheit, um nach draußen zu gehen. Mit Appellen an die Vernunft ist es da nicht getan.

Pflicht für Home-Office

Nicht vergessen darf man die vielen Arbeitnehmer, die gar keine Wahl haben, als täglich unterwegs zu sein. Denn die Wirtschaft läuft in weiten Teilen weiter und zwingt die Menschen in die Betriebe, wo sie zwangsläufig Kontakt miteinander haben. So wie in den Bussen und Bahnen, mit denen sie fahren müssen.

Daran wird sich nichts ändern, denn vom nun bis Ende Januar verlängerten Lockdown bleibt der Großteil der Wirtschaft nach wie vor ausgeschlossen. Allerdings könnte die Politik für alle Bereiche, in denen das möglich ist, Home-Office anweisen und nicht nur an die Wirtschaft appellieren, ihre Arbeitnehmer doch bitte nach Möglichkeit zu Hause arbeiten zu lassen.

Erst Ostern wieder ins Restaurant?

Wahrscheinlich wird das in den nächsten Wochen für viele ohnehin nicht anders gehen. Schulen und Kindergärten sollen frühestens im Februar und dann auch nur langsam und angepasst an das Infektionsgeschehen wieder geöffnet werden.

Das ist auch richtig. Denn viel zu lange wurde das Märchen erzählt, Schulen seien sichere Orte, die in der Pandemie keine Rolle spielen. Die wissenschaftliche Erkenntnis, dass Kinder und Jugendliche sich genauso häufig mit dem Corona-Virus infizieren wie Erwachsene, sickerte viel zu langsam ins politische Bewusstsein durch.

Ende Januar werden wir sehen, ob der nun erneut verschärfte deutsche Lockdown mehr Wirkung zeigt als der bisherige, oder ob auch das nicht ausreicht, um die unkontrollierte Ausbreitung des Virus in den Griff zu bekommen.

Das wäre fatal. Für das Land, die Menschen, die Wirtschaft. Ein Berliner Gastronom erzählte kürzlich, dass er und seine Kollegen die Hoffnung auf ein schnelles Ende des Lockdowns aufgegeben hätten. Vor Ostern werde das nichts mit einer Wiedereröffnung, da sei er sich sicher. Was für ein Desaster!

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