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Politik

Mexikos Jahr der Entschuldigungen

Herrera Pahl Claudia Kommentarbild App
Claudia Herrera-Pahl
10. Mai 2021

Mexiko gedenkt aktuell des 500. Jahrestages der Eroberung durch die Spanier und 200 Jahren Unabhängigkeit. Doch den historischen Gesten des Präsidenten fehlt etwas Entscheidendes, meint Claudia Herrera-Pahl.

Wandmalerei aus einem Maya-Tempel in MexikoBild: picture-alliance/H. Mahr

Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador hat vor einigen Tagen etwas getan, was er schon vor zwei Jahren angekündigt hatte: Auf der Halbinsel Yukatán entschuldigte er sich beim Volk der Maya für die Misshandlungen, die ihm in den fünf Jahrhunderten seit der spanischen Eroberung angetan wurden.

Es wird nicht nur bei dieser einen Entschuldigung bleiben, die mexikanische Regierung hat noch weitere vorgesehen: Zusätzlich zur Zeremonie am 3. Mai für die Mayakulturen wird es eine am 17. Mai für die chinesische Minderheit in Mexiko und eine weitere am 28. September für die Yaqui-Indianer in Sonora geben. Und der 28. September wird als Tag Unabhängigkeit auch offiziell zum Tag der allgemeinen Vergebung.

Ebenso notwendig wie selbstverständlich

Sich zu entschuldigen und die Ureinwohner um Verzeihung zu bitten für die Massaker und die Beinahe-Ausrottung ihrer Kulturen durch die Regierungen Spaniens und Mexikos ist ebenso notwendig wie selbstverständlich. Überraschend ist eher, dass dies nicht schon viel früher geschehen ist.

Claudia Herrera-Pahl stammt aus Mexiko und leitet die Spanische Online-Redaktion

Gut Ding will Weile haben, könnte man sagen. Aber in diesem Fall sollte das Ergebnis auch wirklich gut sein. Heißt: Aufrichtig gemeint und nicht nur eine leere Show nach der die Indigenen wieder einmal vergessen und an den Rand gedrängt werden. Denn das wäre mehr als nur beklagenswert. Es wäre eine Fortschreibung des Rassismus, der Diskriminierung und der Verachtung.

Wenn der Sinn einer Bitte um Vergebung sein soll, Vertrauen aufzubauen und die nationale Identität zu stärken, dann bleibt das unmöglich, wenn diese Geste einer Realität verpflichtet bleibt, die gar nicht aus den Fehlern der Vergangenheit lernen will. Zu einer Entschuldigung gehört außerdem auch jemand, der die Entschuldigung annimmt. Doch die kategorische Antwort der Maya-Anführer kam prompt und unmissverständlich: "Herr Präsident, wir akzeptieren ihre Entschuldigung nicht!"

Nicht nur spät, auch unaufrichtig

Was nützt es also, um Vergebung für vergangene Untaten zu bitten, wenn der Raubbau am Lebensraum der Indigenen jeden Tag mit immer größerer Gewalt und Intensität vorangetrieben wird? Wenn ihre heiligen Bäume für gigantische Tourismusprojekte abgeholzt werden? Wenn die Konzessionen für den Anbau von Nutzpflanzen und der Einsatz von Pestiziden das Grundwasser verseuchen, aus dem sie ihr Wasser beziehen?

Um Vergebung zu bitten, würde nur dann sinnvoll, wenn man aufhören würde, dem Volk der Maya hier und heute zu schaden und sie entschädigen würde. Bisher deutet alles darauf hin, dass die vielen Entschuldigungen seitens der mexikanischen Regierung in diesem Gedenkjahr nicht nur viel zu spät, sondern auch sehr unaufrichtig daherkommen.

Jubiläumsjahr ohne die einstige Kolonialmacht

Es ist offensichtlich, dass das heutige Mexiko ohne die Ankunft der Spanier vor 500 Jahren nicht existieren würde. Genauso unbestritten ist, dass Spanien ohne seine historische Präsenz in Mexiko und Lateinamerika nicht das wäre, was es heute ist. Die Gelegenheit, diese Vergangenheit - so magisch und tragisch zugleich sie auch ist - besser kennenzulernen, zu akzeptieren und gemeinsam zu verarbeiten, sollte nicht vertan werden. Doch genau dies geschieht leider gerade. Im Jubiläumsjahr 2021 ist keine Entschuldigung aus Europa zu erwarten, denn Spanien wurde von der mexikanischen Regierung offiziell von den Gedenkfeiern ausgeschlossen. Im März 2019 schickte der mexikanische Präsident López Obrador zwar Briefe an den König von Spanien und Papst Franziskus mit der Bitte, die Gewalttaten und Verbrechen durch Schwert und Kreuz während der Eroberung anzuerkennen und gemeinsam mit ihm bei den indigenen Völkern um Vergebung zu bitten. Doch die Aktion wurde sofort publik. Und sie schlug ein wie eine Bombe.

Während Spanien sich kategorisch weigerte, überhaupt zu reagieren, beschränkte sich der Vatikan auf den Hinweis, dass Franziskus, der erste Papst aus Lateinamerika in der Geschichte der katholischen Kirche, bereits im Juli 2015 während seiner Reise nach Bolivien die vielen und schweren Sünden anerkannt hatte, die im Namen Gottes an den indigenen Völkern Amerikas begangen wurden.

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Zweifellos sollte man sich in Spanien ehrlich machen und all die Gräueltaten aufarbeiten, die im Namen der spanischen Krone nicht nur in Mexiko begangen wurden. Und auch dem Vatikan sollte klar sein, dass ein beiläufig ausgesprochenes "Pardon" für die Verbrechen an den Ureinwohnern während der Missionierung Amerikas nicht ausreicht.

Doch wenn nicht dieses Jubiläumsjahr 2021 eine gute Gelegenheit für eine aufrichtige und ernst gemeinte Aufarbeitung samt Entschuldigung ist - wann dann? Es wäre gut, nicht noch weitere 200 oder 500 Jahre darauf warten zu müssen, dass den schönen Worten auch konkrete Taten folgen.

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