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PolitikGlobal

Mittelalterliche Ratschläge zur Abtreibung sind perfide

Deutschland Mirjam Gehrke
Mirjam Gehrke
18. Juli 2022

Im Netz kursieren Tipps für Schwangerschaftsabbrüche mit Pflanzen und Kräutern. Eine mittelalterlich anmutende Reaktion auf die Entscheidung des US-Supreme Court, das Recht auf Abtreibung zu kippen, meint Mirjam Gehrke.

Pflanzen wie die Traubensilberkerze werden in sozialen Netzwerken als natürliches Abtreibungsmittel angepriesen - die Risiken werden verschwiegenBild: Manfred Ruckszio/Zoonar/picture alliance

Wir schreiben das Jahr 2022, das Weltraumteleskop James Webb hat gerade die ersten Farbbilder aus der Tiefe des Weltalls an die Erde übermittelt. Der Mensch als Macher des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts dringt bis in die unergründlichen Tiefen des Weltalls vor.

Und hier auf Erden wird in diesem Jahr 2022 (wieder) verstärkt die Frage diskutiert, ob man mit Petersilie oder Papaya eine ungewollte Schwangerschaft beenden kann. Es ist zum Verzweifeln: In sozialen Netzwerken werden zunehmend Tipps und vermeintlich gute Ratschläge zur Anwendung von Kräutern und Pflanzen verbreitet, mit denen man angeblich eine Abtreibung zu Hause durchführen kann. Das Mittelalter lässt grüßen! Es ist kein Zufall, dass dieser neue Trend in den Sozialen Medien gerade jetzt an Fahrt aufnimmt, nachdem der Oberste Gerichtshof in den USA das in der Verfassung verankerte Recht auf Abtreibung gekippt hat - eine nicht minder mittelalterliche Entscheidung. Wie verzweifelt muss eine Frau, die ungewollt schwanger ist, sein, um zu derartig riskanten Methoden zu greifen? Von der Perfidie von sogenannten Influencerinnen, die solche vermeintlich hilfreiche "Informationen" in sozialen Netzwerken im Umlauf bringen, ganz zu schweigen. Oder ist es einfach Ignoranz?

Gründe für einen Schwangerschaftsabbruch ernst nehmen

DW-Redakteurin Mirjam Gehrke

Aus Daten von Hilfsorganisation, die Frauen in Konfliktsituationen beraten, geht hervor, dass es vier Hauptgründe gibt, warum Frauen eine ungewollte Schwangerschaft abbrechen wollen: biographische Gründe, wie zum Beispiel eine Schwangerschaft zum falschen Zeitpunkt, Partnerschaftsprobleme, persönliche Überlastung oder medizinische Gründe.

In all diesen Fällen sind Beratung und Aufklärung gefragt. Dazu gehört auch, dass die Einnahme von bestimmten Kräutern und Pflanzen mit sehr hohen Risiken für das Leben und die Gesundheit der Schwangeren und des Fötus verbunden sind, und dass sie deshalb als Abtreibungsmethode auf keinen Fall in Frage kommen.

Information und Aufklärung

Gerade erst hat der Deutsche Bundestag das sogenannte Werbeverbot für Abtreibungen gekippt. Allein schon der Begriff Werbung war in diesem Zusammenhang grob irreführend. Der jetzt aus dem Gesetz gestrichene Paragraph 219a Strafgesetzbuch drohte Frauenärztinnen und -ärzten mit Strafverfolgung, wenn sie über verschiedene sichere Methoden des Schwangerschaftsabbruchs öffentlich - also etwa auf ihrer Homepage - informierten. Es war höchste Zeit, dass dieses Verbot aufgehoben wurde. Wir schreiben, wie gesagt, das Jahr 2022. Seit Jahrzehnten fordern Frauen bereits eine Änderung des Abtreibungsrechts in Deutschland. Sie haben jetzt immerhin einen kleinen Erfolg errungen.

In rund 20 Ländern weltweit ist ein Schwangerschaftsabbruch ausnahmslos und bei Strafe verboten

Weltweit haben sich feministische Bewegungen in den vergangenen Jahren viele Fortschritte bei den Frauenrechten in Bezug auf Abtreibung erkämpft, zum Beispiel in Argentinien und Kolumbien, in Sierra Leone und Benin. Dennoch gibt es noch rund 20 Länder, in denen ein absolutes Abtreibungsverbot gilt. Das heißt, auch nach einer Vergewaltigung und selbst wenn das eigene Leben der Frau in Gefahr ist, wird ihr die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs verwehrt.

Gefährlicher Antifeminismus

Wer Frauen in solchen Notsituationen vermeintlich gut gemeinte Tipps zur "natürlichen" Abtreibung gibt, tut nichts anderes, als diese rigiden frauenfeindlichen Regelungen zu stärken. Statt den Protest offen auf die Straße zu tragen und die Frauen zu ermutigen, ihre Rechte einzufordern, werden sie mit ihren Problemen allein gelassen und unsichtbar gemacht. Keine Frau trifft diese Entscheidung leichtfertig.

Das Thema Schwangerschaftsabbruch muss endlich aufhören, ein Tabu zu sein. Nur dann wird es möglich sein, obskuren und gefährlichen "Tipps" von selbsternannten Kräuterhexen zu begegnen.

Influencerinnen, die in sozialen Netzwerken derartigen Unsinn verbreiten, sollten sich ernsthaft fragen, welchen Bärendienst sie da leisten. Sie helfen betroffenen Frauen in Notlagen nicht. Sie leisten keinen Beitrag zur Enttabuisierung des Themas Abtreibung. Sie tragen vielmehr dazu bei, dass ungewollt Schwangere stigmatisiert werden. Hier handelt es sich nicht um einen Akt von Solidarität unter Frauen. Im Gegenteil: Wer derartig gefährlichen Unfug verbreitet, handelt zutiefst frauenverachtend. Dummheit und Ignoranz, deren Verbreitung dank der sozialen Netzwerke grenzenlos ist, sind dafür keine Entschuldigung.

Abtreibung in Europa - verachtet, verheimlicht, verboten

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