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Politik

Mogelpackung? Deutschland stoppt Nord Stream 2 - vorerst

22. Februar 2022

Die Bundesregierung hat die Genehmigung für Nord Stream 2 gestoppt. Tot ist die russisch-deutsche Gaspipeline damit nicht. Deutschland hält sich eine Wiederbelebung und damit eine Hintertür offen, meint Sabine Kinkartz.

Zuverlässig und sicher ist in Sachen Nord Stream 2 nach dem russischen Vorgehen in der Ostukraine gar nichts mehrBild: Hannibal Hanschke/REUTERS

Es klang wie ein Paukenschlag: Während in der Europäischen Union noch darüber diskutiert wurde, welche Sanktionen in welcher Reihenfolge gegen Russland verhängt werden sollten, legte Bundeskanzler Olaf Scholz den deutschen Beitrag auf den Tisch: Die Gaspipeline Nord Stream 2 soll nicht in Betrieb gehen. Der Genehmigungsprozess für das Projekt wird gestoppt.

Dafür ist nicht mehr als ein kleiner Verwaltungsakt nötig. Das Bundeswirtschaftsministerium zieht eine Analyse zurück, in der die Erdgasleitung als wichtig für die deutsche Versorgungssicherheit eingestuft wird. Ohne diese Einstufung darf die zuständige Behörde, die Bundesnetzagentur in Bonn, die Pipeline nicht zertifizieren, also für den Betrieb freigeben.  

Energieversorgung auch ohne Nord Stream 2 sicher

Das Ministerium werde "eine neue Bewertung der Sicherheit unserer Versorgung unter Berücksichtigung dessen vornehmen, was sich in den vergangenen Tagen verändert hat", fügte der Kanzler noch hinzu. Ein Satz, der es in sich hat. Zum einen gibt Scholz damit zu, dass er im Dezember falsch lag, als er behauptete, die Pipeline sei ein "privatwirtschaftliches Vorhaben" und der Genehmigungsprozess "ganz unpolitisch".

DW-Redakteurin Sabine Kinkartz

Zweitens lässt sich Scholz mit diesem Satz eine Hintertür offen. Denn man kann ihn auch so lesen, dass mit jeder Veränderung natürlich die Versorgungssicherheit neu bewertet werden kann. Sollte Russland einlenken, würde sich etwas verändern. Was also spräche dagegen, Nord Stream 2 dann doch zu genehmigen? Zumal die Pipeline fertig gebaut ist, also nur noch in Betrieb genommen werden muss.

Nord Stream 2 bleibt

Das dürfte vor allem den US-Amerikanern gar nicht gefallen. "Wenn Russland zum Beispiel mit Panzern und Truppen die Grenze zur Ukraine überquert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben", hatte US-Präsident Joe Biden beim Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz in Washington formuliert. Wie er das denn schaffen wolle, das Projekt sei doch unter deutscher Kontrolle, hatte ein Journalist nachgefragt. Antwort Biden: "Ich verspreche Ihnen: Das werden wir schaffen."

Nord Stream 2 bleibt. Zwar eingefroren im Status Quo, aber jederzeit bereit für eine Wiederbelebung. So vermeidet der Sozialdemokrat Olaf Scholz auch Ärger in der eigenen Partei. Vor allem die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, hat in der Vergangenheit alles unternommen, um die Fertigstellung der Pipeline zu sichern. In ihrem Bundesland endet Nord Stream auf deutscher Seite. In der derzeitigen Situation bleibt der von Schwesig geführten Landesregierung zwar nichts anderes übrig, als sich hinter den Sanktionskurs der Bundesregierung zu stellen, aber insgeheim hofft man darauf, dass Nord Stream 2 irgendwann doch noch ans Netz gehen kann.

Auch Altkanzler Schröder kann sich freuen

Genau betrachtet, war es also kein Paukenschlag, den Olaf Scholz verkündet hat, sondern vielmehr ein aus seiner Sicht kluger Schachzug. Man könnte es auch eine Mogelpackung nennen. Scholz macht Nord Stream 2 zum deutschen Beitrag der Sanktionen und beweist damit, dass sein Land ein treuer Bündnispartner ist. Gleichzeitig lässt er sich für die Zukunft alle Optionen offen. Verschafft sich sogar den Vorteil, dass er von nun an aktiv darüber entscheiden kann, wie es weitergehen wird.

Am meisten dürfte sich auf deutscher Seite Altbundeskanzler Gerhard Schröder darüber freuen, dass Nord Stream 2 nicht am Ende ist. Ein nicht nur enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sondern ein Sozialdemokrat, der dick im russischen Gasgeschäft ist: Vorsitzender des Gesellschafterausschusses der Nord Stream AG, Präsident des Verwaltungsrats bei der Nord Stream 2 AG, Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft.

Kürzlich wurde Schröder auch noch für den Aufsichtsrat der russischen Gazprom nominiert. Vielleicht, weil Putin hoffte, damit die Entscheidung des sozialdemokratischen Bundeskanzlers beeinflussen zu können. Aber das - so viel ist heute klar - hat Olaf Scholz ganz sicher nicht beeindruckt.