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Putin, Teheran und die Drohnendealer

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp
18. Juli 2022

Dass es beim Besuch Putins in Teheran auch um die Lieferung iranischer Kampfdrohnen gehe, wird offiziell dementiert. Glaubhaft ist das aber nicht, meint Kersten Knipp. Denn beide Länder eint der Kampf gegen Demokratie.

Es geht bei den Gesprächen auch um Drohnen, aber noch um viel mehrBild: Iranian Army Office/ZUMA/IMAGO

Worüber mag gesprochen werden, wenn der russische Präsident Wladimir Putin am Dienstag zu Gesprächen in Teheran eintrifft? Glaubt man den offiziellen Verlautbarungen aus beiden Staaten, dann über eines jedenfalls nicht: über Lieferungen von (Kampf-)Drohnen aus iranischer Produktion nach Russland.

Dass solche Lieferungen vorbereitet würden, hatten vergangene Woche die USA erklärt. Man habe Informationen, dass Iran damit befasst sei, "schnell mehrere hundert unbemannte Luftfahrzeuge bereitzustellen", und zwar auch solche, die Waffen transportieren könnten, so Jake Sullivan, der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden.

"Nein", erklärte demgegenüber Kremlsprecher Dmitri Peskow auf eine entsprechende Journalistenfrage. Über die Lieferung von Drohnen werde nicht gesprochen. Jüngst hatte der iranische Außenminister Hussein Amirabdollahian der Ukraine versichert, sein Land werde keine Drohnen nach Russland liefern. Er sprach von einem "Propagandaakt" der USA.

Die USA hatten am Wochenende allerdings noch einmal erklärt, es gebe entsprechende Pläne. Sullivan zufolge liegen Hinweise vor, dass eine russische Delegation kürzlich mindestens zweimal zu Besuch auf einem Flugplatz in Zentraliran war. Dort habe man sich über das ehrgeizige Drohnenprogramm der Islamischen Republik informiert und sich einige waffenfähige Modelle angeschaut.

Ein Glaubwürdigkeitsproblem

DW-Redakteur Kersten KnippBild: W. Knipp

Im Gegeneinander der Behauptungen haben Russland und Iran allerdings ein Problem: Es besteht wenig Anlass, offiziellen Erklärungen der beiden Staaten zu trauen. Höchste Regierungsvertreter Russlands hatten noch kurz vor dem Angriff auf die Ukraine entsprechende Pläne dementiert - und damit in beispielloser Weise gelogen. Und der Umstand wiederum, dass Iran im Streit über das Atomprogramm des Landes kürzlich zwei Überwachungskameras der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) in einer Urananreicherungsanlage entfernt hat, spricht ebenso wenig für einen vertrauenswürdigen Stil wie die Tatsache, dass die bis dahin gespeicherten Daten dieser Kameras seit Anfang 2021 nicht mehr an die IAEA weitergeleitet werden. Gemessen daran sind die Aussagen beider Länder zu den Themen, die bei Putins Besuch in Teheran erörtert werden, wenig wert.

Feinde von Rechtstaatlichkeit und Demokratie

Dass Iran Russland Drohnen liefern könnte, scheint vor allem aus einem Grund plausibel: Die beiden einander eng verbundenen Regimes - das in Moskau ebenso wie das in Teheran - sind erbitterte Gegner jeder Form politischer Freiheit und Rechtstaatlichkeit. Die Vorstellung, die Bürger könnten sich unabhängig aus ihnen vertrauenswürdig scheinenden Quellen informieren, ist ihnen ebenso ein Gräuel wie der Gedanke, die Bürger könnten sagen, was sie denken, vor allem öffentlich. Die Vehemenz und Willkür, mit der beide Staaten gegen Dissidenten und Kritiker vorgehen, spiegelt sich etwa in den Positionen, die sie im Rule-of-Law-Index des Jahres 2021 des World Justice Project einnehmen. Russland befindet sich dort auf Rang 101 (von 139 insgesamt), Iran auf Rang 119. Auch im Korruptionswahrnehmungsindex 2021 von Transparency International weisen beide Staaten eine fast verwandtschaftliche Nähe auf: Russland befindet sich auf Rang 136 (unter 180 Ländern insgesamt), Iran auf Rang 150.

Könnten diese Drohnen zum Einsatz kommen im Ukraine-Krieg?Bild: Tasnim

Auch international präsentieren sich beide Länder als zu nahezu allem entschlossene Feinde von Demokratie und Rechtstaatlichkeit: In Syrien unterstützen beide Diktator Baschar al-Assad, dessen Regime seit den Aufständen des Jahres 2011 für hunderttausende Tote verantwortlich ist, viele von ihnen auf furchtbare Weise ermordet in den staatlichen Folterkellern. Russland und Iran haben nicht gezögert, einem solchen Regime beizustehen und dessen Gegner mit aller Macht zu bekämpfen.

Wie Syrien, so die Ukraine

So scheint es durchaus plausibel, dass in Teheran auch über Drohnen - auch Kampfdrohnen - gesprochen wird. Das Kalkül für beide Staaten ist gleich: Eine Politik der Liberalisierung und Rechtstaatlichkeit zu bekämpfen, auf dass die Normen einer aufgeklärten, allein dem Gesetz (und nicht Willkür und Bevormundung) unterworfenen Gesellschaft nicht triumphieren, weder in Syrien noch in der Ukraine. Als Staaten verfügen Iran und Russland über keinerlei Softpower, nichts, was auch nur im Ansatz attraktiv erscheint. Staaten wie ihnen bleibt zur Herrschaftssicherung nichts als nackte Gewalt.

Drohnen für den Ukraine-Krieg

02:51

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Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika