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Politik

Rückkehr zur Realpolitik

Martin Fritz, Journalist in Tokio
Martin Fritz
22. Mai 2021

Bei einem Treffen im Weißen Haus finden die USA und Südkorea einen gemeinsamen Nenner im Umgang mit Nordkorea. Dennoch dürfte es neue Atomverhandlungen nicht so schnell geben, meint Martin Fritz.

Moon Jae In (l.) und Joe Biden (r.) mit einem Veteranen des Koreakriegs im Weißen HausBild: Jonathan Ernst/REUTERS

Für Südkoreas Präsident Moon Jae In tickt die Uhr. Sein fünftes und letztes Amtsjahr hat begonnen, ohne dass ihm konkrete Fortschritte in den Beziehungen zu Nordkorea gelungen sind. Drei innerkoreanische Gipfeltreffen mit Machthaber Kim Jong Un kann Moon vorweisen, mehr als jeder andere südkoreanische Präsident vor ihm. Aber inhaltliche Durchbrüche blieben aus.

Daher will er in den wenigen verbleibenden Monaten zumindest einen Neustart der Verhandlungen zwischen den USA und Nordkorea erreichen. Die Kontrahenten sollen dabei einen schrittweisen Abbau von Atomwaffen und Sanktionen verabreden, wobei Südkorea eine Vermittlerrolle übernehmen könnte.

Aufbau auf Trumps Erbe

Gemessen an diesen Zielen darf Moon mit dem Ergebnis des Gipfels im Weißen Haus zufrieden sein. Der neue US-Präsident wird seine Nordkorea-Diplomatie auf den Vereinbarungen aus der Amtszeit seines Vorgängers Donald Trump aufbauen, insbesondere die Erklärungen von Panmunjom und Singapur. Darin verabredeten die USA und Nordkorea eine vollständige Denuklearisierung sowie einen dauerhaften Frieden auf der koreanischen Halbinsel.

Martin Fritz ist Korrespondent in TokioBild: Privat

Die neue US-Regierung setzte auch einen erfahrenen Nordkorea-Diplomaten als Sondergesandten für die Verhandlungen mit Pjöngjang ein. Damit erhält Südkorea einen direkten Ansprechpartner in der US-Administration. Die enge Abstimmung der vergangenen Monate wird also weitergehen. Präsident Biden erklärte sich sogar zu einem Gipfeltreffen mit Kim bereit, sollte er Zugeständnisse bei seinen Atomwaffen machen.

Warnung vor Illusionen

Trotz dieser positiven Perspektiven dürfte sich Moons Wunsch eines "unumkehrbaren Friedens" auf der koreanischen Halbinsel kaum erfüllen. Die Denuklearisierung sei ein "unglaublich schwieriges Ziel", das vier US-Regierungen nicht erreicht hätten, gestand Biden nach dem Gespräch mit Moon unverblümt ein und warnte ausdrücklich vor "Illusionen".

Daraus lässt sich bereits schließen, dass Biden zur Realpolitik zurückkehrt. Kleine, pragmatische Schritte statt großer Showauftritte wie bei Trump sollen die Beziehungen zu Nordkorea verbessern. Seine Hauptaufgabe sieht der neue US-Präsident im epischen Ringen mit China.

Dabei kann Nordkorea kein wichtiger Schauplatz werden. Ohne Druck aus Peking wird sich Nordkorea im Atomstreit nämlich nicht bewegen. Aber vorerst wird sich Biden nicht die Blöße geben, China um Unterstützung zu bitten.

Menschenrechte als Hemmschuh

Nicht einmal auf baldige Gespräche kann Moon hoffen. Bislang hat Pjöngjang alle Versuche der Kontaktaufnahme seitens der USA abgewiesen. Denn Machthaber Kim kann derzeit nicht aus einer Position der Stärke heraus verhandeln - die Pandemie und die Sanktionen haben die nordkoreanische Wirtschaft erheblich geschwächt. Daher übte Kim zuletzt lieber Druck auf Moon aus, sich für eine Lockerung der Sanktionen einzusetzen, als sich mit den USA an einen Tisch zu setzen.

Für schlechte Stimmung in den innerkoreanischen Beziehungen könnte das Bekenntnis Bidens und Moons zu dem Ziel sorgen, die Lage der Menschenrechte in Nordkorea zu verbessern. Bislang hatte Moon jede Kritik an Pjöngjang in diese Richtung vermieden. Doch für die engere Kooperation der USA in der Nordkorea-Diplomatie musste er womöglich diesen Preis zahlen, da er die chinakritischen Aussagen, die sich die Biden-Regierung eigentlich gewünscht hatte, nicht machen wollte.

Nun hat Nordkoreas Führung einen Grund mehr, die Gesprächstüren verschlossen zu halten. Moons restliche Amtszeit könnte verrinnen, ohne dass sich Seoul und Pjöngjang wieder näherkommen.

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