David Wagner gab sich am Samstagabend schon so gut wie keine Mühe mehr, überhaupt zu versuchen, die Deutungshoheit auf seine Seite zu ziehen. Zu klar war nicht nur das Ergebnis gegen Werder Bremen (1:3), sondern auch die Form der Darbietung seines Teams gewesen, das so gut wie alle Tugenden, die eine Fußballmannschaft vorhalten sollte, vermissen ließ. "Ich kenne die Mechanismen des Geschäfts", sagte Wagner.
Das 18. Spiel in Folge ohne Sieg veranlasste Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider am Sonntagmittag, Wagner die sportliche Verantwortung für die völlig verunsicherten Schalker Profis zu entziehen. Schneider muss sich allerdings die Frage gefallen lassen, weshalb er überhaupt noch mit Wagner in die neue Bundesliga-Saison gestartet ist. Schon am Ende der abgelaufenen Spielzeit hatte der Coach kaum noch Unterstützer innerhalb des Teams. Welche Folgen diese Fehleinschätzung der Schalker Verantwortlichen hat, lässt sich nicht zuletzt an den ersten beiden Partien der neuen Saison (0:8 beim FC Bayern, 1:3 gegen Bremen) ablesen.
Nur noch auf Banken angewiesen
Die Schalker liegen aber nicht nur sportlich am Boden. Rund 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten belasten den Ruhrgebietsklub. Nur durch eine Landesbürgschaft konnte der Verein die Corona-Pause überhaupt überleben. Es fehlt nach dem Abgang von Peter Peters ein Finanzvorstand. Zudem ist dem Klub mit dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden und milliardenschweren Fleischfabrikanten Clemens Tönnies, der nach massiven Protesten der Anhänger zurücktrat, ein potentieller Geldgeber abhanden gekommen, der in der Vergangenheit immer wieder unbürokratisch Finanzlöcher stopfte, und sei es durch Privatkredite. Ob Banken auf dem Kapitalmarkt die Schalker Defizite demnächst auch mit frischem Geld ausgleichen werden, ist zumindest fraglich.
Der gesamte Verein wirkt derzeit gelähmt. Als wäre der Bundesligatross weitergezogen und die Schalker hätten schon vor längerer Zeit die Abfahrt verpasst. Und wenn man schon kein Geld hat, um seine Probleme zu bewältigen, dann braucht man zumindest Ideen. Mit dem notwendigen Schritt, einen neuen Trainer zu verpflichten, der den sportlichen Abwärtstrend zumindest kurzfristig aufhält, bekämpft man lediglich die oberflächlichen Symptome des langsamen Untergangs.
Gegenseitiges Misstrauen
In der Schalker Führungsetage fehlen seit langer Zeit fußballerische Expertise und kontroverse, konstruktive Diskussionen über mögliche Lösungen. Im Gegenteil: Jahrelange Seilschaften, undurchschaubare Machtspiele und ein Klima des gegenseitigen Misstrauens haben sich auf den Schalker Fluren seit längerer Zeit etabliert. In der Belegschaft traute sich zuletzt so gut wie niemand mehr, Kritik an den Entscheidungen der Vorgesetzten zu äußern. Auch weil viele Mitarbeiter das Gefühl hatten, dass Personal-Entscheidungen weniger aufgrund von individuellen Fähigkeiten sondern aus persönlichen Befindlichkeiten getroffen wurden. Es wurde eigens ein Betriebsrat gegründet, damit die Angestellten überhaupt noch eine Chance sahen, Gehör zu finden - zu Zeiten von Ex-Manager Rudi Assauer wäre das genauso unnötig wie undenkbar gewesen.
Der Verein benötigt dringend eine neue Strategie, die das ungesunde Schalker Hierarchiegebilde, das noch aus Zeiten der alten BRD stammt, in die neue Zeit der modernen Unternehmensleitung überführt. Auch wenn der Profi-Fußball seinen eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, so geht auch hier die Zeit weiter. Bei den Königsblauen steht sie aber schon viel zu lange still.