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Politik

Scholz-Bashing zielt ins Leere

23. April 2022

Schwere Waffen für die Ukraine? Dass der Bundeskanzler bei seiner zurückhaltenden Linie bleibt, ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der Besonnenheit, meint Marcel Fürstenau.

Wirkt auf viele zu zögerlich: Bundeskanzler Olaf ScholzBild: Lisi Niesner/REUTERS

Kritik an seinem Führungsstil, seiner Art zu reden, auf Fragen zu antworten ist Olaf Scholz gewohnt. Den spöttisch gemeinten Spitznamen "Scholzomat" hat er sich schon Anfang des Jahrtausends als Generalsekretär der Sozialdemokraten eingehandelt - mit seiner geschliffenen, aber oft sparsamen und wenig aussagekräftigen Rhetorik. Bundeskanzler war damals Gerhard Schröder, der auch nach der Invasion Russlands auf die Ukraine an seiner Freundschaft mit Wladimir Putin festhält.

Dass der amtierende Bundeskanzler keine Sympathien für den Kreml-Chef hegt, versteht sich von selbst. Aber tut er genug für die Ukraine, damit sich das militärisch und humanitär am Abgrund stehende Land retten kann? Viele sind vom Gegenteil überzeugt und halten Scholz für einen Feigling, weil er (noch) keine schweren Waffen wie Panzer aus Deutschland an die Ukraine auf den Weg bringt.

Der Bundeskanzler bewahrt kühlen Kopf

Doch der Ruf nach immer mehr Waffen resultiert oft aus aufwühlenden Eindrücken, die Bilder getöteter Zivilisten, zerstörter Städte und Berichte über mutmaßliche Kriegsverbrechen auslösen. Menschlich ist das verständlich, aber der Bundeskanzler muss bei aller Betroffenheit kühlen Kopf bewahren. Und das tut er. Olaf Scholz trifft seine Entscheidungen in Absprache mit seinen Partnern in der Europäischen Union (EU) und im nordatlantischen Verteidigungsbündnis (NATO).

DW-Redakteur Marcel FürstenauBild: DW

Und anders, als manche unterstellen, versteckt sich der deutsche Regierungschef nicht hinter seinen Bündnispartnern. So sieht das auch Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron kurz vor der entscheidenden Runde der Präsidentschaftswahl an diesem Sonntag: "Wir haben die gleiche Strategie wie Kanzler Scholz: Wir helfen den Ukrainern auf maximale Weise. Aber sind sorgsam darauf bedacht, niemals Kriegspartei zu werden."

Der Westen demonstriert Einigkeit

Macrons (Grund-)Sätze aus einem Interview mit französischen und deutschen Zeitungen könnten auch von Scholz stammen. Und das ist gut so. Denn damit signalisiert das französisch-deutsche Duo gegenüber Putin Einigkeit. Dazu passen des Kanzlers Worte aus einem "Spiegel"-Gespräch. Man habe in enger Abstimmung mit den USA, Frankreich, Italien, Großbritannien und Kanada Waffen für die anstehenden Gefechte in der Ostukraine geliefert, betonte Scholz.

Die medial vermittelte Botschaft an den Aggressor in Moskau ist glasklar: Die westlichen Demokratien stehen geschlossen an der Seite der Ukraine - auch und ganz besonders bei der militärischen Unterstützung. Wer Scholz trotzdem Zögerlichkeit vorwirft, sollte auch an dessen Verantwortung denken, die weit über Deutschland hinausgeht. Mit seinen Worten: "Ich tue alles, um eine Eskalation zu verhindern, die zu einem dritten Weltkrieg führt. Es darf keinen Atomkrieg geben."    

Sorge vor einem Atomkrieg 

Diese Sorge ist angesichts des unberechenbaren russischen Präsidenten leider sehr real. Wer sie dem Kanzler abspricht oder ihm taktisches Verhalten unterstellt, liegt falsch. Scholz verweist zurecht darauf, dass sich plötzlich viele mit Forderungen nach noch mehr Waffen überböten, die früher jegliche Lieferungen kategorisch abgelehnt hätten.

Während also die einen mit heißem Herzen und oft ohne waffentechnische Kenntnisse Panzer und eine Flugverbotszone über der Ukraine verlangen, agiert Scholz sehr besonnen. Ihm deshalb mehr oder weniger offen fehlende Empathie vorzuwerfen, ist unfair. Emotionen sind menschlich, verstellen aber mitunter den Blick auf das Wesentliche. Das ist weder für die Diskussion in Deutschland hilfreich noch für die Menschen in der Ukraine.

In dieser aufgeheizten Stimmung ist es wichtiger denn je, dass die Bundesregierung an einem Strang zieht. Finanzminister Christian Lindner adelte Olaf Scholz auf dem Parteitag der Freien Demokraten mit Blick auf seien Ukraine-Kurs als "verantwortungsvolle Führungspersönlichkeit, die sorgsam abwägt und auf dieser Basis Entscheidungen trifft". Damit trifft er den Kern. Ja, der Kanzler könnte sich zuweilen etwas klarer ausdrücken, in der Sache aber sollte er sich treu bleiben. Schließlich geht es um Krieg und Frieden.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland