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Scholz in China: Tagesausflug im Minenfeld

3. November 2022

Partner? Wettbewerber? Systemrivale? Bei seiner Reise nach Peking wird der Kanzler die Balance finden müssen. Gegenüber Xi Jinpings China ist Naivität genauso fehl am Platz wie Hysterie, meint Matthias von Hein.

Die Flaggen von Deutschland und China im Außenministerium in PekingBild: Michael Gottschalk/photothek/picture alliance

Wahrscheinlich noch nie ist ein deutscher Kanzler unter so schweren Rahmenbedingungen nach China gereist. Seine eigene Regierung ist zerstritten über den Umgang mit Peking. Das war gerade im an Hysterie grenzenden Streit um die Beteiligung der chinesischen Großreederei Cosco an einem Terminal des Hamburger Hafens zu besichtigen.

Auf europäischer Ebene registriert man mit Misstrauen, dass Olaf Scholz eine Unternehmerdelegation auf seinen Tagesausflug nach Peking mitnimmt. Das sieht nach einer Fortsetzung der China-Politik der Ära Merkel aus, die zu großen Teilen aus Wirtschaftsförderung bestand.

Zugespitzte Rivalität

Und auf globaler Ebene spitzt sich die Rivalität zwischen den USA und China zu. Was Berlin vor die Frage stellt, wie es sich positioniert im Konflikt zwischen seinem wichtigsten Sicherheits- und Wertepartner auf der einen Seite und seinem wichtigsten Handelspartner auf der anderen.

DW-Redakteur Matthias von Hein

Washington stellt den Konflikt zwischen der etablierten und der aufsteigenden Supermacht nicht nur als Kampf zwischen Autokratie und Demokratie dar, sondern geradezu als Kampf zwischen Gut und Böse. Und erwartet Gefolgschaft von seinen Alliierten.

Als wäre das nicht genug, hat Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping sich gerade für weitere fünf Jahre im Amt bestätigen lassen und seine diktatorischen Vollmachten weiter ausgebaut. Scholz ist der erste westliche Staatschef, der Xi nach dessen Machterweiterung trifft. 

Besuch mit Chancen

In diesem Besuch liegen Chancen: Über die Menschheitsaufgabe Klimaschutz zu sprechen, die ohne China nicht zu schaffen ist. Oder über Russlands Krieg gegen die Ukraine, um auszuloten, wie viel Einfluss Peking möglicherweise auf Moskau hat und ob es ihn zu nutzen gedenkt.

Die Chance, über die Spannungen rund um Taiwan zu reden, über Menschenrechte, den Umgang mit Minderheiten wie den Uiguren. Und wenn Scholz schon mit Unternehmern nach China reist, ist es eine Chance, über gleiche Zugangsbedingungen zu den Märkten zu reden. Das wäre wichtiger als neue Aufträge - und würde auch den europäischen Partnern nützen.

In Peking wird Olaf Scholz zeigen müssen, wie er für Deutschland die viel zitierte Balance zwischen Partnerschaft, Wettbewerb und strategischer Rivalität im Verhältnis zu China austarieren will. Die frühere Naivität im Umgang mit China ist inzwischen passé.

Sie sollte aber nicht durch Hysterie ersetzt werden. Die klingt manchmal an, wenn über die Gefahren einer Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von China diskutiert wird. Von Nöten ist vielmehr eine Strategie. Aber die ist noch nicht erkennbar.

Neue Partner suchen, China beibehalten

Gegenüber der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt werden Wirtschaftsbeziehungen immer wichtig sein. Eine Abkoppelung ist weder realistisch noch wünschenswert. Aber auch in den Führungsetagen der Unternehmen ist die Botschaft längst angekommen: Diversifizierung ist das Gebot der Stunde, für Lieferketten und für Absatzmärkte. Neue Partner suchen, ohne China aufzugeben.

Für die Welt, für den Frieden ist es schlecht, dass der Gesprächsfaden zwischen Washington und Peking weitgehend abgerissen ist - abgesehen von gegenseitigen Beschimpfungen hat man sich wenig zu sagen, und die Ablehnung Chinas ist die einzige Gemeinsamkeit der sonst so gnadenlos zerstrittenen politischen Lager.

Umso wichtiger, dass die Europäer mit China im Gespräch bleiben - zumal ihre Interessen nicht deckungsgleich mit denen der USA sind. Auch Scholz sollte als Europäer auftreten.

Als Frankreichs Präsident Macron auf seiner letzten China-Reise 2019 ein Mitglied der deutschen Regierung mitnahm, war das ein starkes Zeichen europäischer Einigkeit. Nur gemeinsam bringen die Länder Europas genug Gewicht auf die Waagschale, um in Peking nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. Ohne Europa fehlt dem Tagesauflug von Scholz ein wesentliches Element. 

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