Afrikanische Länder müssen aufhören, Verträge aus der Kolonialzeit zu nutzen, um Ansprüche auf Wasserrechte durchzusetzen. Der Klimawandel macht ganz neue Anstrengungen nötig, meint Harrison Mwilima.
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Als die Kolonialmächte die künstlichen Linien zogen, die inzwischen die Staatsgrenzen afrikanischer Länder bilden, wurden besonders in Ostafrika oft Seen und Flüsse zur Abgrenzung genutzt. Wo verschiedenen Ländern eine entsprechende Wasserquelle zur Verfügung stand, trafen die Kolonialmächte Vereinbarungen, wer diese in welchem Umfang nutzen durfte - selbstverständlich ohne die Zustimmung der Menschen, die in diesen Gebieten lebten.
Als die Kolonien auf dem Kontinent nach und nach unabhängig wurden, haben sie als unabhängige Länder diese Grenzen übernommen. Heute führt dies häufig zu zwischenstaatlichen Spannungen - vor allem dann, wenn in diesen gemeinsamen Gewässern Ressourcen stecken oder aber das Wasser knapp wird. Dann nutzen einige Länder die von den ehemaligen Kolonialmächten ausgearbeiteten Wasserabkommen gnadenlos zu ihrem eigenen Vorteil aus.
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Gemeinsame Ressourcen, nationaler Profit
Der Weltwassertag ist daher Anlass für einen Appell an die afrikanischen Staaten, aufzuhören mit dem Rückgriff auf Wasserabkommen aus der Kolonialzeit, um jeweils alleine von gemeinsamen Ressourcen zu profitieren. Vielmehr müssen die afrikanischen Länder heute gemeinsame Strategien verfolgen, um drohende Wasserkrisen auf dem gesamten Kontinent zu bekämpfen.
Der Nil, Afrikas längster Fluss, der durch elf afrikanische Länder fließt, ist die Quelle des jüngsten Konflikts. Ägypten und der Sudan wollen an den kolonialen Vereinbarungen Großbritanniens festhalten, die das Wasser des Nils beiden Ländern zuweisen und Ägypten ein Vetorecht bei Projekten am Oberlauf des Flusses einräumen.
Im Jahr 2011 hat Äthiopien jedoch Pläne zum Bau eines riesigen Staudamms mit Kraftwerken zur Stromerzeugung angekündigt. Als Äthiopien dann im Sommer 2020 damit begann, das Wasser des Nils aufzustauen, protestierte Ägypten. Es argumentierte, Äthiopien müsse die kolonialen Wasserverträge einhalten. Äthiopien unterdessen behauptet, es habe das gleiche Recht auf die Nutzung des Nilwassers wie Ägypten.
Vereinbarungen aus der Kolonialzeit haben auch zu einem Streit über den See geführt, der zwischen Tansania und Malawi liegt - Tansanier kennen ihn als Nysa-See, die Malawier nennen ihn Malawi-See. Die Entdeckung von Öl und Gas unter dem Boden des Sees im Jahr 2011 verschaffte einem deutsch-britischen Vertrag aus dem Jahr 1890 wieder neue Bedeutung. Der Vertrag räumt dem damaligen britischen Territorium Malawi das alleinige Recht zur Nutzung des Sees ein. Tansania pocht jedoch darauf, dass der See in Übereinstimmung mit dem internationalen Recht als gemeinsame Ressource von allen Anrainern betrachtet werden sollte.
Klimawandel und Wasserknappheit
Dies sind nur zwei Beispiele von vielen, die zeigen, wie leicht Verträge aus der Kolonialzeit Wasserkonflikte zwischen afrikanischen Ländern auslösen können. Doch während hier jeweils zwei Seiten darüber streiten, wem was zusteht, darf man nicht vergessen: Viele afrikanische Länder sind stark von Wasserknappheit bedroht! Der Klimawandel hat den Kontinent noch anfälliger für Dürren und katastrophale Überschwemmungen gemacht. Schon jetzt hat jeder dritte Bewohner des Kontinents keinen ausreichenden Zugang zur Wasserversorgung mehr.
Um diese Herausforderungen zu bewältigen, müssen die afrikanischen Regierungen zusammenfinden und über die Bedürfnisse ihrer einzelnen Staaten hinaus denken. Die koloniale Karte auszuspielen, um sich den Zugang zu Wasserressourcen zu sichern, trägt nicht dazu bei, die Herausforderung einer sicheren Wasserversorgung für alle zu lösen, vor der die afrikanischen Länder stehen. Und in den kommenden Jahrzehnten noch deutlich stärker stehen werden.
Was wir jetzt brauchen, ist ein nachhaltiges Management der Wasserressourcen: Der Wasserbedarf der heutigen Bevölkerung muss gedeckt werden, ohne die Versorgungssicherheit für zukünftige Generationen zu gefährden.
Die Arbeiten an der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre laufen auf Hochtouren - ebenso wie die Versuche, die Konflikte zwischen Äthiopien und den vom Staudamm betroffenen Nachbarstaaten am Nil zu schlichten.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Gigantische Aussichten
Hier entsteht er: Der riesige Staudamm, der Äthiopien und seine Nachbarn mit Strom versorgen soll. Vier Milliarden US-Dollar soll das Projekt kosten, das ab 2022 Elektrizität liefern soll - mithilfe der Wassermassen aus dem Blauen Nil. Ein gigantisches Projekt, das aber auch zu Streit und diplomatischen Konflikten mit Ägypten und dem Sudan geführt hat. Denn auch sie sind auf das Wasser angewiesen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Ein Koloss aus Beton
145 Meter hoch wird der Staudamm, fast zwei Kilometer lang. Die Baustelle misst elf Quadratkilometer. Äthiopien kann die Fertigstellung kaum erwarten. Fast die Hälfte der äthiopischen Haushalte muss derzeit ohne Strom auskommen. Für sie könnte das Bauwerk eine große Verbesserung bedeuten. Einen beträchtlichen Teil des Stroms will das Land an Nachbarländer verkaufen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Weite Landschaft wird zum See
Damit das Wasser genug Kraft entwickeln kann, muss es gestaut werden. "In ein paar Jahren wird dieses ganze Gebiet voller Wasser sein", sagt Maschinenbauingenieur Abdu Yibrea und zeigt über die Ebene. 74 Milliarden Kubikmeter Wasser soll das Reservoir fassen. Äthiopien möchte den künstlichen See so schnell wie möglich füllen, doch die Nachbarstaaten sträuben sich dagegen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Streit zwischen den Nil-Staaten
Äthiopien will das Reservoir innerhalb der kommenden sieben Jahre füllen. Ägypten fordert 21 Jahre. Das Land befürchtet, dass der Wasserpegel im Fluss stark sinkt, sobald Äthiopien den Staudamm in Betrieb nimmt. Sollte es tatsächlich zu Wasserknappheit oder Dürre kommen, soll Äthiopien Ägypten deshalb Wasser-Reserven garantieren. Alle Gespräche und Vermittlungsversuche scheiterten bisher.
Wo geht's hier zur Lösung?
Bei seinem Besuch in Südafrika bat Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed den dortigen Präsidenten um Hilfe. Cyril Ramaphosa soll in der langanhaltenden Krise zwischen Äthiopien und Ägypten vermitteln. Ramaphosa wird diesen Monat turnusmäßig den Vorsitz in der Afrikanischen Union übernehmen. Den aktuellen AU-Vorsitzenden konnte Abiy schlecht fragen: Es ist Ägyptens Präsident.
Bild: AFP/P. Magakoe
Arbeiten bei bis zu 50 Grad Celsius
Während die Verhandlungen laufen, gehen die Arbeiten an der Mega-Baustelle weiter. 6000 Menschen arbeiten rund um die Uhr, oft in sengender Hitze. In den heißesten Monaten steigt das Thermometer hier auf bis zu 50 Grad Celsius.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Im zukünftigen Kraftwerk
Die Schweißgeräte sind in vollem Einsatz: In einem der beiden Kraftwerke sollen als nächstes die beiden Teile der Turbine zusammengesetzt werden. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Mitte 2021 sollen die ersten Turbinen einsatzbereit sein.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Antrieb für das Mega-Projekt
Hier soll die Turbine eingebaut werden. Insgesamt sind 13 Stück geplant, verteilt auf zwei Kraftwerke an beiden Uferseiten. 15.000 Gigawattstunden Strom im Jahr sollen die Kraftwerke der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre erzeugen. Das Werk wäre dann so stark wie die drei bisher größten Wasserkraftwerke Afrikas zusammen.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Verzögerungen und Vorwürfe
Ursprünglich sollte der Staudamm schon fertig sein. Doch Missmanagement und Korruptionsvorwürfe verlängerten die Bauphase. Im November vergangenen Jahres wurde der erste Teil fertig: Die Mauer des Reservoirs liegt in einem anderen Landesteil Äthiopiens und schließt das Rückhaltebecken ab.
Bild: DW/M. Gerth-Niculescu
Ausblick
Diesen Weg nimmt das Wasser nach dem Staudamm. Der Blaue Nil fließt von hier weiter Richtung Sudan und Ägypten. Wie stark die Strömung die Menschen dort in Zukunft erreicht - das hängt von den kommenden Verhandlungen und der Vermittlung zwischen Äthiopien und Ägypten ab. Ägypten hat jedenfalls schon erklärt, dass es äthiopischen Strom kaufen will.