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Politik

Trumps Taktik funktioniert

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
6. Oktober 2020

Weite Teile der westlichen Welt schütteln den Kopf über das Verhalten des an COVID-19 erkrankten US-Präsidenten Trump. Bei seinen Unterstützern aber verfängt das Starker-Mann-Gehabe, meint Ines Pohl, derzeit in Ohio.

Bild: Jonathan Ernst/Reuters

Manche mögen sich noch erinnern: Früh im vergangenen Wahlkampf 2016 verkündete Donald Trump vollmundig, dass er jemanden im Herzen New Yorks erschießen könne und keinen einzigen Wähler verlieren würde. Nun hat der aktuelle US-Präsident niemanden auf der 5th Avenue erschossen, aber sein Verhalten kommt dem doch ziemlich nahe.

Masken nur für Feiglinge

Er wusste 72 Stunden lang, dass er mit dem Coronavirus infiziert ist, bevor er bekanntgab, dass er andere Menschen mit dem gefährlichen Erreger anstecken könnte. Er besuchte weiter Wahlkampfveranstaltungen, speiste mit Großspendern und twitterte in die Welt, dass das Tragen von Masken nur etwas für Feiglinge sei.

Ines Pohl, DW-Korrespondentin in den USABild: DW/P. Böll

Damit nicht genug: Nach nur zwei Tagen im Krankenhaus ließ er sich, wohl noch immer hoch ansteckend, von seinen Sicherheitsleuten an seinen aufgereihten Fans vorbeifahren. In der schwarzen Präsidenten-Limousine, die "The Beast" genannt wird, mit schwarzer Stoffmaske und den oberen Hemdknopf geöffnet, zeigte er sich in winkender Siegerpose.

Und dann, einen weiteren Tag später, ging es schon wieder zurück ins Weiße Haus. Als er die oberen Stufen seines temporären Zuhauses erreicht hatte, riss er sich die Maske vom Gesicht. Und twitterte munter weiter, dass alles nicht so schlimm sei, die angeblich Tod bringende Gefahr von seinen politischen Gegnern heraufbeschworen wurde - und er doch das beste Beispiel dafür sei: "Demokraten lügen. Joe Biden ist ein Feigling. Und mir kann nichts und niemand etwas anhaben."

Entscheidung auf Jahrzehnte

Aus der Ferne betrachtet sollte man meinen, dass Trumps fahrlässiges Verhalten endgültig ausreichen sollte, um seine Wiederwahl zu verhindern. Hier vor Ort sieht das Ganze anders aus.

Um die Wähler in den Vereinigten Staaten zu verstehen, muss man bedenken, was mit einer Präsidentschaft auch entschieden wird. Das ist vor allem die Besetzung des Obersten Gerichtshofs, dessen Richter auf Lebenszeit gewählt werden und die die politische Linie auf Jahrzehnte hinaus bestimmen. Weit länger und wirkmächtiger als ein Präsident in seinen maximal acht Amtsjahren, von denen er mindestens zwei im Wahlkampfmodus verbringt.

Abtreibungsgegner, die wichtige Wählergruppe

Darüber hinaus sind 25 Prozent aller Wählerinnen und Wähler strikte Abtreibungsgegner. Ihnen ist es egal, was ein Präsident macht oder sagt: Hauptsache, er bekämpft das Recht auf Abtreibung. Donald Trump mag in vielen Bereichen unberechenbar sein, hier steht er unverrückbar.

Abtreibungsgegner in Washington (Archiv)Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Vucci

Und für die obere Mittelklasse und die Superreichen ist Donald Trump bares Geld wert. Denn auch hier hält er seine Versprechungen und verteilt seine Steuergeschenke großzügig an jene, die sowieso schon reichlich haben.

Dann gibt es die vielen Amerikanerinnen und Amerikaner, die nicht mehr so recht wussten, wo sie hingehörten, in diesem Land, in dem in weniger als 25 Jahren die weiße Mehrheit eine Minderheit sein wird. Bis Donald Trump kam, der politische Außenseiter und erster Präsident nach dem ersten schwarzen Präsidenten. Er versprach, die Macht des alten, weißen Amerikas zu bewahren. Einwanderung zu bekämpfen und den Einfluss von Nicht-Weißen so gut es geht zu limitieren. Er versprach die Jobs, die ins Ausland abgewandert sind, zurückzubringen, und die heruntergekommenen, ehemaligen Industriestandorte wieder zu alter Größe zurückzuführen.

Diese letzte Gruppe war erschrocken, als ihr Superheld plötzlich krank war und zu straucheln schien. Deshalb war es taktisch geschickt, wie Trump sich nun in Szene setzte. Seine Kraftstrotzerei hat funktioniert bei denen, die er so dringend braucht, wenn er überhaupt eine Chance auf den Wahlsieg haben will.

Biden auf Trumps Fehler angewiesen

All die anderen, die schwarzen Demokratinnen, die mit Tränen in den Augen davon erzählen, wie ihre Familienangehörigen gestorben sind, weil sie keinerlei medizinische Unterstützung bekamen, sind Trump egal. Oder die, die es fahrlässig finden, dass der Präsident auch weiterhin keine landesweite Maskenpflicht befürwortet. Auch sie interessieren Trump nicht, weil sie sowieso für ihn verloren sind.

Von außen auf dieses Land geblickt, mag man denken, hier regiert der blanke Wahnsinn. Unterwegs auf den Straßen muss man feststellen: Die Taktik Donald Trumps geht auf, um seine Unterstützer bei der Stange zu halten. Egal was passiert, sie werden Donald Trump unterstützen, wenn er gesund genug bleibt, um weiter seine taktischen Spielchen zu treiben.

Am Ende wird entscheidend sein, ob das Verhalten von Donald Trump ausreichend Menschen motiviert, ihn aus dem Oval Office zu wählen. Die Attraktivität von Joe Biden allein wird nicht genügen. Er braucht die Unterstützung seines Gegners, um die zaudernden Demokraten und Nichtwähler an die Urnen zu treiben.

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