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Meinung: UEFA führt heimlich die Super League ein

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Matt Pearson
11. Mai 2022

Mit ihrer Champions-League-Reform hat die UEFA wieder die traditionellen Werte des Fußballs verraten, meint Matt Pearson. Die großen Vereine bekommen erneut, was sie wollen.

Bild: Peter Schatz/pool/Imago

Erinnern Sie sich noch an die europäische Super League? Diese vermeintlich geniale Idee, bei der die selbst ernannten Spitzenmannschaften im Fußball endlos Geld verdienen - und die dann auch noch unter sich bleiben wollten? 

Glücklicherweise wurde der Vorschlag innerhalb weniger Tage wieder verworfen, nachdem Fans, Spieler und sogar die UEFA, der Dachverband des europäischen Fußballs, von der Gier des großen Klubs aufgeschreckt wurden. "Niemand will das, außer den wenigen, die denken, dass es im Fußball nur ums Geld geht", sagte UEFA-Präsident Aleksander Ceferin der französischen Zeitung "Le Journal du Dimanche" kurz nach dem Scheitern des Vorschlags im April 2021.

DW-Redakteur Matt Pearson.

Etwas mehr als ein Jahr später befinden sich alle rebellischen Klubs (mit Ausnahme von Tottenham Hotspur) unter den ersten vier Teams ihrer jeweiligen Ligen. Kein Verein wurde in irgendeiner Weise für das Vorpreschen in Sachen Super League bestraft. Und Ceferin hat jetzt auch noch eine Reihe von Formatänderungen für die Champions League der Männer durchwinken lassen, die genau diesen reichen Klubs gibt, was sie wollten und noch immer wollen: noch lukrativere Spiele in Europa. Und eine Hintertür zur Qualifikation, wenn sie mal eine schlechte Saison haben.

Die Reichen werden immer reicher

Wie immer geht es dabei um Zusammenhalt und sportliche Integrität. "Wir sind fest entschlossen, die grundlegenden Werte des Sports zu respektieren und das Schlüsselprinzip der offenen Wettbewerbe zu verteidigen", schimpfte Ceferin im vergangenen Jahr. Aber von den vier zusätzlichen Champions-League-Startplätzen ab der Saison 2024/25 wird nur einer an einen nationalen Meister einer kleineren Liga gehen, während die anderen drei Tickets in fast allen Fällen an Vereine aus den großen, reichen Ligen vergeben werden.

Ceferins vermeintlich moralisches Auftreten wird durch seinen eigenen Wettbewerb entlarvt. Seitdem die Champions League 1992 den Europapokal der Landesmeister ablöste, hat die UEFA stets versucht zu verhindern, dass die reichsten Klubs scheitern - sei es in finanzieller Hinsicht oder auf dem Spielfeld: Die Europa League wurde zum Auffangnetz für Mannschaften, die in der Gruppenphase der Königsklasse scheitern. Gleich vier Champions-League-Tickets für jede der großen europäischen Ligen und die ungleiche Verteilung der Fernsehgelder waren weitere Ärgernisse. 

Nun vergibt die UEFA zwei Champions-League-Startplätze an die erfolgreichsten Nationalverbände der Vorsaison und einen weiteren an den Fünften der Nationen-Rangliste (gemessen an den Ergebnissen der vergangenen fünf Jahre). De facto werden damit die großen Ligen mit zusätzlichen Tickets der Königsklasse versorgt, ein weiterer Schritt hin zu einem geschlossenen Kreis jener Ligen.

Träten die Reformen schon jetzt in Kraft, wäre etwa die sportlich erfolgreiche Premier League einer der Profiteure. An diesen Erfolgen wird sich wohl auch langfristig nichts ändern - angesichts der enormen finanziellen Ressourcen der englischen Liga mit Geldgebern aus Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und bis vor kurzem auch aus Russland.

Weniger ist manchmal mehr

Bald wird wahrscheinlich ein fünfter der sechs englischen Topklubs in der Königsklasse starten und am großen Geldtopf teilhaben dürfen. Dadurch wird sich der Abstand zum Rest der Liga weiter vergrößern. Erinnert Sie das an etwas?

Die UEFA hat besonders umstrittene Teile ihrer 2021 geplanten Champions-League-Reform modifiziert. So wird es jetzt nur zwei statt der vorher geplanten vier Vorrundenspiele mehr pro Klub geben, außerdem doch keine Blanko-Tickets für die bestplatzierten Vereine der Fünf-Jahres-Wertung. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen kalkulierten Schachzug der UEFA. Es soll der Anschein erweckt werden, dass man auf Kritik von außen reagiert hat und dass die UEFA nicht allein von Geld, Glamour und Status regiert wird. Und zweifellos wird diese Reform der Königsklasse nicht die letzte sein.

Was Ceferin und Co. offenbar nicht verstehen: Eine niedrige Zahl von Klubs und Spielen macht die Champions League exklusiver und damit auch attraktiver. Mehr Partien bedeuten nicht besseren Fußball, lediglich mehr Geld. Diese Reform ist ein Schritt in Richtung der Liga, von der sich die UEFA vor einem Jahr noch vorgeblich entsetzt abwand. Die Vereine der Super League haben gewonnen.

Aus dem Englischen adaptiert von Jörg Strohschein.