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Politik

Und was jetzt, Amerika?

Ines Pohl Kommentarbild App
Ines Pohl
29. Dezember 2020

Vier Jahre befand sich die Welt im Würgegriff des Twitter-Accounts von Donald Trump. Der muss zwar gehen, aber ein einfaches Zurück wird es nicht geben. Es ist offen, wie die USA sich entwickeln, meint Ines Pohl.

Donald Trump muss am 20. Januar das Weiße Haus in Washington verlassenBild: MANDEL NGAN/AFP

Am Ende hielten die Brandmauern der Gewaltenteilung den irren Attacken stand. All das Zetern und Klagen hat ihm nichts geholfen. Auch nicht die von ihm ausgewählten Richterinnen und Richter des Obersten amerikanischen Gerichtes. Donald Trump muss am 20. Januar das Weiße Haus verlassen. Das ist ein Grund zur Erleichterung. Mit Joe Biden übernimmt eine politische Persönlichkeit, die verlässlicher ist, die sich an etablierte Verhaltensregeln hält und um die Verletzlichkeit demokratischer Institutionen weiß.

Damit ist dann aber auch schon Schluss mit der Berechenbarkeit. Wer denkt, dass der Trump-Spuk am 20. Januar vorbei ist, macht, wie so viele, einen Kardinalfehler: anzunehmen, Donald Trump sei ein Zufall gewesen, vielleicht ein Unglück, eine Ausnahme.

Donald Trump war kein Zufall

Nein, das war er nicht. Donald Trump und seine korrupte, nationalistische und rassistische Art Politik zu machen, ist kein Zufall. Sie ist die Konsequenz eines Zwei-Parteien-Systems, das es verpasst hat, sich zu erneuern. Und sie sollte ein Weckruf sein für all jene, die annehmen, dass das Festhalten an überkommenen Strukturen und Privilegien die Zukunft von Demokratien sichert. Das Gegenteil ist der Fall.

Ines Pohl leitet das DW-Studio in WashingtonBild: DW/P. Böll

Wie alle erfolgreichen Populisten hat Donald Trump von Anfang an mit dem Slogan "Wir gegen die" erfolgreich Stimmen gesammelt. Dem Wahlkampf-Motto "America first" implizit war dabei zunächst das rassistische Versprechen, das "Fremde", das "Un-Amerikanische" zurückzudrängen. Auch wenn es für eine Einwanderungsgesellschaft wie die Vereinigten Staaten bizarr anmutet, war es die Verheißung, die weiße Mehrheitsgesellschaft an der Macht zu halten.

Dieses Gefühl des Machtverlustes wird durch die demografische Entwicklung in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Dieser Geist ist aus der Flasche.

Kampf gegen die Eliten

Die zweite Erzählung, die Donald Trump früh geschaffen hat, war die, dass er auf der Seite der Unterdrückten, Nicht-Privilegierten gegen die Elite da oben kämpfe.

Mit seiner über 50-jährigen politischen Karriere verkörpert Joe Biden wie kaum ein anderer Politiker genau diese Elite. Er hat deswegen fast keine Chance, die Menschen aus diesem Freund/Feind-Schema herauszuholen.

Und das führt zum dritten, wohl nachhaltigsten und damit gefährlichsten Machtinstrument von Donald Trump: die kontinuierliche Unterwanderung einer allgemeingültigen Realität, in der es neutrale Fakten gibt, die nicht politisch motiviert sind, sondern schlicht wahr. In der wissenschaftliche Erkenntnisse existieren, die sich nicht an Profitmargen orientieren, sondern auf Forschung basieren. Wie soll man die Menschen überhaupt noch erreichen, die sich nur noch in ihrer eigenen Welt aus Lügen und Verschwörungstheorien bewegen? Wie soll eine Gesellschaft wieder zusammenkommen, der die Realität abhanden gekommen ist?

Das Ende schon vor dem Anfang?

Joe Biden und sein Kabinett werden mit brutalen innenpolitischen Herausforderungen zu kämpfen haben. Gelingt es seiner Partei nicht, die Senatswahlen in Georgia am 5. Januar für sich zu gewinnen, sind seine Aussichten auf eine erfolgreiche Präsidentschaft schon vorbei, bevor er den Amtseid am 20. Januar überhaupt abgelegt hat. Denn die Republikaner werden dann mit ihrer Macht im Senat alles tun, um sinnvolle Vorhaben zu boykottieren.

Wird dieser wahrscheinliche Fall eintreten, werden wir Vereinigte Staaten erleben, in denen es zwar eine politische Führung gibt, die sich bemüht, zur alten Verlässlichkeit zurück zu finden. Die aber ein Volk regiert, das gespaltener denn je ist und mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, die diese Spaltung noch weiter vorantreiben.

Wir werden ein Land erleben, dass sich über Jahre - wenn nicht Jahrzehnte - an innenpolitischen Machtkämpfen aufreibt und sich damit immer weiter aus multilateralen Verpflichtungen vor allem in Europa zurückzieht. Ganz egal, wer gerade in Weißen Haus sitzt. Dieser nackten Wahrheit muss Europa und muss Deutschland endlich ins Auge schauen.

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