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Politik

Meinung: Her mit den Leos!

20. Januar 2023

Die Bundesregierung hat auch beim Treffen in Ramstein kein grünes Licht für die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern gegeben. Worauf will Berlin eigentlich noch warten?, fragt Christoph Hasselbach.

Der Kampfpanzer Leopard 2Bild: picture-alliance/dpa/K.M. Wegmann

Ich gebe zu, ich habe meine Meinung geändert. Das Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz, schwere Waffen in die Ukraine zu liefern, konnte ich lange gut verstehen. Und ich kann die Sorge immer noch verstehen, dass Deutschland oder die gesamte NATO durch die Lieferung von bestimmten Waffen in den Krieg hineingezogen wird. Immerhin haben russische Politiker ja genau damit gedroht, und Präsident Wladimir Putin hat sogar mit der Nuklearoption gespielt. Es gibt durchaus Gründe, im Umgang mit Russland besonnen zu sein.

Das Problem ist: Putin weiß das. Mehr noch, er hat von Anfang an diese Angst in sein Kalkül einbezogen. Und während die Ukrainer verzweifelt um ihr Leben und ihre Freiheit kämpfen, zerstört die russische Armee systematisch Wohnhäuser und zivile Versorgungseinrichtungen. Hier werden sozusagen vor unserer Haustür Kriegsverbrechen begangen!

Es droht ein Abnutzungskrieg

Gemessen an der erdrückenden zahlenmäßigen Überlegenheit Russlands und der schieren Hemmungslosigkeit seiner Kriegführung hat sich die ukrainische Armee erstaunlich gut geschlagen, sogar weite Gebiete zurückerobert. Ein entscheidender Grund dafür ist die westliche Militärhilfe.

DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW

Aber die ukrainische Gegenoffensive ist offenbar an ihre Grenzen gekommen, ein Stellungskrieg hat begonnen. Und darin hat Russland den längeren Atem. Auch ohne größere Gefechte ist jeder Tag ist ein Leidenstag für die Zivilbevölkerung – übrigens auch ein Tag, an dem sich die Welt eben nicht mit ganzer Kraft anderen drängenden Problemen zuwenden kann, zum Beispiel den Hunger zu überwinden, der durch den Ukraine-Krieg weltweit zugenommen hat.

Jetzt ist nicht die Zeit zu verhandeln

Angesichts der momentanen militärischen Pattsituation, angesichts von Energieknappheit und Inflation wird in vielen Unterstützerländern erneut der Ruf nach Diplomatie laut: Man möge doch endlich um einen Frieden verhandeln! Eins ist klar: Wenn die Ukraine jetzt verhandelte, würde sie einen russischen Diktatfrieden bekommen.

Wie sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg im Oktober in einem Deutsche-Welle-Interview: "Wenn Präsident Putins Russland die Kämpfe einstellt, gibt es Frieden. Wenn die Ukraine aufhört zu kämpfen, wird sie als unabhängiger Staat aufhören zu existieren." Deswegen sind Diplomatie und Militärhilfe keine Gegensätze, sondern sie ergänzen sich. Die Ukraine müsste aus einer Position der Stärke heraus verhandeln. Die hat sie aber noch nicht.

Was ein Kriegseintritt ist, bestimmt Putin

Nach allem, was Militärexperten sagen, würden westliche Kampfpanzer einen entscheidenden Unterschied bedeuten. Mit ihnen könnte die Ukraine, statt nur die Stellung zu halten, in weitere russisch besetzte ukrainische Gebiete vorstoßen.

Nach Putins Lesart gehören diese Gebiete inzwischen zu Russland. Was ist, wenn Russland einen ukrainischen Vorstoß dorthin mit westlichen Kampfpanzern als Kriegseintritt der Länder betrachtet, die die Panzer geliefert haben? Die Antwort ist: Er kann das ohnehin so deuten, wenn er es will. Er kann ganz nach Belieben auch andere Dinge als Kriegseintritt auslegen. Der Westen darf sich aber nicht davon abhängig machen. Das Völkerrecht ist auf der Seite der Ukraine und ihrer militärischen Unterstützer, denn das Land wehrt sich nur gegen einen Angreifer.

Nichts ist ohne Risiko

Ja, dieser Weg ist nicht ohne Risiko. Aber der andere Weg, der Weg der Zurückhaltung und des Sich-Heraushaltens ist noch riskanter. Er würde Putin zeigen, und allen potenziellen Nachahmern weltweit, dass er mit seiner Aggression davonkommt. Dann könnten Moldawien oder die baltischen Staaten seine nächsten Angriffsziele sein.

Daher ist Zurückhaltung bei den Kampfpanzern nicht mehr angebracht - wenn sie es je war. Solange kein anderes westliches Land Kampfpanzer liefern wollte, konnte Olaf Scholz sagen, er wolle keine deutschen Alleingänge. Und das war vernünftig. Jetzt will  Großbritannien vorangehen und seine Challenger-Kampfpanzer liefern, egal, wer dabei mitzieht. Andere Staaten, wie Polen und Finnland, würden sofort Leopard-Panzer aus deutscher Produktion schicken, wenn Deutschland sie lässt, denn eine deutsche Genehmigung behält sich Berlin vor. Das zuzulassen wäre das Mindeste, was die Bundesregierung tun sollte. Aber sie verweigert sich immer noch. Gegen Leoparden auch aus Deutschland könnten Gründe der eigenen Verteidigungsfähigkeit sprechen, aber jedenfalls keine diplomatischen, strategischen oder gar moralischen Gründe.

Die Lieferung von Kampfpanzern ist militärisch geboten, sie ist vom Völkerrecht gedeckt, und sie ist strategisch das entscheidende Signal an Putin und die eigenen Verbündeten, dass man gemeinsam für seine Freiheit einsteht. Lange kann die Bundesregierung nicht mehr warten, ohne unglaubwürdig zu werden.