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Politik

Weihnachten in der Corona-Pandemie

Deutsche Welle Brockmann, Anja Portrait
Anja Brockmann
29. November 2020

Am 1. Advent beginnt die Vorweihnachtszeit. Eigentlich eine Zeit der Besinnung. Doch wegen Corona ist das Weihnachtsfest in Deutschland politisch aufgeladen wie nie. Anja Brockmann verfolgt das mit Befremden.

Bild: Frank Hoermann/Sven Simon/picture alliance

Kaum tauchten im Frühherbst mit Lebkuchen und Schoko-Nikoläusen in den Regalen der Supermärkte die ersten Vorboten von Weihnachten auf, blickte Angela Merkel mit Sorge auf die steigenden Corona-Infektionen. Wie schon im Frühjahr hatte sie nur ein einziges Rezept: neue Verbote und Einschränkungen. Vor allem komme es darauf an, dass alle ihre privaten Kontakte massiv reduzierten.

Um die Deutschen hierfür ausgerechnet in der dunklen Jahreszeit zu begeistern, formulierte die Kanzlerin ein gemeinsames Ziel: Weihnachten. Wenn jetzt alle Disziplin hielten, so die Botschaft, gebe es als Geschenk fast normale Festtage. Aber eben nur fast. Damit war klar: Ganz ohne Kontaktbeschränkungen wird es auch an Heiligabend nicht gehen. Seitdem streitet die Politik über Weihnachten, als entscheide sich am Fest das Wohl und Wehe des deutschen Volkes.

Was ist noch privat in einer Pandemie?

Die rechtspopulistische AfD, die für sich in Anspruch nimmt, Hüterin von Volkes Stimme zu sein und reflexhaft alles kritisiert, was Merkel sagt, verbittet sich grundsätzlich jegliche staatliche Einmischung ins Privatleben - erst recht natürlich an Weihnachten. Das vergifte die Gesellschaft, so AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Ein Vorwurf, der besonders absurd ist von einer Partei, die vor allem durch gezielte Provokationen und Polarisierung auffällt.

DW-Redakteurin Anja BrockmannBild: DW/B. Geilert

Ein von Pandemie und Politik ungestörtes Weihnachtsfest beansprucht auch Angela Merkels Parteikollege Friedrich Merz. Es gehe den Staat nichts an, wie er mit seiner Familie Weihnachten feiere, erklärte er trotzig im Interview. Merz will Merkel beerben und im kommenden Jahr erst Chef der CDU und dann auch Kanzler werden. Gerade deshalb sollte er wissen: Natürlich gibt es auch in einer Demokratie Gründe, die dem Staat erlauben, in das Privateste einzugreifen. Häusliche Gewalt zum Beispiel, die übrigens jedes Jahr in der Weihnachtszeit in Deutschland ihren traurigen Höhepunkt erreicht.

Oder eben eine Pandemie. Denn der Staat muss die Unversehrtheit seiner Bürgerinnen und Bürger schützen. Merz' Äußerung ist zudem fatal in einer Zeit, in der in Deutschland die Proteste gegen die staatlichen Maßnahmen zunehmend radikaler werden und deren Anführer gerne über eine angebliche Merkel-Diktatur fabulieren. Ein "Weihnachten-gehört-mir-Credo" wie von Merz dürfte die Corona-Leugner noch befeuern. Ein möglicher Kanzlerkandidat aber müsste an dieser Stelle größte Distanz wahren.

Alarmismus und Absurditäten

Nicht weniger unglücklich sind Äußerungen von Merz' parteiinternem Konkurrenten Armin Laschet. Auch er will CDU-Chef und Kanzler werden. Dieses Weihnachten, so der NRW-Ministerpräsident kürzlich, werde das härteste, das die Nachkriegsgenerationen je erlebt hätten.

Da stockt einem dann doch der Atem. Dieses Weihnachten härter als damals, als Europa noch in Trümmern lag und Millionen in Baracken hausten? Schlimmer als während der deutschen Teilung, als die Mauer Familien über Jahrzehnte trennte? Nur, weil die Großfamilie sich nicht auf einmal, sondern verteilt über die Festtage treffen soll? Ein Politiker mit Anspruch auf das Kanzleramt sollte eine Prise Zuversicht versprühen und kreative Lösungen anbieten. Laschets Alarmismus ist zudem eine Ohrfeige für all jene, die in der Pandemie um ihre Existenz kämpfen und ganz andere Sorgen haben als wen sie wann zum Familienkaffee sehen.

Vielfach ganz andere Lebenswelten

Überhaupt geht die ganze Debatte an der Lebenswelt vieler Menschen in Deutschland völlig vorbei. Die Politik ignoriert alle diejenigen, die mit den christlichen Traditionen wenig anfangen können - und das dürften bei rund 32 Millionen Konfessionslosen und fast fünf Millionen Muslimen nicht wenige sein.

Und die Debatte unterschätzt fast schon beschämend die Mehrheit der Christinnen und Christen in diesem Land. Viele haben jüngsten Umfragen zufolge längst erkannt, dass Verzicht in diesem Pandemie-Jahr ein Zeichen von Nächstenliebe ist. Um ihre Familie und vor allem die besonders gefährdeten Alten zu schützen, haben sie das Fest schon vor Wochen umgeplant und die Zahl der Besuche und Besucher gekürzt: Für viele Deutsche wird der Heiligabend 2020 ganz freiwillig eine überwiegend "Stille Nacht". Soviel Vernunft möchte man manchen Politikern wünschen.

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