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Abschied vom Dialog im Gremium des Dialogs

8. September 2022

Die russische und die ukrainische Kirche reden nicht miteinander und der Weltkirchenrat findet keine klaren Worte zum Angriffskrieg auf die Ukraine. Das könnte zur Spaltung des ÖRK führen, meint Christoph Strack.

Vielfalt, aber keine Einheit - die 11. Vollversammlung des Weltkirchenrates in KarlsruheBild: Albin Hillert/WCC

Es scheinen deutliche Worte. Zum Abschluss der 11. Vollversammlung des Weltkirchenrats (ÖRK) in Karlsruhe verurteilen die Delegierten nach manchen Debatten die russische Invasion in die Ukraine als "illegal und nicht zu rechtfertigen".

Nur - im Juni hatte sich bereits der Zentralausschuss des ÖRK zum russischen Angriff geäußert. Er sprach bereits von einem illegalen und nicht zu rechtfertigenden Krieg, "der Menschen und dem souveränen Staat der Ukraine aufgebürdet wird". Schon damals beklagte der Zentralausschuss, der das Spitzengremium zwischen den alle acht Jahren anstehenden Vollversammlungen ist, Tod, Zerstörung und Vertreibung, tief verwurzelte Feindschaft, das gestiegene Risiko globaler Konfrontationen.

Peinlich

Nichts ist also entschiedener geworden beim Wort der mehr als 3500 Delegierten. Das ist peinlich. Obwohl mehr und mehr Verbrechen gegen die Menschlichkeit erkennbar werden, der Wirtschaftskrieg boomt, die Flucht von Millionen andauert. Bei aller Wehrhaftigkeit - die Ukraine durchleidet eine Opfergeschichte.

DW-Kirchenexperte Christoph StrackBild: DW/B. Geilert

Dass das Wort zum Angriffskrieg nicht deutlicher wurde, sagt viel über die Dimension des Weltkirchenrats. Mehr als die Hälfte der knapp 600 Millionen Christinnen und Christen, die den gut 350 Mitgliedskirchen angehören, zählt zur russischen Orthodoxie. Nicht wenige kleinere Akteure scheinen vielleicht deswegen mit offener Kritik an Moskau zu zögern. Moskaus Orthodoxie ist der größte Player im Kreis der Mitgliedskirchen. Und sie kann sich - so wirkte es bei der letzten Erörterung des Themas vor dem Schlusstag - auch Redezeit nehmen, wenn es die Redenfolge nicht vorsieht.

Bei ihren Wortmeldungen im Plenum wirkten die fünf russischen Delegierten, die sich selbst schon als "schwarzen Block" bezeichnet haben, wie Kader-Beamte. Man muss würdigen, dass es hinter den Kulissen auch einzelne Gespräche und Gesprächsversuche gab - indes keinen direkten Dialog von Russen und Ukrainern. Karlsruhe hat verdeutlicht, dass die russische Orthodoxie als Staatskirche dem Präsidenten treu ergeben ist. Schon die Wortwahl "illegal und nicht zu rechtfertigen" zeige, dass die Stellungnahme „weitgehend politisiert" sei, kritisierten die Abgesandten aus Russland nach der Verabschiedung der Stellungnahme - his masters voice. Da spricht der Kreml. Dagegen standen in Karlsruhe die verzweifelten, dramatischen Worte der ukrainischen Delegierten. Ein Bischof sprach von den "immergleichen Lügen" der russischen Kirchenvertreter.

Spaltet sich der Weltkirchenrat?

Gut, dass wenigstens Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zum Auftakt der ÖRK-Vollversammlung ungewöhnlich deutlich wurde. Die Verantwortlichen der russisch-orthodoxen Kirche führten ihre Gläubigen auf einen "schlimmen, ja geradezu glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg". Wer da Dialog führe, dürfe nicht im ungefähren bleiben, sondern müsse "Unrecht zur Sprache bringen".

Mag sein, dass der russische Kurs den Weltkirchenrat in eine Spaltung führen wird. Dieses Gremium hat keine Macht, seine Kraft ist allein der Dialog, mindestens die Bereitschaft zum Dialog. Genau dabei zeigten die neun Tage der Vollversammlung ansonsten die Einzigartigkeit dieses Gremiums: Delegierte aus 120 Ländern, aus viele Krisenregionen der Welt, aus allen Generationen, aus alle Kirchen außerhalb der römisch-katholischen Kirche, die aber mit Beobachtern vor Ort war und zu Wort kam. So viel Diversität gibt es auf Weltebene kaum ein zweites Mal.

Keine Bittsteller - Propheten!

Besonders beeindruckten dabei die Beiträge indigener Vertreter. Sie verdeutlichten, dass die Katastrophe des Klimawandels schon begonnen hat. Das waren Hilferufe, die alle im ÖRK in die Pflicht nehmen. Da können und müssen die Kirchen des globalen Südens und des Nordens gemeinsam agieren und Wort führen. Aber die Kirchen des Nordens sind auch als Akteure gefragt. Das geht von ethisch vertretbarem Investment bis hin zur Teilnahme von Bischöfinnen und Bischöfen an Demonstrationen oder Protestaktionen.

Das Leben im Norden muss sich ändern, um das Leben derer zu sichern, die längst unter Dürren und Wüstenbildung, Hurrikanen und steigenden Wasserspiegeln leiden. Die indigenen Delegierten traten in Karlsruhe nicht als Bittsteller auf. Sie wirkten wie Propheten. Rufer in der Wüste. Die Vollversammlung des Weltkirchenrats hat diesen Rufen Raum gegeben. Er will die Einbindung und Präsenz der Indigenen stärken und gerade jungen Indigenen mehr Förderung bieten. Spannend wird es, wie die Kirchen des Nordens sich selbst bei ökologischer Neuausrichtung und Klimaschutz aufstellen.

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